Flughafen Berlin-Brandenburg: Wie gut läuft die Kooperation im BER-Aufsichtsrat?
Linke und Grüne kontrollieren den Flughafen BER mit – in Kooperation oder in Konkurrenz zu Michael Müller? Eine Analyse.
Nach dem überraschenden Senatsbeschluss zur Neubesetzung des BER-Aufsichtsrats bleiben viele Fragen offen. Kultursenator Klaus Lederer (Linke) und Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne), die am 7. Februar auf Vorschlag der Berliner Regierung in das Kontrollgremium gewählt werden, müssen sich jetzt überlegen, was sie mit dem neuen Job anfangen wollen. Beide Politiker haben die Wahl: Sie können, wie der ehemalige Innensenator Frank Henkel (CDU), pro forma im Aufsichtsrat sitzen. Oder sie mischen sich tatkräftig ein, was aber nicht einfach sein wird.
Es setzt nämlich voraus, dass beide Senatoren nicht nur an den wenigen Aufsichtsratssitzungen der Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg teilnehmen und ab und zu bei einer Abstimmung den Finger heben. Die Überwachung und Beratung der Geschäftsführung erfordert fachliche Expertise und eine gründliche persönliche Vorbereitung, einschließlich der Lektüre dicker Unterlagen. Die spannende Frage ist, ob sich Lederer und Behrendt dabei vom Berliner Flughafenkoordinator, dem Staatssekretär Engelbert Lütke Daldrup, abhängig machen wollen, der im Roten Rathaus sitzt.
Lütke Daldrup ist der starke Mann der SPD
Bei dem Sozialdemokraten und Vertrauten des Regierungs- und Aufsichtsratschefs Michael Müller (SPD) laufen bisher alle Fäden zusammen. Lütke Daldrup ist der starke Mann, soweit es den Flughafen betrifft. Er gilt als klug und erfahren, aber auch als eigensinnig und rechthaberisch. Ob die zwei Neulinge im Aufsichtsrat ein Vertrauens- oder eher ein Konkurrenzverhältnis zu Lütke Daldrup aufbauen werden, muss die Zukunft zeigen. Es könnte sich daraus auch ein koalitionsinterner Machtkampf entwickeln, denn Müller wird die Lufthoheit über BER gewiss nicht abgeben wollen.
Lütke Daldrup sitzt auch in den beiden Fachausschüssen, die den BER-Aufsichtsrat erst arbeitsfähig machen. Das sind der Projektausschuss, der vom Brandenburger Flughafenkoordinator und Vize-Aufsichtsratschef, dem Staatssekretär Rainer Bretschneider (SPD), geleitet wird. Das Gremium befasst sich mit den Bauplanungen und Investitionen sowie den allseits bekannten Problemen, die eine Eröffnung des Flughafens bisher verhindern. Dann gibt es noch den Finanz- und Prüfungsausschuss, der die Wirtschaftspläne, das Risikomanagement und die Rechnungsprüfung der Flughafengesellschaft kritisch begleitet. Vorsitzender ist Werner Gatzer (SPD), Staatssekretär im Bundesfinanzministerium und langjähriges Mitglied im BER-Aufsichtsrat.
Einigkeit über Einbindung externer Bauexperten in Projektausschuss
Beide Ausschüsse arbeiten dem obersten Kontrollgremium der Flughafengesellschaft zu. Ob Lederer und Behrendt in diese Ausschüsse streben, um sich als Vertreter der Koalitionspartner Linke und Grüne nicht von Müllers Flughafenkoordinator abhängig zu machen, wissen beide Politiker offenbar selbst noch nicht. Über solche Details seien in der Senatssitzung am Dienstag keine Absprachen getroffen worden, verlautete einen Tag später aus Regierungskreisen. Ob bis zur Aufsichtsratssitzung am Montag mehr Klarheit herrscht, ist offen. Einig ist man sich im Senat bisher nur, dass externe Bauexperten in den BER-Projektausschuss eingebunden werden sollen. Das forcieren vor allem die Grünen, die auf der Suche nach kompetenten Fachleuten aus der Baubranche sind.
Solche Personalien kann Berlin aber nicht allein entscheiden, da haben Brandenburg und der Bund ein Wörtchen mitzureden. Beide Miteigentümer der Flughafengesellschaft wurden von der Entscheidung des Senats, im Aufsichtsrat hochpolitisch vertreten zu sein, auch überrascht. Öffentlich kommentiert wird das nicht. Doch intern werden beide Gesellschafter ihre Interessen wahren, sollte Berlin auf personelle Veränderungen in den Ausschüssen drängen.
Lederer könnte den früheren Piraten Martin Delius hinzuziehen
Die zwei Berliner Senatoren werden im BER-Aufsichtsrat also nicht mit Applaus empfangen. Sie müssen sehen, wie sie zurechtkommen. Lederer könnte beispielsweise den früheren Piraten und jetzigen Parteifreund Martin Delius als Berater hinzuziehen. Immerhin hat Delius den BER-Untersuchungsausschuss im Abgeordnetenhaus geleitet. Behrendt wiederum könnte sich auf einen bisher noch unbekannten Bauexperten stützen, den die Grünen fordern. Der Justizsenator habe, so heißt es, in der Senatssitzung am Dienstag „beherzt zugegriffen“ und sich für den Aufsichtsrat zur Verfügung gestellt, als der Streit um die Besetzung des BER-Aufsichtsrats zu eskalieren drohte. Jetzt muss er die Konsequenzen tragen.
Nach dem Senatsbeschluss las der Rechnungshof in Brandenburg den Berlinern die Leviten. In einem 20-seitigen Papier, das schon 2016 erarbeitet, aber am Dienstag demonstrativ noch einmal veröffentlicht wurde, wird auf die „Beteiligungshinweise“ des Landes Berlin verwiesen, die Politikern zwar erlauben, in Aufsichtsräten öffentlicher Unternehmen zu sitzen. Allerdings unter der Maßgabe, dass „in erster Linie Mitglieder berufen werden sollen, die fachlich zuständig bzw. mit der Verwaltung der Unternehmensbeteiligung beauftragt sind“. Das trifft für die Kultur- und die Justizbehörde Berlins nicht zu.
Nach Ansicht des Rechnungshofs in Potsdam dürfen sich die Aufsichtsräte zwar „von Dritten“ unterstützen lassen. Doch sei es nicht erlaubt, „einen wesentlichen Teil der Aufgaben laufend einem Dritten zu übertragen oder einen ständigen Berater einzuschalten“. Dem Regierenden Bürgermeister Müller wird mit auf den Weg gegeben, dass ein Aufsichtsratschef „gesteigerten Qualifikationsanforderungen unterliegt“, denn er müsse der Geschäftsführung „auf Augenhöhe“ begegnen können.