Engelbert Lütke Daldrup: "Nicht so viel quatschen über den BER – das Ding fertig bauen"
Er ist Berlins „Mister BER“: Flughafen-Koordinator Engelbert Lütke Daldrup über Terminspekulation, Fragen der Ehre – und Billigflieger-Gefühle in Schönefeld.
Engelbert Lütke Daldrup, SPD, Jahrgang 1956, ist Flughafenkoordinator im Roten Rathaus – neben seiner regulären Aufgabe als Staatssekretär für Bauen und Wohnen. Damit ist er für die Bekämpfung der Wohnungsnot und den Pannenairport zuständig. Von seiner Expertise hängt maßgeblich ab, ob der BER im Wahljahr 2016 für Müller zum Problem wird. Er ist studierter Stadtplaner, war von 1995 bis 2005 Baustadtrat in Leipzig, von 2006 bis 2009 Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium. In dieser Zeit vertrat Lütke Daldrup bereits den Bund im BER-Aufsichtsrat.
Die neueste Flughafenwerbung ist ja wagemutig: „Jahrelang hat der BER uns genervt: Jetzt machen wir ihn fertig“. Wirklich?
Ja, so ist es. 2016 wird ein gewisser Wendepunkt für den BER. Da bin ich optimistisch. Es wird das Jahr sein, in dem der Bau endlich fertig und die technische Inbetriebnahme, das Hochfahren aller Systeme in vollem Gange sein werden.
Sie sind ja ein Optimist!
Das ist realistisch. Wir sind jetzt tatsächlich auf diesem Weg, haben das Ziel klar vor Augen. Dass der BER mit seinen Verzügen ein absolutes Ärgernis ist, wissen doch alle. Aber ich glaube, dass auch die allgemeine Stimmung inzwischen so ist: Man muss das Ding jetzt endlich fertig bringen. Ich bin zuversichtlich, dass im Sommer 2016 die bauliche Fertigstellung des Terminals möglich ist, und wir uns dann im Herbst 2017 über den neuen Flughafen Berlins freuen können.
Wie knapp ist dieser Eröffnungstermin?
Da hat sich nichts geändert. Gegenüber der alten Terminplanung aus dem Jahr 2014 sind wir drei bis vier Monate im Verzug. Deshalb hat die Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg einen neuen Terminplan aufgestellt, der nun die bauliche Fertigstellung für das Jahr 2016 und die Inbetriebnahme für den Herbst 2017 vorsieht. Die nötigen Planungen sind auch fast komplett fertig. Die abschließenden Antragsunterlagen sollen im Januar/Februar bei der Bauaufsicht eingereicht werden.
Für Dienstag haben der Regierende Michael Müller und Flughafenchef Karsten Mühlenfeld die wichtigsten am BER beteiligten Firmen ins Rote Rathaus eingeladen. Was versprechen Sie sich von dem Treffen?
Der Zeitplan setzt natürlich voraus, dass die Baufirmen jetzt auch mitziehen. Wir erwarten von den Firmen wie auch von der gesamten Mannschaft der Flughafengesellschaft dass sie konzentriert am gemeinsamen Ziel arbeiten, im Sommer 2016 die Bauarbeiten fertig zu stellen. Genau das wird der Regierende Bürgermeister, aber auch der Geschäftsführer der Flughafengesellschaft, mit den Firmen besprechen.
Die Unternehmen machen am BER nicht genügend Power, haben sich eher auf der lukrativen Dauerbaustelle eingerichtet?
Ich formuliere es einmal so: Ein Projekt in einer so schwierigen Situation ist nur dann zeitgerecht fertigzustellen, wenn sich alle anstrengen. Der Flughafen hat das in letzter Zeit getan. Er hat seine Prozesse im Baubereich in Ordnung gebracht, eine belastbare Terminplanung aufgestellt. Jetzt sollen auch diejenigen in die Pflicht genommen werden, die das umsetzen müssen.
Und da dürfen die Firmen sich nicht hinter irgendwelchen Konflikten um Nachträge oder ähnliches verstecken. Sie müssen begreifen, dass der BER eine gemeinsame Aufgabe ist. Es liegt im Interesse des Standorts Deutschland, aber auch des Rufs dieser namhaften Unternehmen selbst, den Flughafen nun fertig zu stellen. Es sollte für die Firmen auch eine Frage der Ehre sein, das, was in den letzten Jahren nicht fertig bekommen wurde, zu Ende zu bringen, damit der Schaden nicht noch größer wird.
Die letzten Baugenehmigungen werden erst für April 2016 erwartet. Und bis Sommer sollen alle Bauarbeiten erledigt sein?
Die entscheidende Hürde liegt vorher. Das Wichtigste ist, dass die Bauanträge komplett und durch unabhängige Büros geprüft, zu den angegebenen Zeitpunkten im Januar/Februar abgeschlossen und eingereicht werden, damit die Bauaufsichtsbehörde dann zügig arbeiten kann. Wenn diese Termine gehalten werden, ist der Sommer 2016 realistisch.
Sie legen Ihre Hand dafür ins Feuer, dass der neue Flughafen 2017 in Betrieb geht?
Wenn im Frühjahr wie geplant die Baugenehmigungen da sind – das ist ein entscheidender Punkt –, dann können wir 2017 schaffen.
Aber es gibt kaum einen Puffer, dafür regelmäßig Hinweise auf eine drohende Verschiebung ins Frühjahr 2018.
Ich rate allen ab, jetzt über Termine zu spekulieren. Man sollte alle Kraft darauf konzentrieren, fertig zu bauen. Das ist mein Appell an alle am Projekt Beteiligten, an Planung, Objektüberwachung, Baufirmen. Ich sage es mal ganz direkt: Nicht so viel spekulieren! Nicht so viel quatschen, sondern in die Hände spucken und das Ding fertig bauen!
Woher rührt Ihre Zuversicht, dass nicht doch BER-Hiobsbotschaften dem Regierenden Müller den Wahlkampf vermasseln?
Wir wissen heute so viel über das Gebäude wie nie zuvor. Das BER-Terminal ist ja fast forensisch untersucht worden. Damit sind auch die Risiken geringer geworden. Es gibt wenige Gebäude in Deutschland, die so genau dokumentiert sind. Man kann dort unterwegs sein, und quasi für jeden Raum auf dem Tabletcomputer den aktuellen Planungsstand abrufen.
Sicher, man kann immer noch was finden. Hundertprozentig ausschließen kann das kein Mensch. Das wäre auch nicht seriös. Aber vieles ist gefunden und inzwischen abgearbeitet worden.
Berlins neuer Flughafen ist zu klein. Die Passagierzahlen steigen und steigen, 2015 wurde mit fast 30 Millionen wieder ein Rekord erreicht. Droht nach dem Baufiasko nun Chaos im laufenden Betrieb?
Wenn wir 2017 den BER mit 22 Millionen Passagieren starten, werden wir dort eine ganz andere Servicequalität als heute an den alten Berliner Flughäfen anbieten können.
Ohne das alte Schönefelder Terminal werden die dann erwarteten 33 Millionen Passagiere nicht abgefertigt werden können.
Daher werden wir den Bereich Schönefeld-Alt zunächst weiter für den Low- Cost-Verkehr nutzen. Dort wird man auch ein bisschen spüren, dass man günstig fliegt. Außerdem werden wir ein neues Low-Cost-Terminal neben dem Nordpier bauen.
Selbst das alles wird nicht lange reichen!
Man wird nach der Eröffnung des BER bald entscheiden müssen, wie man dauerhaft die Kapazität erweitert. Ich denke, diese Entscheidung wird zu fällen sein, wenn der BER ein, zwei Jahre in Betrieb war und der Flughafen auch finanziell auf eigenen Beinen steht.
Aus Sachsen und von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) wird regelmäßig der Leipziger Airport ins Spiel gebracht. Was spricht denn dagegen?
Da ich zehn Jahre Baubürgermeister in Leipzig war, kenne ich den Flughafen ziemlich gut. Er hat eine Kapazität von fünf Millionen Fluggästen pro Jahr, zurzeit fliegen dort knapp 2,5 Millionen. Hier sind es 30 Millionen. Der Leipziger Flughafen kann die Berliner Kapazitätsprobleme nicht lösen. Insofern könnte er, wenn überhaupt, kleine ergänzende Funktionen übernehmen. Die Leute wollen im Übrigen nach Berlin fliegen, und sie wollen auch von Berlin aus wegfliegen.
Reichen zwei Landebahnen am BER aus?
Der Großflughafen London-Heathrow bewältigt auf zwei Bahnen jährlich 68 Millionen Passagiere.
Mit der neuen Finanzspritze steigen die BER-Kosten auf 6,5 Milliarden Euro. Drohen danach weitere Finanzrisiken?
Wenn Brüssel die beihilferechtlichen Fragen positiv behandelt, und die Signale sind gut, dann ist die Finanzierung des Flughafens für die nächsten Jahre gesichert. Von den 2,2 Milliarden Euro leihen die Gesellschafter 1,1 Milliarden Euro als Darlehen, 1,1 Milliarden Euro werden auf dem Kapitalmarkt als verbürgte Kredite aufgenommen werden.
Dann muss die öffentliche Hand keine weiteren Hilfen bewilligen?
Das ist die Grundlage aller Finanzierungspläne, die die Flughafengesellschaft vorgelegt hat. Und das ist die Grundlage für das Notifizierungsverfahren in Brüssel. Die finanzielle Unabhängigkeit und Eigenständigkeit des Unternehmens soll etwa 2020 erreicht sein.
Da die Flughafengesellschaft demnächst mehr als 2000 Mitarbeiter hat, muss der Aufsichtsrat vergrößert werden. Bei der Gelegenheit könnte man doch gleich Spitzenpolitiker abziehen, wie es Brandenburgs Rechnungshof fordert.
Für Berlin ist der Berliner Rechnungshof zuständig. Und der vertritt eine andere Position. Auch wir sind dezidiert der Auffassung, dass politische Verantwortungsträger dem Aufsichtsrat angehören sollten. Mit der paritätischen Mitbestimmung betreten wir zudem kein Neuland. Die gab es schon einmal bis 2008. Insofern wird der Aufsichtsrat um Arbeitnehmervertreter ergänzt werden müssen. Es wird einen Arbeitsdirektor geben.
Welche BER-Schlagzeile wünschen Sie sich 2016?
Der BER ist fertig gebaut.