Nach Räumung der Berliner Kneipe „Syndikat“: Wie Grüne und Linke indirekt Gewalt legitimieren
Ein Polizist wird von einer Flasche getroffen, vielleicht bleibt er blind. Mit ihrer Reaktion stellen einige Politiker den Rechtsstaat in Frage. Ein Kommentar.
Es sind zwei Sätze in der Pressemitteilung der Polizei Berlin zu den Auseinandersetzungen rund um die Räumung der Kiezkneipe „Syndikat“. Verschickt am Tag danach, Samstag um 13.36 Uhr.
In der Mitteilung heißt es amtlich: „Ein Polizeibeamter wurde durch einen Flaschenwurf im Gesicht verletzt.“ Und: „Der durch einen Flaschenwurf verletzte Polizeibeamte erlitt so schwerwiegende Gesichtsverletzungen, dass er in einem Krankenhaus notoperiert werden musste.“
Im Gesicht? Benjamin Jendro, Sprecher des Berliner Landesverbandes der Gewerkschaft der Polizei (GdP), twitterte am Samstagabend: „Beleidigungen, Pyrotechnik, Stein- und Flaschenwürfe, 30 verletzte Einsatzkräfte – ein Kollege ganz nebenbei so schwer, dass er um sein Augenlicht bangen muss.“ Der Beamte habe in einer Nebenstraße vom Richardplatz eine Glasflasche genau ins Gesicht bekommen. Auch die Nase sei zertrümmert worden.
Es geht um einen Beamten der 36. Einsatzhundertschaft. Beworfen aus einer Gruppe von Menschen, die gegen die Räumung des „Syndikat“ protestiert haben. Und nebenbei gegen den Kapitalismus.
Denn die englische Milliardärsfamilie Pears, die mit Briefkastenfirmen mehr als 3000 Wohnungen hält und damit ein Player auf dem Berliner Wohnungsmarkt ist, hat die Räumung per Gerichtsbeschluss durchgesetzt.
Gegen eine Kneipe, die maßgeblich dazu beitrug, die Geschäftspraxis von Pears in Berlin offenzulegen. Kapital gegen Kiez, Profit gegen Kneipe, Heuschrecken gegen verlängertes Wohnzimmer. Gerechtigkeit gegen Rechtsstaat? Offenbar, jedenfalls nach Lektüre der Tweets von Landespolitikern von Linke und Grüne.
Der Einsatz wird in Frage gestellt – und Gewalt indirekt legitimiert
Und noch viel mehr. Mit der gerechten Sache, nämlich dem Kampf für alternative Rückzugsräume, wird trotz rechtsstaatlicher Verfahren der Amthilfeeinsatz der Polizei grundsätzlich in Frage gestellt – und indirekt Gewalt legitimiert. Als martialisch wird der Polizeieinsetz kritisiert von jenen, die noch vor einer Woche ein robusteres Vorgehen der Polizei gegen die Demo gegen die Corona-Maßnahmen gefordert hatten, mithin den Umgang mit dem radikalen politischen Gegner, den Corona-Zweiflern, bemängeln.
„Zu lasch gegen gefährliche Spinner und Faschos. Viel zu hart gegen eine linke Demo“, twittere der Abgeordnete Georg Kössler (Grüne). Das Recht auf Versammlungsfreiheit der so beschimpften „Covidioten“, die zugegeben ein gefährliches Spiel treiben, solle von der Polizei mit harter Hand eingeschränkt werden, aber bei der Durchsetzung eines Gerichtsbeschluss möge die Polizei besser mit Samthandschuhen anrücken, damit Demonstranten leichter die Umsetzung von Recht verhindern können.
Schließlich verteidige die Polizei doch nur das böse Kapital. Der Kiez sei von der Polizei besetzt, um die Interessen eines Investors durchzusetzen, twitterte die Abgeordnete Susanne Kahlefeld (Grüne). Dass die Polizei überhaupt anrücken musste, weil mit Gewalt zu rechnen war, verschweigt sie.
Statt für eine zielführende Lösung zu arbeiten, für langfristige politische Regelungen, die derlei kritikwürdige und für das Zusammenleben in der Stadt gefährliche Geschäftspraktiken verhindern, setzen Koalitionspolitiker auf die Delegitimation des Rechtsstaats, stellen das Gewaltmonopol des Staates in Frage. Und vergessen, dass die Polizeibeamten ebenso von den Entwicklungen auf dem Immobilienmarkt betroffen sind.
Wie friedlich das Ansinnen der Demonstranten war, zeigt der Ruf eines Anheizers durch einen Lautsprecher. „Ich kann Euch ja gut verstehen. Aber wenn ihr Sachen schmeißt, denkt bitte an die Genoss_Innen, die weiter vorne stehen. Nicht, dass die es abkriegen.“
Der Beamte der Einsatzhundertschaft hat etwas abbekommen. Schlimmstenfalls, befürchtet die GdP, wird er nie wieder sehen können.