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Der Terminal des neuen Hauptstadtflughafens Berlin-Brandenburg hat Probleme mit der Statik.
© dpa

Dachschaden am Flughafen Berlin-Schönefeld: Wie groß ist das BER-Chaos? Hier sind die Antworten

Der Baustopp im Terminal wird die BER-Eröffnung wohl weiter verzögern. Wie groß ist das Chaos diesmal? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Nach tiefgreifenden Problemen mit der Entrauchungsanlage, Personalquerelen und dem weiterhin ungewissen Eröffnungstermin hat der Flughafen Berlin-Brandenburg den nächsten schweren Rückschlag erlitten. Am Wochenende musste aufgrund von Problemen mit der Statik ein Baustopp für das Terminal verhängt werden, der Staatsanwalt ermittelt.

Wie gefährlich sind die Statikprobleme?

Im Prinzip sehr gefährlich, wenn die Angaben aus dem öffentlich gewordenen Gutachten zutreffend sind. Demnach müssen Teile des Dachs das Doppelte der angenommenen Last aufnehmen. Das liegt daran, dass auf drei bestehenden Bühnen, die unter dem Dach hängen, fünf schwere Ventilatoren installiert wurden. Zwar bauen Tragwerksplaner nach Angaben von Wolfgang Schuster, Vorstand des Berliner Architekten- und Ingenieurvereins Dächer grundsätzlich mit „Sicherheiten“, wodurch diese „doppelte Verkehrslasten“ tragen können. Doch diese Reserve sei wichtig und stellt sicher, dass Gebäude auch bei extremen Witterungsverhältnissen oder beim Betrieb der Ventilatoren in Havarie-Fällen keinen Schaden nehmen. Schuster kann sich bei dem vorhandenen Tragwerksystem und dem derzeitigen Ausbaustand nicht vorstellen, dass die Konstruktion durch bauliche Maßnahmen so ertüchtigt werden kann, dass sie die vorgeschriebenen Sicherheitsreserven erbringt.

Wer ist schuld an dem neuerlichen Rückschlag?

Das lässt Flughafenchef Karsten Mühlenfeld von der Innenrevision untersuchen. Und die zuständige Staatsanwaltschaft in Cottbus prüft, ob wegen der möglichen Einsturzgefahr am Terminal ein förmliches Ermittlungsverfahren eingeleitet wird. Wegen „fahrlässiger Baugefährdung“. Auf fahrlässiges Handeln in solchen Fällen steht eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe. Der Einbau geschah in den Chaosmonaten vor der geplatzten Eröffnung 2012. Damals hatte der BER – Bauchef war Manfred Körtgen – noch einen Generalplaner, die Planungsgemeinschaft pg bbi, an der auch das bekannte Archiketurbüro Gerkan, Marg und Partner beteiligt war. Wer den Einbau veranlasst hat, ist bislang nicht bekannt.

Warum sind die größeren Ventilatoren eingebaut worden?

Der tiefere Grund ist wohl wieder einmal die Vergrößerung des Terminals in den letzten Jahren im Inneren. Das Terminal hatte 2005 noch eine Bruttogeschossfläche von 220.000 Quadratmeter, 2012 waren es bereits 360.000 Quadratmeter. Die Haustechnik aber wurde nicht synchron neu geplant worden, viele Systeme fahren auf Grenzlasten. So muss die Entrauchungsanlage im Ernstfall aus viel mehr Räumen den Qualm abziehen und Frischluft zuführen.

Woran sollte im Terminal aktuell immer noch gebaut werden?

Die Liste ist lang. Es geht, wie es Technikchef Marks ausdrückte, um eine „Sanierung im Baustand.“ So muss der gesamte Baupfusch beseitigt werden. Das sind die Kabeltrassen, in denen Kabel wild durcheinander verlegt wurden. Das Gleiche gilt für die Deckenhohlräume, aber auch für Brandabschottungen von Räumen. Gesperrt ist aktuell die Haupthalle unter dem Dach. Die anderen Bereiche, das Nord- und Südpier, sind nicht betroffen. Und die entscheidenden Arbeiten, nämlich der Umbau der Entrauchungsanlage, die in drei beherrschbare kleinere Anlagen zerlegt wird und neue Schornsteine erhält, haben noch nicht begonnen. Im Terminal ist noch nicht einmal die Hälfte der noch nötigen Arbeiten erledigt.

Wie geht es weiter?

Die Vorgabe der Baubehörde des Landkreises Dahme-Spreewald ist klar: Der Flughafen muss neue Statikberechnungen vorlegen. Danach kann entschieden werden, ob der Baustopp auf die Bereiche unter den Ventilatoren beschränkt wird und wie das Problem gelöst werden könnte. Denkbar wäre, die Befestigungen der Technikbühnen zu verstärken oder die Rauchgasventilatoren durch kleinere zu ersetzen. Was bedeutet der Baustopp für den Eröffnungstermin?

Es dürfte der K.o.-Schlag für die geplante Eröffnung im zweiten Halbjahr 2017 sein. Seit Frühjahr ist man bereits zwei bis drei Monate im Rückstand, mit der Insolvenz des Gebäudeausrüsters Imtech kam ein weiterer Monat dazu. Der Baustopp ist noch nicht einkalkuliert. Wenn 2017 gehalten werden könnte, wäre das ein Wunder.

Wie viel kostet diese weitere Panne?

Eine seriöse Kostenschätzung ist erst möglich, wenn klar ist, ob und in welchem Umfang das Dach des Terminals verstärkt oder umgebaut werden muss, um die zusätzlichen Lasten zu tragen. Vielleicht reicht der finanzielle Puffer für „Unvorhergesehenes“ in kleiner dreistelliger Millionenhöhe, der in der Gesamtkalkulation der Baukosten enthalten ist. Vielleicht auch nicht, denn zusätzliche Baumaßnahmen und die absehbaren Verzögerungen beim Baugeschehen dürften nicht nur mit ein paar Millionen Euro zu Buche schlagen. Bisher wurde die BER-Fertigstellung mit 5,4 Milliarden Euro kalkuliert, der Ausbau der Kapazitäten soll weitere 1,1 Milliarden Euro kosten. Dann gibt es noch ein Spezialproblem, das zusätzliche Ausgaben in Milliardenhöhe für einen besseren Lärmschutz im Umfeld des Flughafens Tegels produzieren könnte: Eine zehnjährige Ausnahmeregelung für Tegel zum bundesgesetzlichen Schutz gegen Fluglärm läuft im Juni 2017 aus. Nach Auffassung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung erst 2019, aber diese Rechtsauslegung ist umstritten. Sollte sich die Eröffnung von BER noch einmal deutlich verzögern, wäre das wegen der notwendigen Offenhaltung Tegels und der dann zwingenden Schallschutzmaßnahmen für Berlin ein finanzielles Desaster.

Welche politischen Auswirkungen hat der Baustopp?

Auch die neu aufgetauchten Mega-Probleme sind sehr wahrscheinlich Altlasten des früheren Managements der Flughafengesellschaft, für die der heutige Aufsichtsrat unter Leitung des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller nicht direkt mitverantwortlich gemacht werden kann. Trotzdem trägt Müller die politische Verantwortung und muss sich darum kümmern, dass BER nicht vor der Abgeordnetenhauswahl am 18. September 2016 zu Staub zerfällt. Ansonsten kriegt er selbst ein großes Problem. Der Regierungspartner CDU, natürlich auch die Opposition, bemühen sich schon erkennbar um Schuldzuweisungen in Richtung Berliner SPD. Darunter leidet bereits jetzt das Koalitionsklima, und Müller muss auf Antrag der Grünen demnächst in einer Sondersitzung des Bauausschusses Rede und Antwort stehen. Der rot-schwarze Senat befasste sich am Dienstag ausführlich mit dem Baustopp und den möglichen Folgen.

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