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Kampfbereit. Andreas Kalbitz verzichtet vorerst auf den Vorsitz der AfD-Fraktion im Landtag Brandenburg.
© Sebastian Gabsch

Bislang war er einer der mächtigsten Männer der AfD: Wie geht es weiter für Andreas Kalbitz?

Andreas Kalbitz lässt den Brandenburger AfD-Fraktionsvorsitz ruhen. Damit verliert er seine Machtbasis. Aufgeben will er aber noch nicht.

Es ist ein Ergebnis, mit dem AfD-Chef Jörg Meuthen durchaus zufrieden sein kann: Andreas Kalbitz lässt nach seinem Rauswurf aus der AfD sein Amt als Fraktionschef in Brandenburg ruhen.

Zunächst solle eine juristische Klärung durch das Landgericht Berlin abgewartet werden, erklärte der Rechtsaußenpolitiker am Dienstag nach einer fast vierstündigen Sondersitzung im Landtag in Potsdam. Die Fraktion habe sein entsprechendes Angebot einstimmig angenommen.

Das letzte Wort ist in dem Streit um Kalbitz zwar noch lange nicht gesprochen. Aber es ist zumindest nicht zu einem offenen Bruch zwischen der AfD-Fraktion in Brandenburg und dem Bundesvorstand der Partei gekommen. Eigentlich wollte Kalbitz nämlich Fraktionsvorsitzender bleiben. Und es hätte auch juristisch die Möglichkeit dazu gegeben.

Kalbitz errang vor Gericht einen Zwischenerfolg

Ein kurzer Rückblick: Im Mai hatte der Bundesvorstand der AfD auf Meuthens Drängen mit knapper Mehrheit entschieden, die Mitgliedschaft von Kalbitz zu annullieren. Die Begründung: Er habe bei seiner Aufnahme in die AfD seine rechtsextreme Vita verschwiegen. Gemeint waren seine Mitgliedschaft bei den Republikanern und beim 2009 verbotenen Nazi-Trupp „Heimattreue Deutsche Jugend“ (HDJ). Kalbitz bestreitet die HDJ-Mitgliedschaft.

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In Reaktion auf den Rauswurf änderte die AfD-Fraktion in Brandenburg ihre Geschäftsordnung. Kalbitz konnte somit auch als Nicht-AfD-Mitglied der Fraktion weiter angehören. Später errang Kalbitz vor dem Landgericht Berlin einen Zwischenerfolg: Es entschied, dass die AfD ihn wieder aufnehmen muss, bis das Schiedsgericht der Partei über den Fall entschieden hat. Anschließend wählte die Brandenburger AfD-Fraktion Kalbitz wieder zum Fraktionsvorsitzenden. Es war ein Affront gegen die Bundespartei.

Meuthen drohte mit Konsequenzen

Vorvergangene Woche dann eine weitere Wendung: Das AfD-Schiedsgericht bestätigte die Annullierung von Kalbitz’ Mitgliedschaft. Er war also wieder draußen – aber immer noch Fraktionschef. Der Vizevorsitzende der AfD-Fraktion in Brandenburg, Steffen Kubitzki, verlangte eine Sondersitzung der Fraktion. Er habe Sorge, dass die Partei Schaden nehme, sagte Kubitzki. Ex-Fallschirmjäger Kalbitz gab sich dennoch selbstbewusst und machte deutlich, dass er Fraktionschef bleiben will. Das ließ sich aber offenbar nicht durchsetzen.

Parteichef Meuthen, der maßgeblich den Kalbitz-Rauswurf vorangetrieben hat, drohte nämlich vor der Sondersitzung. Er machte deutlich, dass er es nicht akzeptieren würde, sollte Kalbitz weiter Fraktionsvorsitzender bleiben. „Damit würde sich die gesamte Fraktion direkt gegen die Partei im Ganzen wenden. Das wäre so nicht hinnehmbar. Das heißt, dass darauf reagiert werden wird“, sagte Meuthen dem rbb.

Kalbitz war bislang einer der mächtigsten Männer der AfD

Ein spannendes Detail: Bei der Sondersitzung im Brandenburger Landtag war auch der Fraktionsvorsitzende der AfD im Bundestag, Alexander Gauland, anwesend. Der 79-Jährige war früher Vorsitzender der AfD-Fraktion im Brandenburger Landtag und Landesvorsitzender. Gauland genießt nach wie vor wie vor hohes Ansehen – nachdem er 2017 sein Amt als Landeschef an Kalbitz abgegeben hatte, wählten ihn seine Parteifreunde zum Brandenburger Ehrenvorsitzenden.

Gauland hatte sich im Streit in der AfD auf die Seite seines früheren Kronprinzen Kalbitz gestellt und erfolglos versucht, Meuthen davon abzubringen, Kalbitz aus der AfD zu werfen. Mittlerweile sieht Gauland angesichts der verhärteten Fronten in der Partei die Zukunft der AfD düster. Und für Kalbitz ist die Entwicklung ein Rückschlag. Ohne Parteimitgliedschaft und damit ohne Landes- und Fraktionsvorsitz ist Kalbitz – bislang einer der mächtigsten Männer in der AfD – ein Kronprinz ohne Königreich.

Das Ende seiner politischen Karriere bedeutet das aber nicht. Denn Kalbitz geht weiter juristisch gegen den Ausschluss vor. Er hat beim Landgericht Berlin einstweiligen Rechtsschutz beantragt: Er will wieder in die AfD aufgenommen werden, bis das Gericht endgültig über die Rechtmäßigkeit seines Rauswurfs entschieden hat. Sollte Kalbitz mit seinem Anliegen Erfolg haben, wäre für ihn wieder alles offen – und Meuthen hätte ein Problem.

Meuthen sieht sich als Schachspieler

Einstweilen haben aber auch die Anhänger des ehemaligen „Flügels“ in der AfD ein Problem, solange Kalbitz ausgeschlossen bleibt. Nachdem der Druck durch den Verfassungsschutz wegen der Einstufung als rechtsextremistische Bestrebung gewachsen war, hatte der Bundesvorstand im März zwar die Auflösung des „Flügels“ um Kalbitz und den Thüringer AfD-Chef Björn Höcke beschlossen. Doch viele hielten das für eine Scheinauflösung: Das Netzwerk hinter der völkischen Strömung existierte schließlich weiter. Doch ohne Kalbitz fehlt den äußerst Rechten in der AfD ihr wichtigster Strippenzieher. Und es gibt niemanden, der seinen Platz einnehmen könnte.

Parteichef Meuthen, der sich selbst als politischen Schachspieler sieht, nahm die Nachricht aus der Fraktionssondersitzung in Brandenburg jedenfalls wohlwollend zur Kenntnis. „Die heutige Entscheidung in der Brandenburger Landtagsfraktion ist richtig“, erklärte er.

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