Neubau im Olympiapark: Wie geht es mit Herthas Stadionplänen weiter?
Hertha BSC möchte ein reines Fußballstadion und schlägt für den Neubau zwei Standorte vor. Wie reagiert die Politik? Und wie sieht es mit der Finanzierung aus?
An diesem Freitag spielt Hertha BSC gegen Hoffenheim. Viele Karten sind noch zu vergeben - denn noch spielt Hertha im Olympiastadion, das zu groß für den Verein ist. Das soll sich aber ändern. Im Jahr 2025 will Hertha BSC in einem neuen Stadion spielen. Der Fußball-Bundesligist stellte am Donnerstag zwei mögliche Orte für den Bau des 55.000 Zuschauer fassenden Stadions vor: den Berliner Olympiapark und den Brandenburg Park in Ludwigsfelde.
Warum möchte Hertha BSC ein reines Fußballstadion?
Die Vereinsführung hatte immer wieder auf Nachteile gegenüber der Bundesligakonkurrenz hingewiesen, die sich auch aus dem Olympiastadion ergeben würden. Man sei der einzige Bundesligist, der nicht in einem reinen Fußballstadion ohne Laufbahn spiele. Das Olympiastadion sei – unabhängig vom sportlichen Abschneiden – lediglich zu 64 Prozent ausgelastet. Hertha könne das Olympiastadion nicht so vermarkten, als wenn es Eigentum wäre, zudem koste es zu viel Miete – rund 5,2 Millionen Euro im Jahr. Erst im vergangenen Jahr hatte Hertha den Nutzungsvertrag mit dem Senat als Eigentümer des Olympiapark-Geländes bis 2025 verlängert. „Wir wollen mit den Nachteilen des Olympiastadions nicht ewig leben“, sagt Herthas Manager Michael Preetz. Man wolle es nah, steil und laut, heißt es dazu im neuen Projektfilm. Preetz spricht von einer „Verpflichtung“, den Verein zukunftsfähig zu machen, eine neue Arena sei dabei aus wirtschaftlichen und atmosphärischen Gründen „unerlässlich“.
Was hat die Standortanalyse ergeben?
Zwei Standorte werden darin als ideal bezeichnet. Klarer Favorit für den Neubau einer Arena für 55000 Zuschauer ist eine Fläche auf dem Olympiapark zwischen dem Hockeystadion im Süden und der Hanns-Braun-Straße im Osten. Ein Großteil des Neubaus würde auf dem Schenckendorffplatz liegen, dem heutigen Trainingsplatz der Hertha-Profis. Auf der Fläche befinden sich keine denkmalgeschützten Gebäude, die abgerissen werden müssten. Der zweite Standort ist der Brandenburg Park in Ludwigsfelde, rund zehn Kilometer von der südlichen Stadtgrenze Berlins entfernt. Dieser Standort komme aber nur dann infrage, wenn „der Senat unser Vorhaben nicht unterstützt“, sagt Preetz. Das Architektur- und Planungsbüro Albert Speer+Partner (AS+P) hatte im Auftrag Herthas insgesamt 50 Standorte in Berlin und Brandenburg nach Faktoren wie Fläche, Außenwirkung, Verkehrsanbindung und Konfliktpotenzial geprüft. Zwölf kamen in eine engere Auswahl, zwei machten das Rennen.
Der Verein setzt darauf, dass der Berliner Senat den Wunschstandort Olympiapark unterstützen wird. Am Mittwoch habe es ein erstes, gutes Gespräch mit dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) und Andreas Geisel (SPD), Senator für Inneres und Sport, gegeben. Beide Seiten wollten in einen Dialog einsteigen, um Lösungen zur beiderseitigen Zufriedenheit zu finden. „Wir stehen am Anfang und wollen versuchen, miteinander die unterschiedlichen Positionen deckungsgleich zu bekommen“, sagt Herthas Präsident Werner Gegenbauer zu weiteren Gesprächen mit dem Senat. „Wir kämpfen für den Standort Berlin“, sagt Preetz.
Wie geht es jetzt weiter?
Mit den Standorten Olympiapark und Brandenburg Park „werde man nun weiterarbeiten“, sagt Gegenbauer. Der Verein habe seine Dauerkarteninhaber online befragt. Unstrittig sei, dass die Vereinsmitarbeiter, die Vereinsmitglieder sowie die Hertha-Fans ein neues, reines Fußballstadion wollen. „Eine noch deutlichere Mehrheit möchte in der Nähe des Olympiastadions bleiben“, sagt Gegenbauer. Die Erreichbarkeit sowie gewohnte Wege spielten dabei zentrale Rollen. „Wir werden 2025 in einem reinem Fußballstadion spielen, das zu 100 Prozent privat finanziert ist“, sagt Gegenbauer.
Wie sieht es mit der Finanzierung aus?
In der jetzigen Anfangsphase seien hierzu noch keine seriösen Aussagen zu treffen, sagt Herthas Finanzgeschäftsführer Ingo Schiller. Wahrscheinlich ist eine Kombination aus Eigen- und Fremdkapital. Im nächsten Schritt soll zusammen mit AS+P eine belastbare Kostenschätzung erarbeitet werden, die abhängig vom Standort ist. Ohne den Einstieg eines weiteren Investors wird es aber sicher nicht gehen. Bereits im Januar 2014 war der US-Finanzinvestor Kohlberg Kravis Roberts&Co. L.P. (kurz KKR) bei Hertha eingestiegen und hatte für knapp 20Millionen Euro 9,7 Prozent der Anteile an der Hertha BSC GmbH&Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) erworben. Insgesamt erhielt der Verein 61Millionen Euro, der größte Teil der Summe floss Hertha als eine Vorfinanzierung künftiger Einnahmen zu. Von diesem Geld führte Hertha den zinstragenden Teil seiner Schulden zurück und kaufte diverse Rechte zurück – etwa die an Catering und Logen sowie Business-Seats im Olympiastadion, die der Verein in den Jahren zuvor aus wirtschaftlicher Not heraus veräußert hatte. Hertha könnte für die Umsetzung der Stadionpläne weitere Anteile an einen zweiten Investor veräußern und frisches Kapital generieren, welches dann wie Eigenkapital behandelt werden könnte. Zudem hätte der Klub die Möglichkeit, über den Verkauf der Namensrechte der neuen Fußballarena an Geld zu kommen. Hertha will das Gelände nicht geschenkt bekommen, sondern möchte ein Erbbaurecht erhalten.
Wer trifft die Entscheidung?
Zunächst wird allen knapp 35000 Vereinsmitgliedern umfangreiches Material der Standortanalyse zugänglich gemacht. Die Mitglieder sollen dann die Möglichkeit haben, sich dazu zu äußern. Wenn der Standort Olympiapark wie bei der Befragung der Dauerkartenbesitzer große Zustimmung erhalten sollte, wäre der Brandenburg Park wohl keine Alternative mehr. „Es macht keinen Sinn, gegen den Willen der Mitglieder etwas zu machen“, sagt Gegenbauer. Zumal die Mitglieder auch die Möglichkeit hätten, die handelnden Personen Herthas abzuwählen. Gegenbauer: „Unsere Aufgabe ist es, sie zu überzeugen.“ Auf die Frage, ob er 2025 noch im Amt sei, sagt Gegenbauer: „Ich bestimmt nicht.“
Was sind die Vor- und Nachteile beider Optionen?
Für den Standort Olympiapark spricht AS+P zufolge eine erprobte Verkehrsanbindung, die auch künftig belastbar sei. Rings um das Olympiastadion könne auf bestehende Infrastruktur zurückgegriffen werden. Der Standort Ludwigsfelde gäbe dem Berliner Bundesligisten dagegen die Möglichkeit, ein Stadion nach Maß zu bauen. Allerdings müssten hier viele infrastrukturelle Leistungen erst erbracht werden. Grundsätzlich ist mit einer reinen Bauzeit von 36 Monaten zu rechnen. Im Fall der Münchner WM-Arena, für die das Architekturbüro AS+P zuständig war, lagen zwischen Standortanalyse und Eröffnung viereinhalb Jahre.
Was sagt die Berliner Politik?
Große Begeisterung über Neubaupläne neben dem Olympiastadion ist im Senat nicht ausgebrochen. Allerdings kann sich Sportsenator Geisel einen „entsprechenden Umbau“ des Stadions vorstellen. Für das Land Berlin als Eigentümerin der Liegenschaften gelte: „Wir wollen, dass das Olympiastadion ein wirtschaftlich und sportlich lebendiger Ort bleibt. Deshalb hat dessen langfristige Nutzung für uns die höchste Priorität. Vorstellbar ist für mich auch ein entsprechender Umbau.“ Damit steht eine finanzielle Unterstützung bei einem Stadionneubau vonseiten des Landes derzeit nicht zur Disposition.
Ein Stadionneubau dürfe nicht zum „Millionengrab für das Olympiastadion“ werden. Der Senat will deshalb Gespräche mit Hertha führen und sondieren, wie man das schaffe. „Das geht nur miteinander, nicht gegeneinander. Das sieht Hertha BSC auch so“, sagt Geisel. Eine Vielzahl von Details sei zu klären. Zum Beispiel spielten Verkehr, Lärm, Anwohner- und auch Denkmalschutz eine wichtige Rolle. „Ich glaube, dass Hertha BSC und das Olympiastadion eine gute und gemeinsame Zukunft haben können“, sagt Geisel.
Einig sind sich Senat und alle Parteien in einem Punkt: „Das Stadion von Hertha BSC gehört natürlich nach Berlin“, sagt der CDU-Fraktionschef Florian Graf stellvertretend auch für andere Fraktionen. Aus der Berliner Bundesebene kommt ebenfalls ein deutliches Bekenntnis für den Neubau eines Stadions in Berlin. Der Spandauer Bundestagsabgeordnete Kai Wegner ist Vorsitzender des Hertha-Fanklubs im Bundestag und nach eigenen Worten „in der Ostkurve groß geworden“. Hertha sei „der Hauptstadtklub und gehört als Aushängeschild des Berliner Sports unweigerlich nach Berlin“. Er könne den Wunsch des Bundesligisten verstehen, in einem „reinen Fußballstadion“ spielen zu wollen. Der Senat müsse alles dafür tun, dass der Hauptstadtklub in der Hauptstadt bleibt und sich nötigenfalls „ein zweites Wohnzimmer“ auf dem Olympiagelände“ baue. „Davon würde nicht nur Berlin, sondern die ganze Region profitieren“, sagt Wegner.
Sein Parteikollege Frank Steffel ist Obmann der CDU im Sportausschuss und Präsident der Füchse Berlin Reinickendorf. „Zu einem starken Hauptstadtverein gehört ein attraktives Stadion in der Stadt. Daran muss jedem gelegen sein. Die Vorgaben dafür erfüllt weder das Olympiastadion noch ein Umzug aufs Brandenburger Land“, sagt Steffel. Der Senat sollte Hertha in der Stadion-Frage „bestmöglich unterstützen und den Verein nicht zu suboptimalen Entscheidungen zwingen“.
Linke und FDP sehen Herthas Pläne für den Olympiapark dagegen äußerst kritisch. „Die Neubaupläne sind nicht ernst zu nehmen“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion, Steffen Zillich. Der Fußball-Bundesligist habe schon eine gute Spielstätte im Olympiastadion. Land und Hertha müssten nun zu einer „fairen Nutzungsvereinbarung“ kommen. Auch FDP-Sportpolitiker Stefan Förster ist der Meinung, dass die „bestehende Situation ausreichend ist“. Ein Neubau neben dem mit öffentlichen Geldern sanierten Olympiastadion sei überflüssig.
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