Bau der Einheitswippe verzögert sich: Wie Fledermäuse den Denkmal-Plan ins Wanken bringen
Die geplante Eröffnung zum 30. Jahrestag der Wiedervereinigung ist gefährdet. Fledermäuse haben den Denkmalsockel nicht wie erhofft verlassen.
Die Rufe waren am 21. Oktober zu hören, dann drei Tage später wieder, und am 26. Oktober zeichnete ein Mikrofon sie erneut auf. Unverkennbar: Rufe von Wasserfledermäusen, eingefangen von elektronischen Aufnahmegeräten. Auch die Rufe jeweils mindestens einer Zwerg- und einer Rauhaut-Fledermaus wurden aufgezeichnet, jeweils am 24. Oktober.
Die Tiere hatten im Sockel des geplanten Einheits- und Freiheits-Denkmals kommuniziert, damit war klar: Sie wohnen dort. Aber das wusste die Fledermaus-Expertin Susanne Rosenau auch schon ohne elektronische Bestätigung. Am 21. und 23. Oktober hatte sie zwei Wasserfledermäuse bei einer Begehung persönlich gesehen. Ihre Erkenntnisse notierte sie in einem Gutachten, unter anderem für die Senats-Umweltverwaltung. Das ist die wissenschaftliche Botschaft.
Der Bau wird nicht vor Mai 2020 beginnen
Die politische, viel bedeutsamere für das Gesamtprojekt lautet: Mit dem Bau des umstrittenen, rund 17 Millionen teuren Denkmals, einem nationalen Prestigeprojekt, mit Monika Grütters, der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) als Bauherrin, wird nicht vor dem 1. Mai 2020 begonnen.
Zum Schutz der Fledermäuse, die im Sockel des einstigen Kaiser-Wilhelm-Denkmals am Humboldt-Forum leben, lehnte die Umweltverwaltung am Mittwoch eine Ausnahmegenehmigung für den sofortigen Start der Arbeiten der „Einheitswippe“ ab. Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) hatte gegen die Ausnahmegenehmigung geklagt. Weil die Klage eine aufschiebende Wirkung hat, dürfe zunächst keine Bauerlaubnis erteilt werden, sagte ein Sprecher der Umweltverwaltung am Mittwoch weiter.
Da die Fledermäuse nun in den Winterschlaf gehen, ist laut NABU ein Baubeginn vor Mai 2020 nicht möglich. Ansonsten wäre eine Störung oder Tötung der streng geschützten Tiere die Folge.
Ein weiterer Zeitverzug also. Eigentlich sollte das Denkmal am 9. November eröffnet werden. Aber der Bundestag gab zu spät die Gelder frei, deshalb war klar, dass es zum 30. Jahrestag des Mauerfalls keine Denkmal-Eröffnung geben würde. Dann eben zum 30. Jahrestag der Wiedervereinigung, hieß es, aber auch dieser Termin steht jetzt in Frage.
Die Fledermäuse haben den Zeitplan durcheinander gebracht. Sie sind nicht ausgeflogen, Pech für den Bauherrn.
Bauarbeiten können erst beginnen, wenn die Fledermäuse weg sind
Die Senats-Umweltbehörde hatte dem Architekturbüro Milla und Partner, das den Bau ausführt, zwar vor wenigen Wochen mit einer Ausnahmegenehmigung gestattet, mit Bauarbeiten am Sockel zu beginnen. Allerdings nur unter einer Bedingung. Die streng geschützten Tiere, die dort seit Jahren ihr Quartier haben, müssen ausgeflogen sein. Kein Tier dürfe mehr nachweisbar sein. Extra angebrachte Planen sollten verhindern, dass die Tiere in ihr angestammtes Quartier fliegen. Notverschlüsse, einseitig geöffnet, sollte jenen Tieren, die noch im Sockel sind, den Flug hinaus ermöglichen. Susanne Rosenau prüfte schließlich, ob der Sockel wirklich fledermausfrei ist.
Der Naturschutz-Bund (NABU) Berlin klagte gegen die Ausnahmegenehmigung, er wollte, dass die Planen wieder abhängt werden. Verhindert hat er mit seiner Klage auf jeden Fall erstmal den Baubeginn, sie hat aufschiebende Wirkung. Das Verwaltungsgericht hat noch nicht über die Klage entschieden.
Ein Urteil ist jetzt auch ziemlich überflüssig, denn die Fledermäuse haben trotzdem ihren Weg in den Sockel gefunden; nach Tagesspiegel-Informationen, waren die Planen unzureichend angebracht. Es ist nun völlig unerheblich, dass bei der Begehung nur zwei Fledermäuse gesichtet wurden. Erstens genügen die für ein Verbot von Arbeiten, zweitens ist es normal, dass der größte Teil einer Fledermauskolonie versteckt in Nischen und Gewölben hängt. „In der Regel sieht man nur fünf bis zehn Prozent der Tiere“, sagt ein renommierter Fledermaus-Experte.
Nun beginnt die Winterruhe
Für die Wasserfledermäuse beginnt nun die Winterruhe. „Wenn man die Tiere jetzt weckte, verbrauchten sie Energie, die ihnen am Ende des Winters fehlt“, sagt der Experte. „Dann sterben sie.“ Zudem könnten sie durch die Arbeiten auch direkt getötet werden. Die Senats-Umweltverwaltung als oberste Naturschutzbehörde könnte Milla und Partner zwar erlauben, die Bauarbeiten trotzdem zu beginnen, aber das gilt unter Experten als so gut wie ausgeschlossen.
Das BKM umging auf Anfrage des Tagesspiegel eine konkrete Antwort zu den Punkten, welche Arbeiten nun liegen bleiben und ob juristische Schritte erwogen werden. „Mit der Obersten Berliner Naturschutzbehörde wird derzeit abgestimmt, wie sich die Auflagen der erforderlichen naturschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung umsetzen lassen“, teilte ein Pressesprecher des BKM mit. „Dies gilt ebenso für die Feststellungen biologischer Begutachtungen und die zu erwartenden Auswirkungen der Nabu-Klage gegen diese Ausnahmegenehmigung. Inzwischen seien die entscheidenden Voraussetzungen für den Baubeginn geschaffen.“
Jetzt geht es um Naturschutz
Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen als Oberste Bauaufsicht habe am 10. Oktober 2019 mitgeteilt, „dass bauaufsichtlich, insbesondere auch aus Gründen des Denkmalschutzes, gegen den Baubeginn keine Bedenken bestehen“.
Doch der Denkmalschutz spielt im Moment keine Rolle, jetzt geht es um Naturschutz. Und um die Frage, was mit den Planen passiert. Der Fledermaus-Experte empfiehlt dringend, sie abzuhängen, damit alle Tiere wie gewohnt in ihr Winterquartier fliegen können. Doch die Entscheidung über die Abdeckungen ist noch offen. Ihren Zweck jedenfalls haben sie nicht erfüllt.