„Tag und Nacht in den Werkstätten gearbeitet“: Wie die BVG zusätzliche Busse für 48 Linien mobilisiert
Ab Montag weiten die Berliner Verkehrsbetriebe ihr Angebot aus, damit die Fahrgäste mehr Abstand halten können. Vom Senat gibt es dafür fünf Millionen Euro.
Ab Montag weitet die BVG ihr Angebot auf Wunsch des Senats deutlich aus. Fünf Millionen zahlt das Land, damit mehr Busse ganztägig auf acht Linien und morgens auf etwa weiteren 40 Linien im Schülerverkehr eingesetzt werden können.
So sollen Fahrgäste mehr Abstand während der Corona-Pandemie halten können. Bisher hieß es immer, es gebe keine Wagen dafür. Nun profitiert die BVG auch von einer ohnehin für Mitte April geplanten Fahrplanausweitung.
Unabhängig von de Coronakrise wird es nach dem Ende der Osterferien auf zahlreichen Linien deutliche Verbesserungen geben - lange geplant. Viele Busse kommen häufiger oder fahren länger am Tag. Manche Takte werden verdoppelt, andere Linien werden verlängert. Der 100er bekommt eine neue Endstation „Memhardstraße“.
Zudem hat die BVG 50 Busse reaktiviert, die verkauft oder verschrottet werden sollten. „Die haben dafür Tag und Nacht in den Werkstätten gearbeitet“, sagte BVG-Sprecherin Petra Nelken. Ohnehin hat die BVG immer einen Bestand an Bussen für Sonderverkehre im Depot - zum Beispiel bei Bauarbeiten auf U-Bahn-Strecken. 50 Busse aus dieser Reserve sind ab Montag ebenfalls dabei.
Schon in dieser Woche setzt die BVG zusätzliche Busse ein, um den Andrang zu entzerren und den Fahrgästen mehr Abstand zu bieten. Ganztägig sind auf drei der neun vom Senat genannten Linien zwölf Busse im Sondereinsatz. Und zwar nicht in der Innenstadt, sondern auf klassischen Pendlerlinien außerhalb der City.
In der Berliner Innenstadt braucht es keine Verstärkung
Am Montag und Dienstag wurden ganztägig auf den Linien X33 (Spandau-Märkisches Viertel), 162 (Köpenick-Rudow) und 194 (Hermannplatz-Marzahn) täglich 118 Fahrten zusätzlich gefahren. Dies wurde bislang nicht von der BVG beworben oder angekündigt.
Es sind Strecken, „auf denen es noch vereinzelt zu Auslastungsspitzen kommt“, wie BVG-Vorstand Rolf Erfurt nun bei der Präsentation des vom Senat mit fünf Millionen Euro finanzierten Corona-Verkehrs sagte.
Ab Montag den 15. Februar werden sechs weitere Linien auf diese Weise verdichtet: 122, 218, X10, 170, 365 und 164. In der Innenstadt sei keine Verstärkung notwendig, sagte ein Experte: „Keine Touristen, keine Geschäfte und keine Kultur.“
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So fahren auf der Tauentzienstraße auch zu Lockdown-Zeiten im Minutentakt Busse – weitgehend leer selbst im abendlichen Berufsverkehr. Auf einigen Linien wurde der Fahrplan deshalb bereits ausgedünnt. So wurden Wagen von der Linie 100 und dem BER-Zubringer X7 umgeschichtet auf Pendler-Linien.
Wenn die Schulen öffnen, könnte es voll werden
Voll - und zwar zu Coronazeiten gefährlich voll - wird es aus Sicht der BVG erst, wenn die weiterführenden Schulen wieder geöffnet werden. Dieser Zeitpunkt steht allerdings noch nicht fest. „Ziel ist es, pünktlich zur schrittweisen Wiederaufnahme des Schulbetriebs insbesondere im morgendlichen Schülerverkehr das Platzangebot weiter zu erhöhen“, sagte BVG-Vorstand Rolf Erfurt.
Die meisten Verstärkerfahrten wird es deshalb zwischen sieben und zehn Uhr früh geben: Wir legen jetzt noch eine Schippe drauf.“ Das Konzept gilt zunächst bis zu den Osterferien und soll Anfang März evaluiert werden.
Zudem bleiben die alten Tatra-Straßenbahnen aus tschechischer Produktion, die eigentlich am Freitag dieser Woche ausrangiert werden sollten, bis auf weiteres im Corona-Dienst. Sie unterstützen auf den stark frequentierten Linien M5 und M8/18 . Die Tatra-Züge sind nicht barrierefrei.
Keine Zusatzfahrten bei U- und S-Bahn
Bei U-Bahn und S-Bahn wird es nicht mehr Fahrten geben – weil es keine Fahrzeuge gibt. Wie mehrfach berichtet, leiden beide Unternehmen unter dramatischen Wagenmangel. Kurz vor Beginn der Corona-Pandemie waren deshalb bei der U-Bahn die Takte ausgedünnt worden.
Die S-Bahn bot am Mittwoch auf der Ringbahn wegen Winterproblemen nur noch einen 10-Minuten-Takt – entsprechend voll war es. Keine Probleme hat die BVG derzeit mit Fahrern. Sprecherin Nelken sprach von einem „großen Andrang an Bewerbern“, zudem liegt der Krankenstand derzeit erfreulich niedrig.
Eine Steuerung des Fahrgastandrangs über Verbote hatte die BVG, wie berichtet, abgelehnt. Eine Expertin des Max-Planck-Instituts hatte im Januar gefordert, die Zahl der Fahrgäste bundesweit auf 25 Prozent der Sitzplätze zu reduzieren.
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Genau diese Regelung hatte Irland wegen der hohen Corona-Zahlen eingeführt, zudem dürfen auf der Insel zu Spitzenzeiten nur Angehörige systemrelevanter Berufe den ÖPNV nutzen. Dies hatten Verkehrsverwaltung und BVG noch im Januar kategorisch als „nicht umsetzbar“ abgelehnt.
Fast alle Fahrgäste tragen eine Maske
Nun gibt es eine extrem abgespeckte Form dieser Kontrolle: 100 Helfer sollen „an hochfrequentierten Haltestellen und Knotenpunkten“ versuchen, Fahrgäste vom Einsteigen in zu volle Busse abzuhalten.
Dazu finanziert das Land 100 Sicherheitskräfte „zur Kundenkommunikation und -lenkung“, wie Verkehrssenatorin Regine Günther mitteilte. Ob sich Berliner Fahrgäste daran halten, bleibt abzuwarten.
Nach Angaben der BVG sind derzeit knapp 40 Prozent der Fahrgäste wie vor der Pandemie unterwegs. Im März 2020, während des ersten Lockdowns, waren es noch weniger, 25 bis 30 Prozent. Die Maskenquote ist mittlerweile auf den Spitzenwert von 99 Prozent in sämtlichen Fahrzeugen gestiegen. Auf U-Bahnhöfen nennt die BVG 98 Prozent.