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Eine Frau läuft am Alexanderplatz mit dem Fahrrad an einer U-Bahn entlang.
© Annette Riedl/dpa

Nahverkehr wegen Corona ausweiten?: BVG und Berliner S-Bahn können Bund-Länder-Beschluss kaum umsetzen

Busse und Bahnen sollen häufiger fahren, doch es gibt weder Fahrzeuge noch Personal. Die BVG findet mehr Fahrten nicht notwendig – so voll sei es gar nicht.

Für mehr Abstand in Bussen und Bahnen bringen die neuen Bund-Länder-Beschlüsse unter anderem ein breiteres Verkehrsangebot ins Spiel – doch BVG und S-Bahn in Berlin können das praktisch nicht leisten. Vor allem U-Bahn und S-Bahn leiden seit Jahren unter Fahrzeugmangel. Die BVG hat zuletzt sogar den Takt der U-Bahnen ausgedünnt, weil zu wenig Fahrzeuge da sind. Wie berichtet, musste eine ganze Baureihe wegen irreparabler Schäden auf den Schrottplatz geschoben werden

Fahrgäste können die Lage schon daran erkennen, dass selbst übel besprühte Wagen im Einsatz bleiben, weil es keine Reserven gibt. Und die S-Bahn saniert Wagen, die eigentlich auf den Schrottplatz gehören, weil es zu wenig Neubaufahrzeuge gibt. Die beiden wichtigsten Verkehrsmittel in Berlin können also ihr Angebot nicht erhöhen.

Etwas besser sieht es beim Bus aus. Da derzeit keine zusätzlichen Schülerfahrten angeboten werden, sind einige Busse frei - aber viel zu wenig, um stadtweit den Takt auf wichtigen Pendler-Linien zu verstärken. Nach Angaben eines BVG-Experten sei die Auslastung derzeit so gering, dass das auch gar nicht nötig sei. Voll sei es in der Vergangenheit vor allem morgens im Schülerverkehr gewesen, hieß es.

Auf einigen Linien wurde der Fahrplan bereits ausgedünnt, weil kaum einer noch mitfährt. Auf der Linie 100 zum Beispiel fehlen die Touristen, auf dem X7 zum BER die Flugpassagiere. Die frei gewordenen Fahrzeuge hat die BVG auf wichtige Linien für Pendler umgeschichtet.

Busse mieten? Dann fehlt immer noch das Personal

Der Kauf oder das Mieten zusätzlicher Busse sei sinnlos, hieß es bei der BVG - weil dafür die Fahrer fehlten. Wenn zum Beispiel 50 Busse gemietet würden, wären dafür 150 Fahrer etwa notwendig, um die Fahrzeuge rund um die Uhr zu betreiben. Das Personal gibt es aber nicht.

Die BVG könne zwar Zusatzverkehr stemmen, zum Beispiel bei Großveranstaltungen, sagte ein Fachmann - dieser sei aber zeitlich begrenzt und vorher planbar. So habe die BVG eine gewisse Reserve an Bussen, um Schienenersatzverkehr bei Baustellen im U-Bahn-Netz anzubieten. Derzeit wird zum Beispiel auf der U7 in Neukölln gebaut, als Ersatz fahren Busse. 

Fahrgastverband: „Reiner Voodoo-Zauber“

Auch aus Sicht des Berliner Fahrgastverbands Igeb gibt es in Berlin keinen Spielraum für zusätzliche Fahrten. „Jetzt zeigen sich die Versäumnisse der vergangenen Monate“, sagte der stellvertretende Igeb-Vorsitzende, Jens Wieseke, der Deutschen Presse-Agentur. Im Winter nutzten naturgemäß mehr Menschen den ÖPNV. Kapazitäten für mehr Fahrzeuge und Personal gebe es in Berlin aber nicht. Stattdessen sieht Wieseke Arbeitgeber und Politik in der Pflicht, mit Homeoffice-Regelungen vor allem den Berufsverkehr zu entzerren.

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„Es heißt jetzt allen Ernstes, dass mehr Busse fahren sollen“, kritisierte Wieseke. „Hätte man sich in den vergangenen Monaten darum gekümmert, wären diese jetzt auch verfügbar. So bleibt es reiner Voodoo-Zauber.“

Verkehrsunternehmen: Weiterhin Regelfahrplan

Am Dienstag hatten sich Bund und Länder unter anderem auf eine verschärfte Maskenpflicht in Bussen und Bahnen geeinigt. Künftig müssen dort sogenannte OP-Masken oder Mund-Nase-Bedeckungen mit den Standards KN95/N95 oder FFP2 getragen werden. Zudem soll es – dort wo möglich und nötig – „zusätzlich eingesetzte Verkehrsmittel“ geben, heißt es in dem Beschluss.

Deutschlands Schienennahverkehrsunternehmen begrüßten in einer Mitteilung diesen Kompromiss der Politik. "Ungeachtet der derzeit geringen Auslastung" werde weiterhin der Regelfahrplan angeboten, damit "ein größtmöglicher Abstand zwischen den Fahrgästen eingehalten werden kann".

Nahverkehrsanbieter: Wichtiger sind Homeoffice und entzerrter Schulbeginn

Aus Sicht der Bundesarbeitsgemeinschaft der Aufgabenträger des SPNV (BAG-SPNV) ist die am Dienstag beschlossene Vorgabe, wo immer möglich Homeoffice anzubieten, eine sehr gute Maßnahme, um das Pendleraufkommen in den Stoßzeiten zu entzerren. Sobald die Schulen wieder geöffnet werden, sei eine Entzerrung der Anfangszeiten der Bildungseinrichtungen ebenfalls sehr hilfreich, teilte der Verband mit. Durch diese Maßnahme kann angesichts der dann zu erwartenden Fahrgastnachfrage davon ausgegangen werden, dass in der Regel eine Besetzung von mehr als 30 Prozent nicht überschritten wird.

Dies ist umso wichtiger als realistischerweise eine Einschränkung des Zustiegs in die Fahrzeuge des Nahverkehrs kaum verwirklicht werden könnte, da hierfür einerseits das Personal fehlen und andererseits die Ansammlung von wartenden Fahrgästen an den Stationen zu gegenteiligen Effekten führen würde. Auch ein Angebot von zusätzlichen Fahrten während der Stoßzeiten wird zumindest im Nahverkehr auf der Schiene vielerorts nicht möglich sein, weil insbesondere die dafür notwendigen Trassen nicht verfügbar sind. (mit dpa)

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