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Vor geschlossenen Restaurants sind um 20 Uhr die Stühle gestapelt und die Tische leer. Um die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen hat die Bundesregierung das öffentliche Leben erheblich eingeschränkt.
© Christophe Gateau/dpa

Rettungsplan für Ladenmieter: Wie Bund und Land Berlin die Geschäfte retten wollen

Viele Pächter können die nächste Rate womöglich nicht zahlen. Bund und Land bringen Gesetze auf den Weg, die Zeit schaffen sollen.

Menschenleere Straßen, geschlossene Läden, Cafés, Restaurants und Clubs: Fast alle Berliner Einzelhändler und Gastronomen stehen ohne Einnahmen da. Miete, Strom, Wasser – die Kosten laufen derweil weiter. In einer Woche ist die nächste Rate fällig. Viele werden nicht zahlen können. Berliner Vermietern drohen also Millionenausfälle. Dabei haben diese selbst auch Kosten für die bewirtschafteten Immobilien: für Kredite, Nebenkosten, Reparaturen – und für die Gehälter ihrer Mitarbeiter. Zehntausenden geht die Corona-Pandemie an die Gesundheit, Hunderttausenden nun an die wirtschaftliche Existenz.

Angesteckt ist auch die Immobilienwirtschaft. „Jeder Tag zählt, um die Branche vor Massenpleiten zu bewahren“, sagte der Präsident vom Spitzenverband der Immobilienwirtschaft (ZIA) Andreas Mattner am Montag: Zehn Prozent aller Jobs in Deutschland seien in Gefahr. In Berlin mit seiner boomenden Wohnungswirtschaft sind es allein im größten Verband BBU 11.000 Arbeitsplätze und die Umsätze von sechs Milliarden Euro sichern über Aufträge weitere 15.600 Jobs in Handwerk und Baugewerbe.

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Land Berlin und der Bund reagieren jetzt. „Wir helfen am Anfang der Kette, beim Mieter“, sagt der aus Berlin in den Bundestag gewählte CDU-Abgeordnete Jan-Marco Luczak. Am Montag verabschiedete das schwarz-rote Bundeskabinett ein Bündel von Gesetzen und Hilfen, um genau das sicher zu stellen: Dass den Menschen das Geld nicht ausgeht und sie nicht ihre Läden und Wohnungen verlieren, weil Corona-Pandemie und staatliche Maßnahmen zu deren Abwehr sie aus dem Erwerbsleben katapultierten.

Berlins Industrie- und Handelskammer (IHK) teilte in ihrem täglichen Corona-Newsletter mit, dass Kurzarbeitergeld im Falle von „Arbeitsausfall“ für den Monat März bis spätestens zum 31. bei der Arbeitsagentur angezeigt sein müsse. Zur Begründung reiche das Stichwort „Corona“ und der betroffene Betriebsteil.

Den Zugang zu Kurzarbeitergeld, Wohngeld und Zuschüsse zum Wohnen hat der Bund vereinfacht – auch das gehört zu den Hilfen. Mit Milliarden-Aufwand will die Politik um jeden Preis eine Kettenreaktion verhindern, die das Finanzsystem anstecken könnten.

Weitere Therapeutika der Wahl für Berliner Vermieter stehen in dem am Montag verabschiedeten „Gesetz zur Abmilderung der Folgen des Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“. Demnach können auch bei Kreditverträgen zunächst bis zum 30. Juni alle „Ansprüche kraft Gesetzes gestundet“ werden: Zins, Tilgung oder Rückzahlungen sowie alle sonstigen Verpflichtungen sind vorerst aufgeschoben.

Banken sollen nicht auf sofortige Rückzahlungen von Darlehen pochen

Der Bund versetzt Kreditgeschäfte zwischen Banken und Immobilienbesitzern in ein künstliches Koma: Wo in normalen Zeiten Kündigung des Kreditvertrags und sofortige Rückzahlung des Darlehens drohen, ist das jetzt folgenlos. Kleinstunternehmen, die Schulden abstottern, können epidemiebedingt bis zum 30. Juni ihre Raten aussetzen – falls dadurch nicht der Gläubiger in Not gerät.

Ziel sei es, dass Verbraucher und Kleinstunternehmer nicht „von Grundversorgung abgeschnitten werden“, also von Strom, Gas, Telekommunikation und Wasser. Und es hilft Vermietern, die in gut einer Woche keine Miete bekommen, weil ihr Mieter kein Einkommen hat: Er kann die Bank um Stundung seiner Immobilienschulden bitten, damit die Schulden sich nicht bei ihm auftürmen. Der Bund kauft gleichsam Zeit, damit das System in den Notfall-Modus umschaltet.

Das Einkaufszentrum East Side Mall am Bahnhof Warschauer Straße in Friedrichshain hat alle Läden geschlossen, die keine Nahrungsmittel anbieten.
Das Einkaufszentrum East Side Mall am Bahnhof Warschauer Straße in Friedrichshain hat alle Läden geschlossen, die keine Nahrungsmittel anbieten.
© Kitty Kleist-Heinrich

Einigen Berliner Unternehmern wird das nicht helfen, weil sie am Existenzminimum werkeln und die aufgeschobene Schuld vermutlich nie tilgen können. Nur einen Teil der kleinen Unternehmer, Soloselbständigen und Beschäftigten freier Berufs-Organisationen mit bis zu zehn Beschäftigten kann der Senat mit seinem eigenen Programm auffangen, sagt Grünen-Politiker Daniel Wesener. Seit diesem Montag können die auf weitere Bar-Zuschüsse aus der „Finanzielle Soforthilfe“ hoffen, das der Bund beschloss.

Das kommt nicht nur den Beschäftigten der Immobilienbranche zugute, aber eben auch. Zumal die „Einkommenssituation der rund 3,9 Millionen privaten Vermieter“ in Deutschland „recht unterschiedlich“ ist, so der Verband ZIA. 22 Prozent der Vermieter hätten ein Einkommen unterhalb des Medians der Bevölkerung. „Freiberufler sind überrepräsentiert“ und diese hätten zurzeit „besondere Einkommensausfälle“. Zwar könnten Vermieter ja nun selbst Kredite stunden, doch Nebenkosten wie Grundsteuer, Energiekosten oder Versicherungen laufen weiter.

Auch Maren Kern, Chefin von Berlins größtem Wohnungsverband BBU sagt: „Weniger Einnahmen könnten deshalb zu einem Liquiditätsengpass in der Schlüsselbranche Wohnungswirtschaft führen.“ Das wiederum hätte schwerwiegende Folgen für Handwerksbetriebe, Baustoffhersteller und Handel und könne zu einer sich selbst verstärkenden wirtschaftlichen Abwärtsspirale führen.

In der Immobilienbranche denkt man über Kurzarbeit nach

Diese Gefahr sieht auch der Wohnungsverband GdW – und warnt vor einem „Schuldenproblem“ bei Wohnungsmietern, der wiederum existenzbedrohend für die Immobilienbranche werden könnte. Denn nach den gegenwärtigen Not- und Hilfsmaßnahmen werden die Mieten infolge der Corona-Pandemie nur „gestundet“, müssen also später nachgezahlt werden – spätestens im Jahr 2022 nach den derzeitigen Regelungen.

GdW-Chef Axel Gedaschko fordert deshalb: „Das anfänglich zinslose Darlehen muss überall dort in einen Zuschuss an den Mieter wie beim Wohngeld umgewandelt werden, wo der entsprechende Einkommensausfall festgestellt wird.“ Einen solchen „Wohn-Hilfs Fonds“ hatten Mieterbund und GdW bereits in der vergangenen Woche gefordert. Gerade für Berlin sei das ein gutes Hilfsmittel gegen die Krise, sagt Kern vom BBU. Sie bringt aber außerdem „eine Erhöhung des Kurzarbeitergeldes auf 90 Prozent“ ins Spiel.

Jedenfalls in diesem Punkt sind sich Branche und Politik einig: Die Mietzahlungen für Läden und Wohnungen sowie Zins- und Tilgungen von Krediten sollen allenfalls stocken, auf keinen Fall aber ganz abbrechen, damit das Finanz- und Kreditsystem nicht angesteckt wird. Nur die Verteilung der Kosten bleibt ungewiss. Bleibt es beim eher überschaubaren Kreis, die von Zuschüssen profitieren, drohen Überschuldungen bei Mietern – oder Vermietern.

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