zum Hauptinhalt
Die Fahnen bleiben im Schrank. In diesem Jahr gibt es keine Tarifauseinandersetzung in der Metallindustrie.
© dpa

Krisenabschluss in der Metallindustrie: IG Metall und Arbeitgeber einigen sich auf mehr Geld für Kurzarbeiter

Ungewöhnliche Maßnahme in Coronazeiten: Die Tarifparteien in der Metallindustrie verständigen sich auf mehr Sicherheit für Betriebe und Beschäftigte.

Betriebe und Beschäftigte in der Metallindustrie können mit etwas mehr Planungssicherheit auf den weiteren Jahresverlauf schauen. In Nordrhein-Westfalen verständigten sich IG Metall und Arbeitgeber auf eine Regelung bis Ende 2020, die keine Einkommenserhöhung vorsieht, aber Maßnahmen zur Krisenbewältigung: Für die vier Millionen Beschäftigten in der Metallindustrie gibt es einen Zuschuss des Arbeitgebers zum Kurzarbeitergeld (KuG) von 350 Euro.

Und durch die Verteilung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld auf zwölf Monate erhöht sich die Berechnungsgrundlage für das KuG. „Für zwei bis drei Monate“, so IG-Metall-Chef Jörg Hofmann, könnten die Kurzarbeiter somit mit rund 80 Prozent des letzten Nettoeinkommens rechnen. Für die Zeit danach und überhaupt für die Beschäftigten, die nicht unter einen Tarif fallen, müsse die Bundesregierung die Kurzarbeiterregelung nachbessern. Derzeit beträgt das KuG 60 Prozent des Nettolohns.

"Regierung hat die Arbeitnehmer vergessen"

Die Bundesregierung hat zwar den Arbeitgebern die Sozialbeiträge für die Beschäftigten in Kurzarbeit abgenommen, aber bislang nicht eine Erhöhung des Lohnersatzes für die Kurzarbeiter erwogen. Entsprechende Gespräche unter Beteiligung der Sozialpartner und der Minister für Arbeit und Wirtschaft blieben in dieser Woche ohne Ergebnis.

"40 Prozent weniger Netto von einem Tag auf den anderen ist nicht verkraftbar", sagte Hofmann. Auch Kurzarbeiter hätten laufenden Verpflichtungen, die erfüllt werden müssten. "Wir können nicht allein Milliardenpakete für Unternehmen und Freiberufler schnüren und die Arbeitnehmer vergessen", meinte der Gewerkschaftschef und forderte die Politik zur Nachbesserungen auf insbesondere auch im Blick auf die Bereiche, in denen es keine tariflichen Zuzahlungsregelungen gibt: Hotel- und Gastgewerbe, Handwerk und Handel.

Neben dem höheren Kurzarbeitergeld verständigten sich die Tarifparteien auf zusätzliche bezahlte Freistellungen für Beschäftigte mit Kindern unter zwölf Jahren, die jedoch ebenfalls nur einige Wochen reichen. Auch in diesem Punkt erwartet Hofmann eine gesetzliche Regelung zur Gewährleistung der Lohnfortzahlung, wenn Arbeitnehmer ihre Kinder beaufsichtigen müssen.

"Sozialpartner sind handlungsfähig"

Für den nordrhein-westfälische Arbeitgeberpräsident Arndt Kirchhoff, der den Tarifabschluss verhandelt hatte, beweist das Ergebnis alles in allem die „sozialpartnerschaftliche Handlungsfähigkeit“. Der Flächentarifvertrag bestätige ebenso wie in der Finanzkrise vor gut zehn Jahren seine „friedensstiftende Wirkung für die Metal- und Elektroindustrie“.

Die aktuelle Situation im bedeutendsten Industriezweig Deutschlands sei dramatisch, deshalb müssten die Unternehmen von allem befreit werden, was ihre Liquidität einschränkt. „Gleichzeitig brauchen unsere Beschäftigten größtmögliche Sicherheit für ihren Arbeitsplatz“, sagte Kirchhoff. Noch am Wochenende soll in den anderen Tarifbezirken die Übernahme des NRW-Abschlusses verhandelt und beschlossen werden. Es dürfe keine Zeit verplempert werden, sagte Hofmann. Die NRW-Einigung sei gewissermaßen eine Unterbrechung der normalen Tarifverhandlungen, die Anfang 2021 fortgesetzt würden.

Transformationstarif erst 2021

Der aktuelle Tarifvertrag in der Metallindustrie läuft Ende März aus, und bislang hatten die Tarifparteien das Ziel gehabt, bis Ostern einen neuen Tarif zu bekommen, der den Beschäftigten die Realeinkommen sichert und gleichzeitig im Rahmen von so genannten "betrieblichen Zukunftstarifen" die Unternehmen verpflichtet, ihren Belegschaften Aufschluss zu geben über Investitionsplanung und Firmenstrategie. Mit der Verbreitung des Virus war dieser Ansatz hinfällig geworden, soll aber nach Ende der Viruskrise im Verlauf des kommenden Jahres wieder aufgegriffen werden. Jedenfalls wünscht sich das die IG Metall.

Streit im Arbeitgeberlager

In den Reihen der Arbeitgeber hatte es ziemlich geknirscht in den vergangenen Wochen, weil die großen Regionalverbände in Bayern und Baden-Württemberg aus dem Verbund des Dachverbandes Gesamtmetall ausgeschert waren und noch vor der Corana-Verbreitung ein Lohnmoratorium über fünf Jahre gefordert hatten. Die "Kakophonie" (Hofmann) im Arbeitgeberlager war in der IG Metall mit Sorge gesehen worden.

Mit großem Misstrauen hatten die Arbeitgeber im Süden das Treiben ihrer Kollegen in NRW verfolgt, und am Donnerstagabend hieß es, man werden auf keinen Fall den Abschluss aus dem Westen übernehmen. Am Freitag waren dann moderatere Töne aus dem Süden zu hören. Noch am Wochenende soll in den anderen Tarifbezirken die Übernahme des NRW-Abschlusses verhandelt und beschlossen werden. Es dürfe keine Zeit verplempert werden, sagte Hofmann. "Hoffentlich ist Gesamtmetall sich dem bewusst."

Für Gesamtmetall-Präsident Rainer Dulger, selbst Unternehmer in Baden-Württemberg, ist die NRW-Einigung „ein Zeichen der Vernunft". Die Details der Vereinbarung würden "nun schnell, aber sorgfältig in unseren Gremien im Hinblick darauf beraten und diskutiert werden, ob sie als Pilotvereinbarung für alle Mitgliedsverbände von Gesamtmetall akzeptabel " sind, ließ Dulger mitteilen. Offenkundig wusste er am Freitagnachmittag nicht, wie sich die Regionalverbände im Süden verhalten werden.

Zur Startseite