Mehr Tests auf Covid-19 geplant: Wie Berlins erster Coronvirus-Drive-in funktioniert
Neukölln und Mitte haben in dieser Woche die ersten bezirklichen Coronavirus-Teststellen eröffnet. Die Abstrich-Zentren sollen die Arbeit erleichtern und mehr Tests ermöglichen.
Etwas verunsichert warten die beiden Frauen vor dem Eingang der Coronavirus-Teststelle. Hinter ihnen die bläulich schimmernde Fassade des Hotels „Estrel“, in ihrer Hand der blaue Mundschutz. „So, Schnuffi anlegen und viel Spaß“, sagt der Sicherheitsmann zur Ersten und winkt sie auf das abgesperrte Gelände. Die Frau zieht die Maske auf. Begrüßung à la Neukölln. Neben dem Sicherheitsmann hängt am Zaun das rot-weiße Banner mit dem Bezirkswappen und dem Schriftzug „Corona-Abstrich-Zentrum“.
An diesem Freitag läuft der Testbetrieb des sogenannten „Drive-ins“ auf dem Sandparkplatz in Neukölln an, direkt am Schifffahrtskanal an der Sonnenallee. Das Technische Hilfswerk hat einige Zelte aufgestellt und die Eventagentur „Betterday“ einen roten Bürotruck gesponsert. Die ersten Kunden sind an diesem Freitag Mitarbeiter des Bezirksamtes. An diesen ersten Tagen soll getestet werden, ob der erdachte Plan auch praktikabel ist. Am Montag wird offiziell eröffnet.
Neukölln und Mitte haben in enger Abstimmung Berlins erste bezirkliche Covid-19-Teststellen eröffnet, die Amtsärzte der Bezirke tauschen sich seit Wochen aus. „Zusammen“, das ist Gesundheitsstadtrat Falko Liecke (CDU) und Amtsarzt Nicolai Savaskan wichtig. Auch der Amtsarzt aus Mitte, Lukas Murajda, ist gekommen, um zu zeigen: Alle ziehen an einem Strang. Sein Bezirk hat am Donnerstag ein Testzentrum auf dem Zentralen Festplatz eröffnet. Ein weiteres soll in Charlottenburg-Wilmersdorf in Planung sein.
In den Tagen zuvor hatte es Kritik gegeben, man wolle sich mit dieser Teststrecke profilieren, das Testen sei ohnehin keine Sache der Bezirke, hatte es aus dem Nachbarbezirk Friedrichshain-Kreuzberg geheißen. Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD): „Das Modellprojekt ist dazu da, die bisherigen Abläufe noch effizienter zu machen“. Liecke: „Die Einrichtung des Abstrichzentrums ist die logische Erweiterung unserer bisherigen Strategie.“
Zurzeit schaffe man rund 60 Abstriche am Tag, ab kommender Woche könne man theoretisch „mehrere Hundert am Tag“ nehmen. Allerdings gelte das nur für Menschen mit Wohnsitz in Neukölln oder Personal zum Beispiel von Pflegeheimen oder Polizeiabschnitten, die sich im Bezirk befinden. „Wir können nicht alle testen“, sagt Liecke.
Einen Ausweis sollte man dabeihaben
Das System funktioniert so: Wer ins Abstrichzentrum will, beispielsweise weil er Kontakt mit Infizierten hatte oder Symptome hat, meldet sich telefonisch beim Neuköllner Gesundheitsamt. Laufkundschaft ist hier nicht erlaubt. Per Telefon wird entschieden, ob die Leute in das Abstrich-Zentrum kommen können – das ist im Auto möglich, aber auch zu Fuß oder mit dem Fahrrad – oder die Mitarbeiter des Gesundheitsamtes wie bislang zu ihnen nach Hause fahren.
[In unseren Leute-Newslettern berichten wir wöchentlich aus den zwölf Berliner Bezirken, unter anderem über die aktuellen Entwicklungen in der Coronavirus-Pandemie. Die Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen:leute.tagesspiegel.de]
„Wir werden keine Menschen mit schweren Symptomen oder alte Leute im Rollstuhl durch den halben Bezirk scheuchen“, sagt Liecke. Einen Ausweis sollte man dabeihaben, die Mitarbeiter führen eine Liste. So ein Ansturm wie im März in der Teststelle der Charité soll vermieden werden. Prioritär würden Menschen getestet, sagt Liecke, die sich im Umfeld von Risikogruppen bewegen und solche Berufsgruppen, die viel Personenkontakt haben – etwa Polizisten oder Lehrer. Später sollen die Tests ausgeweitet werden.
Die erste Testperson ist derweil – mit „Schnuffi“ vorm Gesicht – im weißen Testzelt angekommen. Am Einlass ein Spender mit Desinfektionsmittel. Hinter einer Plexiglasscheibe stehen zwei Ärzte in blauen Kitteln, die ihr den Ablauf erklären: Testen muss man hier selbst, auch um das Ansteckungsrisiko zu minimieren. Mund weit auf, Stäbchen rein, schön weit und am besten mehrmals, damit der Test auch richtig funktioniert. In einem kleinen Spiegel kann man sich dabei beobachten. Nach drei Minuten ist das ganze im besten Fall schon vorbei.
Sitzen bleiben, Stäbchen rein, fertig
Auf einer weiteren Strecke gleich daneben geht es zu wie bei McDrive: Die Autos fahren auf den Parkplatz, halten vor einem weiteren Zelt, dort wird den Fahrern erklärt, was zu tun ist. Anders als bei der Fast-Food-Kette ist das Menü simpel: Sitzen bleiben, Stäbchen rein, fertig.
Die vielen Hundert Tests, die hier täglich möglich wären, sind noch nicht machbar, sagt Liecke. In den ersten Tagen ist zwischen zehn und 16 Uhr geöffnet, rund 70 Tests werden so möglich sein. Laut einem Projektplan, der dem Tagesspiegel vorliegt, könnte die Zahl auf fast 500 erhöht werden.
Dann würden die Ärzte und Helfer im Zwölf-Stunden-Betrieb arbeiten, in mehreren Schichten. „Es geht uns darum, vor der Lage zu sein“, sagt Liecke. Er und sein Amtsarzt Savaskan gehen davon aus, dass sich durch die Lockerungen wieder mehr Menschen infizieren. „Wir wollen auf massenweise Abstrichtests vorbereitet sein“, sagt der CDU-Gesundheitsstadtrat.
Wer positiv ist, kriegt einen Anruf
Ein Problem gibt es allerdings: Es fehlt in Berlin noch immer an Stäbchen und Röhrchen für die Abstriche. Der Markt ist leer gefegt. Das Landeslabor, sagt Liecke, liefere nicht ausreichend Material. „Da ist die Gesundheitsverwaltung gefragt, den Nachschub besser zu organisieren“, fordert der Gesundheitsstadtrat.
Die erste Testperson geht schon wieder zum Ausgang, das „Schnuffi“ auf der Nase. Innerhalb von zwei Tagen wird sie ihr Ergebnis bekommen, verspricht das Gesundheitsamt. Wer positiv ist, kriegt einen Anruf. Wer negativ getestet ist, kann sein Ergebnis unter einer ihm zugeordneten Nummer einsehen. „Schönen Tach noch“, ruft der Sicherheitsmann.