Neues Konzept für Tourismus: Wie Berlin Touristen in die Randbezirke locken will
Spandau hat jetzt einen Tourismusbeauftragten, in Treptow-Köpenick engagiert sich ein Verein seit 26 Jahren für mehr Besucher.
Kommt bald die Randbezirk-Quote für Berlin-Besucher? Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) will mehr Touristen raus aus Berlins überfülltem Zentrum und rein in die Außenbezirke lotsen, die ja ebenfalls viel zu bieten hätten.
Das ist Teil des neuen Tourismuskonzepts für die Hauptstadt, das der Senat voraussichtlich im Januar beschließen wird, wie Pop dem Tagesspiegel sagte. Außerdem müsse Berlin weg vom Billig-Image und stattdessen hin zu mehr „Qualitätstourismus“.
"Wir machen null Werbung für Billigtourismus"
Erreichen wolle man das gemeinsam mit Visit Berlin, dem offiziellen Marketingpartner im Bereich Tourismus. Im Augenblick prangt auf dessen Internetseite noch groß das Brandenburger Tor in der goldenen Abendsonne. Erst ein ganzes Stück weiter unten folgt die bunte Karte mit den zwölf Bezirken.
„Die meisten Touristen kommen nach wie vor wegen der Sehenswürdigkeiten“, sagt Burkhard Kieker, Geschäftsführer von Visit Berlin. Für 65 Prozent sei das der Hauptgrund ihres Besuchs, gefolgt von Kunst und Kultur sowie Stadtbild und Architektur. Kieker betont: „Wir machen null Werbung für Billigtourismus.“
Mit Easyjet und Ryanair komme aber nun einmal auch Party-Klientel. Die mache jedoch nur 17 Prozent der Besucher aus. Etwa die Hälfte der Touristen seien hingegen „kulturfreudige Entdecker“ zwischen 30 und 60 Jahren. Gerade diese Zielgruppe besuche Berlin oft nicht nur einmal. „Besonders für ,Mehrfachtäter’ wird es immer wichtiger, auch mit normalen Leuten in Kontakt zu kommen“, sagt Kieker.
Spandau hat jetzt einen Tourismusbeauftragten
Und die gebe es eben vor allem in den Randbezirken. Damit sich die Touristen auch außerhalb des S-Bahn-Rings nicht verirren, hat Visit Berlin die Smartphone-App „Going Local“ entwickelt. Sie wartet mit mehr als 700 Tipps in allen Berliner Bezirken auf und wurde bisher mehr als 50.000-mal heruntergeladen.
„Die App ist ein guter Anfang, aber wir müssen unser Profil noch schärfer herausarbeiten“, sagt Patrick Sellerie, Leiter der Wirtschaftsförderung Spandau. Wer etwa den berühmt-berüchtigten Urberliner kennenlernen will, der könne in Spandau Erfolg haben.
Etwa zwei von drei Einwohnern hier seien noch „echte“ Berliner, sagt Sellerie. Damit Touristen kommen, müssten diese aber erst einmal wissen, was Spandau zu bieten hat. Im Juni dieses Jahres habe man deshalb begonnen, gemeinsam mit einer Agentur ein Tourismuskonzept für den Bezirk zu erstellen.
„Es wird eine Dachmarke für Spandau geben, ein wiedererkennbares Design und ein Internetportal für Buchungen“, sagt Sellerie. Für das Konzept stehen dem Bezirk 300.000 Euro aus dem Fördertopf zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur zur Verfügung. Zudem habe Spandau vor Kurzem als erster Bezirk einen Tourismusbeauftragten ernannt.
Treptow-Köpenick wirbt auf Facebook und Instagram
Auch am anderen Ende der Stadt hat man das Potenzial der Urlauber längst erkannt. Schon seit 26 Jahren kümmert sich der Tourismusverein Treptow-Köpenick darum, dass Besucher ihren Weg in Berlins Südosten finden. „Wir müssen die Außenbezirke stärken, ihnen eine Identität geben“, sagt Geschäftsführer Mathis Richter.
Das läuft mittlerweile ganz gut. 2014 ging der Verein eine strategische Partnerschaft mit Visit Berlin ein, schaltete Werbung im Stadtzentrum, startete eine Kampagne auf Facebook und Instagram. Seitdem rufen jährlich 1,5 Millionen Menschen die Webseite auf, achtmal so viele wie zuvor.
Aber sie klicken nicht nur, sie kommen auch: Im letzten Jahr trauten sich 18 Prozent mehr Touristen nach Treptow-Köpenick als noch 2015. In drei Jahren will der Bezirk zudem die beliebteste Fahrradregion Berlins sein. „Das neue Tourismuskonzept ist Wasser auf unsere Mühlen“, sagt Mathis Richter.
Selbst wenn auch andere Bezirke so viel Eigeninitiative zeigen wie der Musterschüler im Südosten: Bis die Touristen die S-Bahnen in Richtung Peripherie stürmen, dürfte es noch eine Weile dauern.