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Berlin trifft Tokio – ein Bierdeckel der Völkerfreundschaft.
© Kevin P. Hoffmann

Abwarten und Bier trinken: Wie Berlin in Tokio Stimmung für die Wirtschaft macht

Das Land Berlin und die örtliche IHK wollen in Japan für gute Stimmung sorgen, um die Beziehungen zu stärken. Bierdeckel spielen eine Rolle – und Sand.

Auf die Kleinigkeiten kommt es an. Und die Botschaft, die man rüberbringen will, sollte auf einen Bierdeckel passen. Das meint zumindest Stefan Franzke, der Chef von Berlins landeseigener Standortförderagentur Berlin Partner. Also hat er zum Beispiel Bierdeckel drucken lassen, auf denen eine Sushi-Rolle und ein Berliner „Pfannkuchen“ sich kongenial ergänzen - auf wasabipastengrünem Hintergrund. Dazu den Slogan #FreiheitBerlinTokyo. Auch auf Japanisch, versteht sich.

Franzkes Aufgabe ist es, weltweit den Standort Berlin bekannt zu machen, in der Hoffnung, dass Firmen merken, dass es sich lohnt und dass man nur gewinnen kann, wenn man in Berlin eine Niederlassung oder gar eine Fabrik aufbaut.

Dieser Tage ist Franzke in Tokio gefragt, wo Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) unter anderem an einer Bürgermeisterkonferenz der sogenannten „Urban 20“ teilnimmt, aber auch mehr als 30 Vertreter von Firmen und Institutionen (zum Beispiel Berliner Energieagentur oder Fraunhofer Focus) im Schlepptau hat, die in Japans Hauptstadt gern neue Partner finden wollen. 

Also hat der Berlin-Partner-Chef für den geselligen Abend mit den deutschen und japanischen Unternehmen in einem feineren Tokioter Club „Happo-en Garden“ besagte Bierdeckel mitgebracht und auch Trinkstrohalme aus Glas. Auch hier liest der aufmerksame Genießer, dass der Slogan #FreiheitBerlin auf den Röhrchen eingefräst wurde. „Wenn man Nachhaltigkeit predigt, sollte man auch nachhaltig sein“, sagt Franzke. „Plastik würde nicht zu uns passen.“

Michael Müller besuchte auch Mitsubishi Electrics Hochhauszentrale in Tokio.
Michael Müller besuchte auch Mitsubishi Electrics Hochhauszentrale in Tokio.
© Kevin P. Hoffmann

Dazu muss man wissen: In Japan dauert zwar nicht alles etwas länger, eher im Gegenteil. Aber wer Geschäftsbeziehungen mit konkreten Verträgen knüpfen will, braucht viel Geduld, wie die Leute der örtlichen deutsche Außenhandelskammer (AHK) aus Erfahrung berichten. Oft vergehen drei oder mehr Jahre vom ersten persönlichen Kontakt bis zum Vertragsabschluss. Aber wenn sich japanische Unternehmen einmal auf einen Partner verbindlich einlassen, gehen sie mit ihm durch Dick und Dünn. So heißt es.

Besuch bei Mitsubishi Electric

Von dieser, aus deutscher Sicht, fast irrational festen Treue profitieren derzeit die Briten, wo der weltweit aufgestellte Elektrokonzern Mitsubishi Electric gleich vier Niederlassungen hat, was angesichts der Gefahr eine Brexits für ihn zum Risiko geworden ist.

So waren Müller, Franzke – und der ganze Rest der Delegation – am Montag in Mitsubishi Electrics Hochhauszentrale, um sich im Detail von Tokioter Spitzenmanagern deren Geschäftsmodell erklären zu lassen. Die Berliner sprachen wärmste Einladungen aus, um an der Spree doch das ein oder andere Projekt auszuprobieren: mit oder ohne Mitsubishis Konkurrenten Siemens, der in Berlin bekanntlich seit jeher eine große Nummer ist. 

Die Künstlerin Natalia Moro kreiert Sandbilder auf ihrem Leuchttisch.
Die Künstlerin Natalia Moro kreiert Sandbilder auf ihrem Leuchttisch.
© Kevin P. Hoffmann

Bei aller Rationalität und Formalität im Geschäft: Viele Japaner mögen auch Kunst, die an Herz geht. So hat Franzke extra die in Düsseldorf wohnhafte ukrainische Künstlerin Natalia Moro eingeflogen, die auf einem Leuchttisch live Sandbilder kreiert, die auf eine Großleinwand projiziert werden. In einem rund 15-Minütigen Auftritt erzählte sie in Bildern zur Musik die Geschichte Preußens und Berlins in einer Sprache, die jeder versteht. Außerdem spielte die Berliner Sängerin Alice Francis mit einem Bandkollegen leidenschaftlichen Jazz und Swing.

Das kam offenbar an. Auch die rund 50 japanischen Gäste des Abend spendeten mehr als artig Applaus. Ob sie am Ende auch die vielen ausgesprochenen Einladungen annehmen und Berlin besuchen werden, wird man sehen. Aber Grundvoraussetzung ist es offenbar in Japan, dass man persönlich etwas gemeinsam erlebt hat, um Vertrauen aufzubauen.

Die Berliner Sängerin Alice Francis spielt mit einem Bandkollegen Jazz und Swing.
Die Berliner Sängerin Alice Francis spielt mit einem Bandkollegen Jazz und Swing.
© Kevin P. Hoffmann

Und das funktioniert, so banal es klingt, auch ausgezeichnet beim Bier. So wurde das durchaus trinkbare Sapporo Bier auf den in Japan üblichen knietiefen Stehtischen serviert, ein Pils einer Brauerei von der nördlichen Insel Hokkaido, dessen erster japanischer Braumeister sein Handwerk 1876 in Deutschland gelernt hatte. Das war wohl Zufall.

Sapporo Bier aus Hokkaido

Die meisten Berliner Unternehmer schienen durchaus happy mit dem Programm zu sein. Auch wenn die Partner, mit denen sie Gespräche führen wollten, nicht zwingend auf der Party waren. Einige stiegen am Dienstag in den Hochgeschwindigkeitszug Shinkansen gen Süden zur Zentrale von Yamaha Motor, um sich dort auf auf Augenhöhe auszutauschen, wie Helmut Schramm, der als Leiter des BMW-Motorradwerkes in Spandau ebenfalls in alle Welt exportiert.

Andere besuchten Honda, die mit dem „Smart Home“ der Zukunft experimentieren, oder NTT, Japans größten Telekomkonzern, der sich seinem Heimatland unter anderem mit Spracherkennung und Cyber-Abwehr befasst. 

Michael Müller, der sich am Dienstag unter anderem mit Tokios Gouverneurin treffen wollte, um den Urban-20-Gipfel vorzubereiten, öffnet tatsächlich Türen in Tokio, da viele Japaner extrem stark auf die Hierarchie achten und offenbar erwarten, dass ihr Gesprächspartner die nötige Kragenweite hat, um ernsthaft ins Geschäft zu kommen.

Was daraus wird, haben nur die Berliner Unternehmen selbst in der Hand. Und sei es nur die Erkenntnis, dass es mehr als Bierdeckel und Strohhalme aus Glas braucht, um sich an die Deutschen zu erinnern.

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