Deutsche Einheit vor 25 Jahren: Wie Berlin die Mauer abriss - und jetzt vermisst
Vor 25 Jahren wurde in Berlin die Mauer abgerissen. Mehr als 300.000 Tonnen Grenzbeton wurden zu Straßenschotter. Heute steht der Betonwall unter Denkmalschutz - und wird durchlöchert.
Volksfeststimmung auf dem früheren Todesstreifen: Sektkorken knallen, Wunderkerzen brennen, Berliner klatschen begeistert. Vor 25 Jahren, am 13. Juni 1990, rücken an der Bernauer Straße Bagger und Kräne an. Der endgültige Abriss der Mauer, die Berlin mehr als 28 Jahre in Ost und West zerschnitt, beginnt. Zwar ist das graue Betonmonster längst an vielen Stellen durchbrochen, doch nun wird an dem symbolträchtigen Ort kurz vor der Währungsunion für alle sichtbar: die Einheit kommt wirklich.
Auch Willy Brandt rief: "Die Mauer muss weg"
Es habe damals nur wenige gegeben, die den Mauerabschnitt an der Bernauer Straße für die Nachwelt erhalten wollten, sagt der Direktor der Mauer-Stiftung, Axel Klausmeier. Viele hätten befürchtet, dass die Teilung nicht überwunden wird, solange die Mauer da ist. Willy Brandts Satz „Die Mauer muss weg“ sei Realität geworden. Von den rund 155 Kilometern Sperranlage blieb nicht viel übrig. 65 Kräne, 175 Lastwagen und 13 Planierraupen waren im Einsatz. Die Mauer wurde geschreddert und verbaut. Bis Ende 1990 wurden mehr als 300 000 Tonnen Mauerbeton zu Straßenschotter. Einzelne Elemente wurden auch weltweit verkauft. Auf allen Kontinenten stehen heute Mauer-Teile, in Museen, als Denkmäler.
Doch schon bald fragten Berlin-Besucher: „Wo stand denn eigentlich die Mauer?“ Authentisches wollten sie sehen. So sei der Beginn des Mauerabrisses zugleich die Geburtsstunde der Gedenkstätte an der Bernauer Straße gewesen, sagt Klausmeier. Und er erinnert an das langjährige Engagement des Pfarrers Manfred Fischer, der sich für den Erinnerungsort vehement einsetzte. Fischer starb im Dezember 2013.
Eine zentrale Gedenkstätte für Berlin
Nach langem Hin und Her gelang es, eine Erinnerungslandschaft unter freiem Himmel aufzubauen - mit Original-Mauerresten und freigelegten Teilen der einstigen Sperranlagen oder Fundamente. Die auf Geheiß der DDR-Führung gesprengte Kirche auf dem einstigen Todesstreifen entstand als kleine Kapelle der Versöhnung neu. Erst seit dem 25. Jahrestag des Mauerfalls ist die zentrale Gedenkstätte komplett. Rechts und links eines früheren Postenweges der DDR-Grenztruppen erschließt sich nun auf 1,4 Kilometer Länge die Dimension der Mauer. Die Bernauer Straße war das Symbol der Teilung. Hier spielten sich nach dem Mauerbau am 13. August 1961 dramatische Szenen ab. Die Häuser gehörten auf einmal zum Osten, der Bürgersteig zum Westen. Menschen versuchten in den ersten Tagen noch, aus den Fenstern ihrer Wohnungen in die Freiheit zu springen. Die Fenster wurden dann zugemauert, die Häuser später abgerissen.
Historiker Klausmeier sagt, aus dem Ort des Schreckens sei ein Lernort geworden. Im vergangenen Jahr kamen rund eine Million Besucher. Auch dieser Tage schieben sich Interessierte in Scharen über das Areal. Staatsgäste informieren sich an der Bernauer Straße über die deutsche Teilung. An der Berliner Mauer starben durch das DDR-Grenzregime nach wissenschaftlichen Erkenntnissen mindestens 138 Menschen.
In den Wochen nach dem historischen Auftakt verschwand der verhasste Betonwall immer mehr. Von 170 Millionen Mark Abrisskosten war damals die Rede. Auch frühere Grenztruppen der DDR-Volksarmee wurden mit dem Abriss beauftragt. Ein 1,3 Kilometer langes Stück der Hinterlandmauer an der Spree aber blieb und wurde zur weltweit längsten Open-Air-Galerie. In der Freude über die offenen Grenzen bemalten Künstler aus aller Welt damals den grauen Beton. Heute ist die unter Denkmalschutz stehende Galerie trotz massiver Proteste mehrfach durchlöchert worden - für Investoren. Nur an Festtagen erinnert sich die Stadt daran, dass die Mauer auch ein Teil von ihr ist.
(Von Jutta Schütz, dpa)
Jutta Schütz