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Am 22. Januar 1985 wurde das Kirchenschiff einfach gesprengt. Der Turm der Versöhnungskirche fiel zuletzt - am 28. Januar 1985.
© dpa

Mauergedenken in Berlin: Explosion im Todesstreifen: Die Versöhnungskirche fiel vor 30 Jahren

Das Gotteshaus an der Bernauer Straße war dem Ausbau des Todesstreifens im Wege. Doch als der Kirchturm fiel, zerschlug er einen Teil der Berliner Mauer.

Ein Rumms, eine Staubwolke, dann neigte sich der Kirchturm zur Seite. Nur das Kreuz auf der Spitze schien sich für Bruchteile von Sekunden dem Sturz in die Tiefe widersetzen zu wollen, knickte ab, schwebte über seinem angestammten Platz – und musste doch nach unten.

Eine klammheimliche Schadenfreude schwang wohl in vielen West-Journalisten mit, als sie vor 30 Jahren über den Fall der Versöhnungskirche im Ost-Berliner Bezirk Mitte zu berichten hatten. Die Sprengung des Kirchenschiffs am 22. Januar 1985 - Punkt 10 Uhr - war, soweit man dies von westlicher Seite aus beobachten konnte, ohne Komplikationen verlaufen. Aber für den 75 Meter hohen Kirchturm waren selbst die tiefgestaffelten Ost-Berliner Grenzanlagen nicht weitläufig genug, und so zerschmetterte eben die Spitze des Turms Teile der Hinterlandmauer.

Es war das vorläufige Schlusskapitel einer fast 100 Jahre zuvor an der Bernauer Straße begonnenen Kirchengeschichte. Am 28. August 1894 war das im neugotischen Backsteinstil nach Plänen des Architekten Gotthilf Ludwig Möckel errichtete Gotteshaus geweiht worden, auch die Stifterin Kaiserin Auguste Victoria soll anwesend gewesen sein. Im Namen der Kirche spiegelte sich die Hoffnung wider, die starken sozialen Gegensätze dieser Zeit über die kirchliche Arbeit und ein Engagement für Notleidende zu entschärfen, die Klassen zu „versöhnen“, der Radikalisierung der Arbeiterschaft entgegenzuwirken. So ist bereits der Name des ersten Geistlichen der Kirche, Kurt Buckhardt, eng mit der Geschichte der Inneren Mission verbunden.

Im Krieg wurde der Bau schwer beschädigt, aber wieder repariert und erhielt 1954 sogar eine neue Orgel, Mit dem Mauerbau 1961 lag er plötzlich im Grenzgebiet, und die Bernauer Straße war Brennpunkt im Ost-West-Konflikt: Sie selbst im Westen, die Bebauung am südöstlichen Straßenrand im Osten. Zugemauerte Fassaden wurden zum unüberwindbaren Hindernis, Ort vieler Fluchttragödien, und auch vor dem ein paar Meter zurückliegenden Gotteshaus wurde rasch eine Mauer hochgezogen. Pfarr- und Gemeindehaus waren für die Gemeindemitglieder im Westen nun nicht mehr erreichbar und wurden bald zwangsgeräumt.

Im Laufe der Jahrzehnte verfiel das nun ungenutzte Gotteshaus. Die DDR perfektionierte ihre Grenzanlagen immer mehr, an der Bernauer Straße aber kamen sie nicht weiter: Gott war im Wege. Und so kam es mit Blick auf den gewünschten Abriss 1984 zu einem Grundstückstausch zwischen dem Konsistorium der Evangelischen Kirche und dem Ost-Berliner Magistrat: Die Kirche erhielt im Neubaugebiet Hohenschönhausens ein Grundstück für ein neues Gemeindehaus, der Staat die Kirche.

Heute steht an der Bernauer Straße die Kapelle der Versöhnung.
Heute steht an der Bernauer Straße die Kapelle der Versöhnung.
© picture alliance / dpa

Das blieb nicht ohne Widerspruch, wie Johannes Hildebrandt, damals Pfarrer der Sophienkirche, anlässlich des 25. Mauerfall-Jubiläums im RBB geschildert hat. Sein Vater war dort bis zum 13. August 1961 Pfarrer, die Kirche „gehörte zu unserem Zuhause“. Die beiden versuchten „dem Bischof deutlich zu machen, dass man so was nicht machen kann, dass dieses nicht nur ein Symbolzeichen für Völkerverständigung und Versöhnung ist, sondern dass dieses einfach auch ein Kirchengebäude ist, das ja nicht von den Kirchenfunktionären errichtet worden ist, sondern von einer Gruppe von gläubigen Christen.“ Doch vergeblich: Am 22. Januar 1985 um zehn Uhr sackte das Kirchenschiff in sich zusammen, sechs Tage später folgte der Turm.

Erst nach der Wende erhielt die Gemeinde das Grundstück zurück, ließ auf den alten Fundamenten die im Jahr 2000 geweihte Kapelle der Versöhnung bauen. Dort ist, neben dem schwer beschädigten Altar, wieder zu sehen: das Turmkreuz.

Gedenkgottesdienst in der Kapelle 20 Jahre danach

Am Sonntag, 10 Uhr, wird in der Kapelle ein Gedenkgottesdienst gefeiert. Anschließend findet im Gemeinderaum, Bernauer Straße 111, ein Zeitzeugen-Gespräch statt, mit Jörg Hildebrandt, Mitbegründer des ORB und später stellvertretender Chefredakteur, und dem ehemaligen Generalsuperintendenten Martin Michael Passauer.

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