CDU für verpflichtende Summer-Schools: Wer schlecht Deutsch spricht, soll nachsitzen
Die oppositionelle Berliner CDU-Fraktion will die Zahl der unentschuldigten Fehlstunden und die Schulabbrecherquote senken. Und macht einen radikalen Vorschlag.
Die CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus will die Zahl der unentschuldigten Fehlstunden und die Schulabbrecherquote senken. Dabei nimmt sie Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund besonders in den Blick und regt recht unkonventionelle Maßnahmen an, wie verpflichtende Summer-Schools für Schülerinnen und Schüler mit mangelnden Deutschkenntnissen.
Zudem bringt die größte Oppositionsfraktion eine elektronische Erfassung der Anwesenheitszeiten in der Schule ins Spiel. Das geht aus einem 32-seitigen Positionspapier hervor, das die Mitglieder der Fraktion auf ihrer am Freitag beginnenden Klausur (3. Mai) beraten und verabschieden wollen.
Das Papier wurde maßgeblich von Christian Gräff, dem wirtschaftspolitischen Sprecher der Fraktion, verfasst. Er hatte sich anderthalb Jahre mit Parteimitgliedern außerhalb der Fraktion sowie mit Vertretern von Unternehmen, Verbänden und Kammern beraten, wie er dem Tagesspiegel erklärte.
„Zur Reduzierung der hohen Zahl von Schulabbrechern ohne Abschluss soll eine verpflichtende Summer-School für Kinder mit ungenügenden Deutschkenntnissen fester Bestandteil des deutschen Schulsystems werden“, heißt es in seinem Papier wörtlich.
Um das Schulschwänzen in den Griff zu bekommen, schlägt er eine elektronische Zeiterfassung an den Schulen als disziplinarische Maßnahme für diejenigen Jugendlichen vor, die mehr als vier unentschuldigte Fehlzeiten in einem Schuljahr haben. Eine „Zentrale Berliner Beratungsstelle Schulversäumnis“ solle eine verpflichtende Beratung oder Betreuung für Schüler und deren Eltern ab der vierten Fehlzeit durchführen, Eltern sollen auch Zugriff auf Anwesenheitszeiten ihrer Kinder in der Schule erhalten.
„Bildung ist der Anfang von Allem und damit auch der Anfang von weiterem Wachstum und neuen Arbeitsplätzen“, sagte Gräff dem Tagesspiegel am Donnerstag zur Begründung dieser Vorschläge.
Das übergeordnete Ziel: Den Wirtschaftsstandort sichern
Seit Jahren wächst die Wirtschaft Berlins stärker als im Durchschnitt aller Bundesländer. „Doch das wird nicht ewig so weitergehen. Berlin braucht eine neue Story“, erklärte der 40-jährige Politiker aus dem Bezirk Marzahn-Hellersdorf, der auch wohnungs- und baupolitischer Sprecher seiner Fraktion ist.
Pünktlich zu der Fraktionsklausur hatte Gräff das Papier als Diskussionsgrundlage für die Parlamentarier fertiggestellt. Es trägt den unverfänglichen Titel „Berlin 2030 – Visionen für eine Wirtschaftsmetropole, Freiräume für Innovationen“, tatsächlich ist es eine schonungslose Bestandaufnahme und Ratschlagsammlung, auf deren Basis der Wirtschaftspolitiker auch mit Bildungs- oder innenpolitischen Parteifreunden sehr angeregte Diskussionen führen dürfte.
„Leider ist Berlin heute an einigen Stellen (...) einzigartig schlecht“, heißt es darin. Und bei der Suche nach den Ursachen landen Gräff und seine Einflüsterer schnell beim Bildungssystem. Und bei denen, die es aktuell gestalten (Rot-Rot-Grün) beziehungsweise denen, die sich dem System entziehen. Das sind demnach zum Beispiel Schulschwänzer und Kinder und Jugendliche, die nicht bereit oder fähig sind, sich die Basis für eine gute Bildung zu erarbeiten: die deutsche Sprache.
Gräff und Co belassen es nicht beim Blick auf Kinder mit ungenügenden Deutschkenntnissen. Für - meist ältere - jugendliche Auszubildende mit Sprachdefiziten solle der Ausbildungsstart, der in der Regel zum 1. September, also in etwa mit dem Ende der Schulsommerferien zusammenfällt, vorgezogen werden. „Künftig sollen Schüler und Eltern mit Migrationshintergrund gemeinsam über das deutsche Bildungssystem informiert werden“, heißt es weiter.
Gräff und seine Berater sehen auch Unternehmen in der Pflicht und sprechen sich für eine Ausbildungsgarantie für Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr aus. Man wolle diese aber mit einer Ausbildungspflicht für die Jugendlichen kombinieren.
Computer oder Tablet für Schüler ab Klasse 3
Weil sich mit Druck allein das Ziel, Berlins Schulen bis 2030 auf "deutsches und europäisches Spitzenniveau" zu hieven, nicht wird erreichen lassen, setzt die CDU auch auf die stärkere Verbreitung digitaler Technologien: Gräff und seine Berater schlagen vor, spätestens ab 2030 jedem Grundschüler ab Klasse 3 einen Computer oder ein Tablet für die Erledigung der Hausarbeiten zur Verfügung zu stellen. In Schulen und selbst in Kitas sollten erste Computersprachkenntnisse spielerisch vermittelt werden.
Damit diese Vorschläge auch umgesetzt werden können, plädiert Dirk Stettner, Sprecher für Digitales in der Berliner Fraktion, für eine „Qualitätsoffensive für unsere Schulen“.
In seinem Entwurf für die Klausur wirbt er für den Anschluss aller Schulen an das Landesnetz inklusive W-Lan und für die Bereitstellung externer IT-Administration und Wartung durch das IT-Dienstleistungszentrum Berlin. Außerdem sollten Bildungsserver für einen leichten Zugang zu digitalen Unterrichtsinhalten sowie digitale Lehr- und Lernmittel angeschafft und Lehrer beständig fortgebildet werden.
Stettner hatte zuletzt die Senatsverwaltung für Bildung dafür kritisiert, die Schulen nicht ausreichend dabei zu unterstützen, Gelder aus dem Digitalpakt zu akquirieren. Statt die Mittel zentral zu beantragen und eine einheitliche IT-Ausstattung der Schulen zu gewährleisten, würden diese und die Bezirke mit der Aufgabe allein gelassen. Ihnen würden die nötigen Ressourcen fehlen, erklärte Stettner. Via Twitter schlug er vor, die Zahl der Koordinatoren deutlich zu erhöhen - und erhielt dafür die Zustimmung der Linken-Bildungspolitikerin Regine Kittler.
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