Berliner Schulpolitik: Das Ergebnis der Bildungspolitik ist verheerend
Viel Aufwand, wenig Ertrag: Der Zustand der Berliner Bildungspolitik belastet auch zunehmend das Fundament der Gesellschaft. Ein Kommentar.
Was passiert, wenn zwei von drei Bewerbern beim obligatorischen Deutsch-Diktat eine glatte Sechs erzielen? Klar doch – man schafft das Diktat ab. Absurd? Nicht in Berlin. An der Polizeiakademie hat man 2016 genau so entschieden. Seitdem müssen künftige Polizeibeamte nur einen Lücken- und Multiple-Choice-Test machen. Deutsch – nicht so wichtig. Kann man sich vorstellen, wie belastbar die Berichte jener Beamten sind, wenn es um eine gerichtliche Aufklärung einer Straftat geht?
Den jungen Menschen, die einen Job bei der Polizei wollen, kann man kaum einen Vorwurf machen. Denn alle Bewerber sind zehn Jahre lang zur Schule gegangen und haben einen Mittleren Schulabschluss. Das Diktat-Debakel ist deshalb nur das sichtbare Ergebnis einer Schulmisere, die von den politisch Verantwortlichen geleugnet oder schöngeredet wird. Auch die Wirtschaft beklagt, dass Betriebe den Auszubildenden immer häufiger schulische Grundfertigkeiten beibringen müssen.
Berlins Senat rühmt sich großer Anstrengungen, um die Bildungschancen aller Kinder zu verbessern – vom kostenlosen Kita-Besuch über Förderklassen bis zur 2010 durchgesetzten Abschaffung der zum Bildungsghetto für benachteiligte Familien verkommenen Hauptschulen. Die Ausgaben für den Bildungsbereich sind enorm gestiegen, die Ergebnisse aber verschlechtern sich. Nur 62 Prozent aller Zehntklässler der Sekundarschulen haben im Schuljahr 2016/17 den Mittleren Schulabschluss geschafft – drei Prozent weniger als im Jahr zuvor.
Jeder Zehnte verlässt die Sekundarschule ohne Abschluss
Dafür steigt die Quote der Schulabbrecher: Jeder Zehnte verlässt die Sekundarschule ohne Abschluss – doppelt so viele Schüler wie im Bundesdurchschnitt. Die Ergebnisse von Jugendlichen aus Migrantenfamilien haben sich sogar noch weiter verschlechtert: Von ihnen erreichen 16 Prozent keinen Schulabschluss – vier Prozentpunkte mehr als noch 2012.
Da läuft was schief in einem Senatsressort, das seit 23 Jahren von der SPD geführt wird. Viele Reformen – etliche überhastet und unterfinanziert umgesetzt – haben sich möglicherweise nicht bewährt. Ist die Berliner Bildungspolitik überhaupt noch auf einem erfolgversprechenden Weg? Auch der am vergangenen Freitag vorgelegte nationale Bildungsbericht muss in Berlin zu denken geben.
Darin wird etwa festgestellt, dass das Ende der Hauptschule den sozial Benachteiligten bislang nicht viel gebracht hat, außer, dass die leistungsschwachen Schüler nun auf Schulen gehen, an deren Tor „Sekundarschule“ steht. Auch beim in Berlin intensiv vorangetriebenen Ganztagsunterricht hat der Bildungsbericht keine Wirksamkeit beim Abbau von sozialen Unterschieden und keine Verbesserung der Leistungen festgestellt.
Dümmer als die Polizei erlaubt? Das darf nicht sein. Das Drama an den Schulen kann deshalb nicht mehr nur Sache der Bildungverwaltung sein; hier geht es für alle Bereiche der Landesregierung darum, die Stadt zukunftsfähig zu machen. Denn schlecht steht es nicht nur um jene, die heute ins Berufsleben streben. Auch die Ergebnisse der Vergleichsarbeiten der Drittklässler zeigten erst kürzlich, dass es nicht vorangeht.
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