Flughafen Berlin-Schönefeld ohne Hartmut Mehdorn: Wer hatte die Macht am BER - und wer hat sie jetzt?
Nach der Ankündigung des Flughafenchefs, seinen Posten im Sommer 2015 aufzugeben, muss der Betrieb auf Berlins Dauerbaustelle Nummer eins trotzdem weiterlaufen. Wer hatte und wer hat das Sagen am BER?
Hartmut Mehdorn geht – spätestens Ende Juni 2015. Oder vorher, falls schnell ein Nachfolger gefunden wird, der den Schleudersitz haben will. Doch egal, wann er sein Büro räumt, der Flughafen wird weiter funktionieren. Die Aufgabe, den BER zum Fliegen zu bringen, hat seit Sommer der ehemalige Siemens-Manager Jörg Marks übernommen. Er hat sich in nur einem halben Jahr so tief in die Materie eingearbeitet, dass er sich zugetraut hat, wenigstens einen ungefähren Eröffnungstermin zu nennen. Im zweiten Halbjahr 2017 soll es so weit sein. Mehdorn war kein Bauherr. Ihm war es auch nicht gelungen, in seiner Zeit als Geschäftsführer auch nur in die Nähe eines Termins für die Inbetriebnahme zu kommen. Und das von ihm initiierte Sprint-Team, das die Arbeiten beschleunigen sollte, ist zwar mit einem energischen Spurt gestartet, dann aber bereits an den ersten Hürden hängen geblieben. Nicht einmal die vorübergehend zurückgeholten Architekten sind inzwischen noch an Bord.
Auch um die Finanzen musste sich Mehdorn nicht kümmern. Dafür ist nach wie vor Heike Fölster zuständig – als Mitglied der Geschäftsführung. Wie Technikchef Marks ist sie von Mehdorn geholt worden. Ob ihm mit Fölster der große Wurf gelungen ist, ist allerdings umstritten. Trotzdem: Auch hier gibt es kein Vakuum.
Um den laufenden Betrieb in Schönefeld und Tegel kümmert sich seit Sommer 2013 Elmar Kleinert. Auch hier war Mehdorn entlastet. Und das klassische Flughafengeschäft läuft äußerst erfolgreich. „Flughafen können wir“, hatte Mehdorn stets betont. Kleinert kennt den Laden. Ehe er Chef am Flughafen Paderborn wurde, war er sieben Jahre für den Betrieb in Tegel zuständig.
Marks und Kleinert könnten einfach in die Geschäftsführung aufrücken und weitermachen wie bisher. Mehdorn würde nicht vermisst. Und der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD), der neu im Aufsichtsrat sitzt, schließt inzwischen auch eine interne Lösung nicht aus. Es könnte auf Jörg Marks hinauslaufen.
Der Aufsichtsrat
Der Kontrollgremium ist ebenfalls in Turbulenzen geraten und steht derzeit ohne Chef da. Die Sitzung am 12. Dezember leitete der stellvertretende Vorsitzende, der Brandenburger Flughafenstaatssekretär Rainer Bretschneider. Der ehemalige Vorsitzende Klaus Wowereit hat den Aufsichtsrat mit Aufgabe seines Amtes als Regierender Bürgermeister verlassen, sein Nachfolger Michael Müller ist zwar nachgerückt, will aber im Aufsichtsrat die Chefrolle nicht übernehmen. Und Brandenburg hat die Linken-Minister Ralf Christoffers (Wirtschaft) und Christian Görke (Finanzen) abgezogen und durch dem Manager Axel J. Arendt sowie Finanzstaatssekretärin Daniela Trochowski ersetzt. Damit müssen sich in dem 16-köpfigen Gremium gleich drei Neue erst noch einarbeiten. Und das bei den Problemen, die es rings um den Flughafen gibt.
Ob der ehemalige Daimler-Manager Arendt, der unter anderem auch Finanzvorstand des Luftfahrt- und Rüstungskonzerns EADS war und zuletzt als Lobbyist die Interessen des regionalen Wirtschaftsverbandes der Luft- und Raumfahrtindustrie in der Hauptstadtregion, Berlin-Brandenburg Aerospace Allianz, vertrat, ist offen. Politik und Wirtschaft fordern seit langem einen Fachmann oder eine Fachfrau an der Spitze des Gremiums, das die Geschäftsführung erfolgreich kontrollieren kann. Ein externes Controlling–Unternehmen soll zudem die bisherig Arbeit unter Mehdorn bewerten, was diesen heftig in Rage gebracht hatte.
Fachleute aus der Wirtschaft für den BER-Aufsichtsrat zu gewinnen ist jedoch nicht einfach. Der Ruf des Gremiums ist miserabel, auch weil der politische Einfluss sehr groß ist. Und dabei kochen die Gesellschafter Bund, Berlin und Brandenburg oft jeweils auch noch ihr eigenes Süppchen. Auch Geld kann da nicht locken: Fürs vergangene Jahr weist die Bilanz Sitzungsgelder in Höhe von 33 700 Euro aus. Bei VW lag nach Angaben der „Wirtschaftswoche“ im Jahr 2013 die Durchschnittsvergütung der 20 Aufsichtsräte immerhin bei 488 727 Euro – pro Kopf.
Die Kandidaten
Namen gibt’s schon reichlich. Als möglicher Mehdorn-Nachfolger ist jetzt nach Tagesspiegel-Informationen Peter Jungen aufgetaucht. 1939 geboren hat er unter anderem den Baukonzern Strabag geleitet. Er ist Präsident der Europäischen Mittelstands-Union und Gesellschafter der Peter-Jungen-Holding. Die „Wirtschaftswoche“ wählte ihn 2000 zu den wichtigsten Personen, die die „New Economy“ beeinflusst haben.
Stets genannt wird auch Thomas Weyer. Er ist Technischer Geschäftsführer am Flughafen München und war von 2004 bis 2008 in dieser Position bei der Berliner Flughafengesellschaft beschäftigt und für den BER-Ausbau zuständig. Zuvor war er unter anderem bei Hochtief in leitender Funktion. Unter Weyer war der BER-Ausbau noch im Zeit- und Kostenplan. Allerdings war unter seiner Führung auch entschieden worden, den – am Schluss missglückten – Bau des Terminals in sieben Lose aufzuteilen und von der Flughafengesellschaft leiten zu lassen statt von einem Baukonzern. Eine Rückkehr nach Berlin ist 2012 nach Tagesspiegel-Informationen auch an zu hohen Gehaltsforderungen gescheitert.
Im Rennen sein soll auch der Leiter des Flughafens Köln/Bonn, Michael Garvens. Er begann seine Laufbahn in der Luftfahrtbranche bei Hapag-Lloyd Flug. Danach arbeitete er über zehn Jahre in unterschiedlichen Positionen beim Lufthansa-Konzern. Zuletzt war Garvens Kaufmännischer Geschäftsführer des Bodendienstleisters GlobeGround Berlin.
Interesse an dem Job wird ferner Staatssekretär Rainer Bomba aus dem Bundesverkehrsministerium nachgesagt. Er sitzt bereits im Aufsichtsrat. Besonders aufgefallen ist er dort nach Angaben von Teilnehmern nicht. Ein sofortiger Wechsel von der Politik zu einem öffentlichen Unternehmen wäre zudem schwer zu vermitteln. Ein Kandidat ist er wohl nicht.
Die Gescheiterten
Wo ist Horst Amann? Der ehemalige Technische Geschäftsführer, der nach dem Rauswurf seines Kollegen Rainer Schwarz als Baufachmann die Flughafengesellschaft zeitweise alleine leitete, steht zwar noch auf der Gehaltsliste, ist aber seit Ende 2013 kaltgestellt. Im Internet taucht er nicht einmal für den Bereich „Flughafen Energie und Wasser GmbH“ auf, für den er nach seiner Entmachtung als Geschäftsführer abgeordnet worden war. Aufgefallen war Amann vor allem, weil er öffentlich behauptet hatte, am Terminal ließe sich nicht einmal das Licht ausschalten. Sein erneuter Einsatz als Geschäftsführer wäre nach Ansicht des Piraten-Abgeordneten Martin Delius „zumindest eine Überlegung wert.“
Schwarz dagegen hat sogar nach seiner Entlassung einen neuen Job gefunden: Seit dem vergangenen Dezember ist er Geschäftsführer des Flughafens Rostock-Laage. Dort gibt es wenigstens keine Ausbaupläne. Der Flughafen hat nur zu wenige Passagiere, um rentabel zu sein. Eine Klage gegen seine Kündigung hat er vor dem Landgericht Berlin gewonnen; die Flughafengesellschaft hat inzwischen ihre eingelegte Berufung zurückgezogen. Schwarz erhält bis 2016 weiter Bezüge der Flughafengesellschaft, die sich auf 1,6 Millionen Euro summieren können. Vor dem BER-Untersuchungsausschuss wies er jegliche Verantwortung für das BER-Desaster von sich und verärgerte die Abgeordneten durch seine Arroganz.
Am schnellsten gehen musste nach der 2012 geplatzten BER-Eröffnung der damalige Technische Geschäftsführer Manfred Körtgen. Er war wenige Tage später geschasst worden. Auch wenn der Flughafen dazu keine Angaben macht, scheint er immer noch Geld zu bekommen. Im Geschäftsbericht 2013 werden erstmals „Bezüge eines ehemaligen Mitglieds der Geschäftsführung“ ausgewiesen: in Höhe von 260 000 Euro.
Klaus Kurpjuweit