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Christiane Stützle ist als Anwältin der Filmbranche eine Anlaufstelle für Hollywood-Produzenten.
© Kai-Uwe Heinrich

Berliner Anwältin für Medienrecht: Wenn Hollywood ein Problem hat, geht sie ans Telefon

Christiane Stützle vertritt große internationale Filmproduktionen vom Vertrag bis zum Vertrieb. Privat weiß sie, warum man Kunst nie allein besitzt.

Nackt im Film? Wenn es um die Altersfreigabe geht, ist das in Deutschland nicht so schlimm wie etwa Gewaltdarstellungen. In den USA ist es genau umgekehrt: Bloß keine Blöße zeigen, gilt dort in den Bewertungssystemen. So was muss man erst mal wissen.

Wenn Hollywood-Produzenten in Deutschland drehen und vorab optimale Bedingungen schaffen wollen, auch bei der Finanzierung und Vertragsgestaltung, wissen sie, wohin. Am Potsdamer Platz 1 in der Anwaltskanzlei Morrison & Foerster hat Christiane Stützle ihr Büro. Die Fachanwältin für Urheber- und Medienrecht leitet dort die weltweite Praxisgruppe Film und Entertainment. Nebenbei ist sie auch Schiedsrichterin bei der Independent Film & Television Alliance (IFTA) in Los Angeles.

Auf der geräumigen Terrasse der Kanzlei im 13. Stock heben sich apart einige Skulpturen vom Himmel über Berlin ab. Eigentlich ein schöner Hintergrund fürs Foto, aber Stützle weiß natürlich, dass Kunst ohne Genehmigung des Künstlers nicht veröffentlicht werden kann. Der Wind zaust an ihren schulterlangen braunen Haaren. Mit den blauen Augen und dem eleganten Wendemantel ist sie selbst eine glamouröse Erscheinung.

Sie könnte auch die Hauptrolle in einer Anwaltsserie spielen. Tatsächlich ist alles an ihr echt. Vor allem das Wissen und die freundliche, akribisch präzise Art, mit der sie rechtliche Feinheiten solange erklärt, bis sie sicher ist, dass ihr Gegenüber sie auch wirklich verstanden hat.

Seit dem Jahr 2000, in dem sie als junge Anwältin in Berlin durchstartete, sitzt Christiane Stützle in diesem Haus. Seit November 2013 gehört das Büro zu der in San Francisco ansässigen US-Kanzlei Morrison & Foerster, die auch viele Unternehmen aus dem Silicon Valley berät. Geändert habe sich immer das Türschild sagt sie. „Und mein Büro ist größer geworden“, fügt sie hinzu und beschreibt so mit größtmöglichem Understatement ein äußeres Zeichen ihrer Karriere.

Durch die Digitalisierung ist das Arbeitspensum gestiegen

Der Arbeitsanfall ist freilich auch größer geworden, die Thematik komplexer als Folge der Digitalisierung. Christiane Stützle verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz. Sie versucht nicht einfach nur die Anliegen ihrer Klienten bestmöglich durchzuziehen. Ihr ist es wichtig, dass am Ende alle glücklich leben können mit den Verträgen, dass einvernehmliche Lösungen gefunden werden. Dazu gehören ausgleichende Gespräche.

Auch „proaktives Denken“ hilft und die realistische Einsicht, dass in jedem Fall ein wasserdichter Vertrag, mit dem alle leben können, besser ist, als ein Handschlag, der im Konfliktfall nicht trägt. Die Partner in Hollywood wissen Zuverlässigkeit und Loyalität zu schätzen.

Durch ihr Mitwirken kam die Serie „Homeland“ nach Berlin

Als nicht zuletzt durch ihr Mitwirken als erste große internationale Produktion in Berlin die US-Serie „Homeland“ gedreht wurde, suchten die Produzenten ein Haus mit Graffiti. Als das Haus gefunden war, wurde entschieden, die Hauswand zu überstreichen und mit eigenen Graffiti besprühen zu lassen. Die Sprüh-Szene wurde dann herausgeschnitten für einen Werbetrailer.

Durch die rasante digitale Verbreitung kam der Spot auch zu Zuschauern, die in der Lage waren, die arabischen Buchstaben zu entziffern, in denen dort geschrieben stand: „Homeland ist blöd“. Die Produktionsfirma nahm es mit Humor. Letztlich war das vielleicht doch die bessere Reklame.

Nicht jede Unkorrektheit fällt auf, aber in digitalen Zeiten muss man viel vorsichtiger sein als früher. Einer ihrer Kunden hat mal ein Graffito kopiert, vom Original an einer Hauswand. Das Bild ließ er rahmen und in der Drehkulisse aufhängen. Am Ende gab es Probleme, weil der ursprüngliche Künstler es im Film wiedererkannte. „Da konnten wir uns glücklicherweise einigen.“

Das Urheberrecht verjährt erst 70 Jahre nach dem Tod eines Künstlers. Bei der wachsenden Zahl nutzergenerierter Inhalte in der digitalen Welt muss auch das Urheberrecht ständig angepasst werden.

„Die Technik ist der Gesetzgebung immer eine Meile voraus.“

Über dieses Thema kann sie stundenlang sprechen, denn: „Die Technik ist der Gesetzgebung immer eine Meile voraus.“ Intensiv beschäftigt sie sich mit dem Umgang verschiedener Länder mit Uploadfiltern, mit denen von vornherein dafür gesorgt wird, dass keine rechtsverletzenden Inhalte hochgeladen werden. Als Wes Andersons Film „The Grand Budapest Hotel“ gedreht wurde, der 2014 die Berlinale eröffnete, fuhr sie vorher nach Görlitz, um sich das alte Jugendstilkaufhaus anzuschauen, das als Hauptdrehort auserkoren war.

Es gab viele Details zu berücksichtigen, Sicherheitsaspekte zum Beispiel, aber auch Denkmalschutzfragen. Insgesamt eine komplizierte Materie. Sie hatte Glück, fand nette, einsichtsvolle Gesprächspartner bei der Stadtverwaltung. Am Ende war alles akribisch geklärt, selbst die Frage, wie viel Schneefall das fragile gläserne Dach aushält, damit es nicht einstürzt. „Und dann stellte sich kurz vor Beginn der Dreharbeiten heraus, dass das Haus unmittelbar vor einer Zwangsversteigerung stand“. Letztlich konnte auch dieses Problem gelöst werden.

Stützle stand schon im Abspann von „Isle of Dogs“

Sie selbst zeigt ihren Sinn für Details gern auch mal augenzwinkernd. Als Wes Andersons Film „Isle of Dogs“ 2018 die Berlinale eröffnete, kam sie wieder im Abspann vor, denn auch für diesen Film hatte sie die rechtlichen Vorarbeiten geleistet. Wie vielfältig das Projekt war, beschrieb Jeremy Dawson beim Berlinale-Event in ihrer Kanzlei. Über 200 Menschen aus 20 Ländern arbeiteten zwei Jahre lang zusammen.

In der Zeit wurden sieben Hochzeiten gefeiert, fünf Kinder geboren und 1000 Hundepuppen gebaut. Bei der Diskussion ging es eigentlich um Animation im Film. Einen Tag nach der Eröffnung hatte sie dazu geladen und trug selbst ein schickes, kurzes Kleid bedruckt mit den Köpfen edler Hunde. Sie kleidet sich auch gern in leuchtenden Farben: „Muss am Thema Film liegen.“

Das kann natürlich auch mit ihrer privaten Leidenschaft zu tun haben, der Kunst. Bei einem Berlinale-Empfang im Schicksalsjahr 2000 lernte sie ihren Ehemann kennen, René Scharf. Nach 20 Jahren als Kunsthändler in New York war er gerade zurückgekehrt an die Spree. Gemeinsam mit ihm hat sie ihr Wissen über Kunst vertieft. „Man lernt dadurch auch sehr interessante Menschen kennen.“

„Man hat die Kunst nie für sich“

Auf seine Familie geht die Sammlung Scharf-Gerstenberg zurück, die Urgroßvater Otto Gerstenberg einst begonnen hat. „Man hat die Kunst nie für sich“, hat Stützle gelernt. Es könne bereichernd sein, Werke in Ausstellungen als Leihgabe zur Verfügung zu stellen. „Schließlich sieht man sie dann in immer neuen, größeren Zusammenhängen.“ Widmet sie sich den schönen Künsten, trägt sie den Namen ihres Mannes, der auch im Personalausweis steht. Für den Berufsalltag hat sie ihren in der Branche eingeführten Mädchennamen beibehalten.

Wie sie nach dem Abitur auf der katholischen Mädchenschule in Mainz darauf kam, Jura zu studieren? „Ich konnte schon immer gut strukturiert denken“, sagt sie schlicht. Ihre eigentliche Berufung entdeckte sie im Referendariat in Leipzig. Dorthin zog es sie wegen der sächsischen Mentalität. Sie mochte diese „positiv denkenden netten Machertypen“.

Das Projekt eines großen Senders führte sie zum ersten Mal in ihrem Leben nach Los Angeles. Auch hier stieß sie auf einen Menschentypus, der ihr lag, „auf positive Visionäre, die an eine Idee gegen alle Widerstände so lange glauben, bis sie umgesetzt ist“. Nun hatte sie ihr künftiges Spezialgebiet gefunden.

In jeder Phase eines Films muss man Widerstände aus dem Weg räumen

Widerstände aus dem Weg zu räumen, gilt es in jeder Phase eines Films, bei der Finanzierung ebenso wie bei der Herstellung und später beim Vertrieb. Dass seit ihren Anfängen auf diesem Gebiet die Filmförderung geändert wurde und etwa Vergünstigungen daran geknüpft sind, dass ein Film auch hier im Lande gedreht wird, hielt sie für eine Verbesserung. Das brachte viele Produktionen nach Deutschland, auch nach Babelsberg.

Mehrmals im Jahr ist sie in Los Angeles und selbst wenn nicht, bestimmt der Zeitunterschied von neun Stunden ihren Tagesablauf. „Glücklicherweise bin ich keine Frühaufsteherin“, lächelt sie. Ihre Mails werden, das weiß sie, frühestens gegen 18.30 Uhr gelesen. Dass zeitnah Antworten auf Fragen erwartet werden, ist klar.

Manchmal braut sich unerwartet ein Gewitter zusammen. In einem Kinderfilm, der an der Ostsee gedreht worden war, kam ganz im Hintergrund ein FKK-Strand vor. Erst hatte der Film allen gefallen, plötzlich gab es große Aufregung. Am Ende konnte aber auch dieses Problem gelöst werden. Die jungen Darsteller hatten nichts Schlimmes gesehen, und auch die Zuschauer konnten bewahrt werden vor verstörenden Szenen.

Aus dem Besprechungsraum geht der Blick weit über den Potsdamer Platz. Inzwischen arbeiten 35 Anwälte in der Kanzlei, 100 Mitarbeiter gibt es insgesamt in Berlin. Nicht alle sind auf Filme und Medien spezialisiert, andere kümmern sich um Steuer- und Gesellschaftsrecht oder Immobilienrecht. Weltweit sind über 1000 Anwälte für Morrison und Foerster tätig. Einen Schwerpunkt setzt die Kanzlei in Asien.

Die Kanzlei ist global vernetzt – so kann man auch in Tokio um Rat fragen

Die globale Vernetzung kommt Stützle in Zeiten des raschen Wandels durchaus zupass. Es ist nützlich, wenn man mal eben Kollegen um Rat fragen kann, die etwa an der Universität in Tokio Filmrecht lehren oder sich in New York aufs Persönlichkeitsrecht spezialisiert haben.

Sie ist äußerst zurückhaltend, wenn es darum geht, Kunden namentlich zu nennen. Einige sind aber sowieso bekannt durch die Filme, bei denen sie in dieser oder jener Phase unter anderem involviert war. Dazu zählen George Clooneys „The Monuments Men“ und „Die Bücherdiebin“ von Brian Percival.

Auch in diesem Jahr hat sie für ihre Berlinale-Veranstaltung wieder ein hochkarätiges Podium zusammenbekommen. Es geht unter dem Titel „Film Goes Green“ um Nachhaltigkeit. Der Welt-Chef der amerikanischen Motion Pictures Association (MPA), Charles Rivkin, hält die Grundsatzrede.

Privat erholt sie sich gern bei langen Spaziergängen mit ihren Hunden, einem Black Retriever und einem Rauhaardackel im Grunewald. Oder eben beim Betrachten von Bildern. Besonders solchen, die sich nicht bewegen.

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