Suche nach Blindgängern im Tesla-Wald: Wenn Bombensucher die Motorsägen anwerfen
Kampfmittelbeseitiger suchen lärmend nach Blindgängern in dem Waldstück, in dem Tesla seine Fabrik bauen will. Dabei ist der Deal noch nicht besiegelt.
Nach den ruhigen Feiertagen sucht die Gemeinde Grünheide östlich von Berlin einen möglichst geordneten Start in das Jahr, das als das bewegendste in ihre Geschichte eingehen dürfte – rund 450 Jahre nach der ersten urkundlichen Erwähnung. In wenigen Monaten will der US-Elektroautobauer Tesla hier mit dem Bau seiner „Gigafactory“ beginnen.
Auf dem Marktplatz ist an diesem trüben Montagmorgen von den 30 Parkplätzen lediglich einer frei – der mit der Ladesäule für E-Autos. Ein Arbeiter steigt auf eine Hebebühne, um die Lichterkette an der etwa fünf Meter hohen Tanne abzurollen. Im Schaukasten vor dem Rathaus hängt ein offener Brief. Darin warnt Bürgermeister Arne Christiani davor, mit Blick auf Tesla „unsere einmalige Chance“ durch „übereilten Aktionismus und Spekulationen“ zu gefährden.
In vielen Büros in seinem Amt brennt derweil schon Licht als um 9 Uhr ein wichtiger Verwaltungsakt im Genehmigungsverfahren vollzogen wird: Im zweiten Stock hat jemand fünf schwere Aktenordner voller Unterlagen rund um die geplante Fabrik auf einen Tisch im Flur gestellt.
Bürger können Einwände gegen Gigafactory von Tesla einlegen
Unter Aufsicht eines Mitarbeiters der Gemeinde darf jede und jeder Interessierte in rund 2000 Seiten Papier blättern und fein gefalteten Pläne studieren – oder sich ein Exemplar der 49-seitigen Zusammenfassung mitnehmen. Mit dieser Veröffentlichung der Unterlagen, die offenbar nur zum Teil im Internet verfügbar sind, beginnt die einmonatige Einwendungsfrist, in der Bürger ihre Einwände gegen das Projekt einreichen können. Die Papiere liegen auch in Ämtern der Gemeinden Frankfurt (Oder), Spreehagen und Erkner aus.
In Grünheide stand am Montagmorgen zunächst niemand Schlange vor den Akten. Darin findet man Flurkarten, schematische Darstellungen der Brandschutzanlage, Listen, in denen Stoffe aufgeführt sind, die in der Fabrik verwendet werden sollen – und die Umwelt schaden könnten, sollten sie ins Wasser gelangen: Rostschutzmittel, Frostschutzmittel, Kleber, Versiegler, Hydrauliköl, Epoxidkleber, Thermoharz, Schwefelsäure und vieles mehr.
Alle Stoffe würden gemäß der entsprechenden Verordnung gelagert, zudem werde die Anlage mit „Auffangmöglichkeiten für im Störungsfall austretende Stoffe ausgerüstet“ werden, steh da. Insbesondere mit Blick auf das Trinkwasserschutzgebiet in dieser Gegend seien für die Lagerung von Gefahrstoffen „Sicherungsmaßnahmen über die technischen Standards hinaus geplant“.
Zwar scheint das Projekt in der Region mehrheitlich begrüßt zu werden, aber speziell beim Thema Wasser könnte es Widerstand in der Region geben. Im nahen Wasserwerk Erkner hatte man bereits darauf hingeweisen, dass man in den vergangenen Hitzesommern an die Kapazitätsgrenze gelangt war – also womöglich keine derart durstige Fabrik versorgen kann.
In den Unterlagen ist aber auch aufgeführt, was die Politiker in Gemeinde, Land und im Bund vorrangig lockt: Die Industriejobs, die Tesla in der eher strukturschwachen Region schaffen will. Demnach sollen in dem 744 Meter langen und 312 Meter breiten Gebäude ab 2021 rund 120 Menschen in der Kunststofffertigung arbeiten, 175 bei den Sitzen, 300 für die Antriebe, 400 an den Batterien, 800 in der Verwaltung und den Büros und sogar rund 1200 in der Endmontage der Fahrzeuge.
In Grünheide hört man schon die Kettensägen
Insgesamt sucht Tesla also rund 4000 Beschäftigte – wenn alles glatt geht. In wenigen Tagen wolle der Tesla-Vorstand in Kalifornien über den Kaufvertrag für das Grundstück entscheiden, hieß es am Montag bei der Landesregierung in Potsdam. Am Donnerstag solle auch der Haushaltsausschuss des Landtages dem Geschäft zustimmen.
Auf dem Gelände selbst, das etwa sechs Kilometer südlich des Rathauses von Grünheide liegt, hört man schon jetzt Kettensägen im Wald kreischen. Es würden aber nur tote Äste entfernt, die auf die Arbeiter stürzen könnten, die hier nach Blindgängern aus dem Zweiten Weltkrieg suchen, heißt es. Mehrere Firmen zur Kampfmittelbeseitigung lassen ihre Leute mit Sonden, die Metalle in bis zu sechs Metern Tiefe im Boden erkennen, durchs Gehölz wandern. Am Montag stellte eine Firma auch erste Container für Pausen und mobile Toiletten für die Arbeiter in Teslas Vielleicht-Bald-Wald auf.
Organisiert und überwacht wird die Aktion von den Landesbetrieben Forst Brandenburg, wo man beteuert, dass hier nichts geschieht, was nicht rückgängig zu machen wäre, sollte der Deal wider erwarten noch platzen. Die Gefahr, hier noch Explosives zu finden, scheint real. Anders als im nahen Halbe gab es auf dem Gelände kurz vor Kriegsende 1945 zwar keine größeren Kämpfe zwischen anrückender Sowjetarmee und der Wehrmacht.
Allerdings könnten Bomber, die in den letzten Kriegstagen noch eine Rüstungsfabrik im benachbarten Erkner zerstören wollten, überschüssige Bombenlast auf dem Rückweg über dem unbewohnten Forst abgeworfen haben. An ruhigen Winterschlaf ist in diesem Waldstück schon nicht mehr zu denken. Immerhin verspricht Tesla an anderer Stelle die Aufforstung einer drei mal so großen Ausgleichsfläche.