Rassistische Reaktionen auf Coronavirus: Wenn Asiaten niesen, sucht ihr das Weite
Tagesspiegel-Autor Marvin Ku erlebt in Berlin Rassismus, seit sich das Coronavirus ausbreitet. Menschen gehen weg von ihm. Was soll das?
Wo kommst du her? Diese Frage höre ich öfter. „Nordhessen“, sage ich an schlechten Tagen. An guten: „Meine Familie kommt aus Shanghai, meinst du das?“ Meistens ist die Reaktion so: Oh, ach ja, das ist ja interessant. Nur jetzt löst die Antwort bei einigen etwas aus, als hätte ich ihnen ins Gesicht gehustet. Der Grund ist das Coronavirus. Seit es über den Globus streut, breitet sich gleichzeitig auch der Rassismus gegen jeden aus, der „asiatisch” aussieht.
Vor einigen Tagen war ich im Berliner Zoo, eine Recherche zu den Pandababys. Als ich eine Mitarbeiterin ansprach, trat sie zwei Schritte zurück und schaute irritiert. Erst dachte ich, ich sei ihr zu dicht auf die Pelle gerückt, nicht nur mit den Fragen, auch körperlich. In der nächsten Viertelstunde habe ich das mehrmals wiederholt. Sie wich immer wieder zurück.
Als ich einen anderen Mitarbeiter ansprach, murmelte er nur eine knappe Antwort, drehte sich dann kommentarlos um und ging. Kein „Tschüss!“, kein „Das weiß ich leider nicht”, selbst ein „kein Bock auf die Presse“ hätte ich noch weggesteckt. Er wollte einfach, so wirkte es, ganz, ganz schnell weg von mir. Und ich hörte, wie seine Kollegin ihn noch fragte: „Haste ooch Angst, dich mit Corona anzustecken?"
Ich habe die beiden nicht konfrontiert. In diesem Moment war mir nicht bewusst, in welchem Kontext das war. Ja, das Coronavirus tobt gerade in China. Mehr als 9500 Infizierte, über 200 Tote, die Weltgesundheitsorganisation hat den Notstand ausgerufen. Auch der Großteil meiner Familie lebt dort, in Shanghai: Onkel und Tante, Cousinen und Cousins. Erst Stunden später verstand ich: Weil ich eben chinesisch aussehe, galt ich für die beiden als Risiko.
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So geht es gerade vielen Leuten mit chinesischem Hintergrund. In Japan trendet der Hashtag auf Twitter #ChineseDon’tComeToJapan. In Singapur forderten Zehntausende in einer Petition ein pauschales Einreiseverbot für Chinesen. In Frankreich titelte eine Zeitung „Alerte jaune“, gelber Alarm. Daneben das Foto einer Chinesin mit Schutzmaske.
Chinesen werden aufgefordert, Schutzmasken zu tragen
Oder das Twitter-Video aus einem Zug in Frankreich: Darin sitzt eine Frau mit asiatischem Wurzeln und tippt auf ihrem Handy, während sich die Passanten gegenüber tief in ihre Sitze drücken, die Schals und Kragen hochziehen. Zahlreiche Chinesinnen und Chinesen wurden beleidigt oder aufgefordert, Schutzmasken zu tragen.
Auch eine Tagesspiegel-Kollegin mit chinesischem Hintergrund erzählte, dass sich bereits Leute in der U-Bahn weggesetzt haben. Auf Twitter reagierten viele Chinesinnen mit dem Hashtag #JeNeSuisPasUnVirus: „Ich bin kein Virus“.
Der Rassismus ist vor dem Virus da
Auch wenn sich die Krankheit in Deutschland noch nicht arg verbreitet hat, ist der Rassismus schon da. Die „Bild“ fragte in zwei Artikeln: Darf ich noch Glückskekse essen? Oder Pakete aus China annehmen? Klar, will man sich nicht anstecken. Sicherheit gegen pauschale Stigmatisierung, das ist vermeintlich die Zwickmühle.
Doch einfach alle Chinesen zu meiden, nicht mehr chinesisch Essen zu gehen, keine Pakete aus China zu bestellen, ist weder Heilmittel noch Prävention. Nicht jeder, der vermeintlich chinesisch aussieht, ist Chinese. Nicht jede Chinesin war in letzter Zeit in China. Nicht jeder Chinese, der tatsächlich dort war, ist vollgepumpt mit Viren.
Und ja, auch der biodeutsche Kollege, der geschäftlich in Shanghai, Singapur oder im bayerischen Starnberg war, könnte angesteckt sein. Wenn der im Büro niest, wünscht man Gesundheit. Wenn Asiaten niesen, sucht man das Weite. So fühlt es sich an. Und das ist rassistisch. Der beste Schutz gegen das Virus ist immer noch Händewaschen und Sensibilität. Praktisch, dass letzteres auch gegen Rassismus hilft.