Pandazwillinge im Berliner Zoo: Der Knut-Effekt bleibt aus
Seit Donnerstag können Zoobesucher die Pandajungen bestaunen. Doch der Ansturm blieb erst einmal aus – genau wie deren Showqualitäten.
So richtig Bock hat er nicht. Der kleine Pandabär liegt auf einem Holzstapel und lässt seine Beine herunterbaumeln, sein Gesicht drückt er flach auf einen Baumstamm, als sei er, völlig betrunken von seinem Ruhm, einfach vornübergefallen. Pit ist völlig fertig. Das heißt: vermutlich ist es Pit, so genau weiß das hier keiner. Pit, sagt man, sei der Ruhigere der Pandazwillinge.
Eigentlich heißt Pit Meng Xiang, chinesisch für „ersehnter Traum“. Auch für die etwa 40 Journalisten, Fotografen und Besucher wäre es sicher ein ersehnter Traum, würde sich Pit, würde sich irgendetwas in diesem Gehege mal bewegen. Erwartungsvoll halten sie ihre Kameras auf den kleinen Panda, fotografieren und filmen.
„Wo is’n der Zweete?“, kräht eine Besucherin. Die Mutter Meng Meng ist nicht zu sehen. Eigentlich soll sich Pits Bruder Paule, Meng Yuan („erfüllter Traum“), auch irgendwo hier aufhalten. Die Mutter habe ihn vor etwa einer Stunde in einem Loch in der Mitte des Geheges abgesetzt, sagt ein Fotograf, seitdem ward er nicht mehr gesehen.
Zoo im Sonderbetrieb, aber der Ansturm bleibt aus
An diesem kalten Donnerstagvormittag im Berliner Zoo kriecht der Wind unter den Schal in den Körper, es regnet und nieselt, also alles so wie immer. Eigentlich rechnete der Berliner Zoo mit einem großen Andrang. Mittwoch belagerten bereits Journalisten das Pandagehege, der Zoodirektor Knierim sprach von einem vollen Erfolg.
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Nun können auch alle anderen Besucher das Pandababy-Duo Meng Xiang und Meng Yuan, besser bekannt als Pit und Paule, bestaunen. Der Zoo richtete mehrere zusätzliche Kassen ein und schickte eine Meldung raus, man solle doch besser die Tickets im Internet bestellen, um die Schlange zu umgehen. Nur gibt es vor dem Zoo keine Schlange.
„Das ist ein bisschen dem Wetter geschuldet“, sagt ein Ticketkontrolleur. Gestern sei es richtig voll gewesen mit der Presse. An normalen Wintertagen kämen 2000 bis 3000 Leute. Aber das Wetter jetzt sei ja auch ganz vorteilhaft: Es gibt keinen Andrang. „Heute Morgen, vor neun Uhr, standen hier etwa 15 Leute“, sagt er und scannt die Tickets einer Seniorengruppe. „War eine gute Idee, jetzt zu kommen“, ruft eine der Seniorinnen, elf sei sonst gar nicht ihre Uhrzeit.
„Im Affenhaus ist mehr los“
Falls der Ansturm doch noch kommt, hat sich auch der Zoo-Shop vorbereitet. Es gibt Pandamagnete und Plakate, Hausschuhe in Panda-Optik und Panda-Pralinenschachteln. „Es gibt kaum ein Kind, das ohne Panda aus dem Laden geht“, sagt Michele Magnor. Sie ist verantwortlich für das Merchandising. „Jetzt geht es erst los. Und wir sind gewappnet.“
Eine lange Absperrung wie am Flughafen soll den Ansturm vor dem „Panda Garden“ sortieren, vier Ordnungskräfte vom Zoo stehen davor. Heute zumindest muss aber niemand anstehen. Junge und Alte, Kinderscharen und Besucher im Rollstuhl schlängeln sich durch das Absperrband.
Der Vater der Zwillinge, Jiao Qing, lebt in einem seperaten Gehege nebenan, die Besucher aber hasten weiter zu den Kleinen, schießen ein Foto und gehen wieder. Zwei Journalisten haben schwere Kameras auf Stativen aufgebaut, die durchgehend das Gehege filmen. Andere laufen mit ihren Objektiven herum, stellen sich mal an die linke Scheibe, mal an die rechte, um ja keine Bewegung zu verpassen. Aber Pit pennt.
„Im Affenhaus ist mehr los“, sagt Christa, eine Besucherin. Sie hat heute Geburtstag. „Hier gibt’s ja auch nicht viel zu sehen“, sagt Rainer, ihr Mann. Seit 20 Jahren waren sie nicht mehr im Zoo. Den Rummel um Knut den Eisbär haben sie verpasst, die Pandababys wollen sie sich nicht entgehen lassen. „Aber es ist schon relativ langweilig“ sagt Rainer und schaut auf die unveränderte Szenerie. Vor einer Stunde waren sie schon mal da. Da hat Pit sich gedreht. „Immerhin kann er seine Schlafposition verändern.“
Gemächlicher Auftakt der Tiere
Eine Journalistin klettert auf eine Steinerhebung. „Das ist natürlich auch kein schönes Bild, wenn der da so liegt, ne?“, sagt sie und klettert wieder herunter. Dann passiert plötzlich sehr viel: Pit hebt den Kopf, schaut bedröppelt, wie ein müder Rockstar hebt er die Pfote; vielleicht winkt er? Vielleicht zeigt er auch einfach, dass er seine Ruhe haben will. „Er bewegt sich! Eine kleine Kugel“, ruft ein Kameramann.
Gleichzeitig kommt Meng Meng nach vorn getrottet. Die Kameras schwenken abwechselnd, fast hektisch, auf sie und Pit. Ein Pfleger kommt aus einer Tür, schleppt einen Strauch Bambus rein und verteilt Apfelstücke im Gehege. Die Mutter klettert über Holzstapel, hin zum Loch in der Mitte. Sie zieht ein paar Sträucher Bambus zu sich und versteckt sich damit hinter der Steinmauer wie hinter einem Schützengraben. Als wolle sie sagen: Es wird ein langer Tag.