Streit um Steuervergünstigungen: Welche Vereine sind denn jetzt noch gemeinnützig?
Der Bundesfinanzhof hat aktivistischen Gruppen Steuervorteile gestrichen. Olaf Scholz will reine Männervereine nicht mehr begünstigen. Viele sind verunsichert.
Beunruhigt sind viele Vereine und gemeinnützige Organisationen aktuell über zwei Gerichtsurteile. Erst hatte der Bundesfinanzhof, das oberste deutsche Steuergericht, den Globalisierungskritikern von Attac die Gemeinnützigkeit entzogen, nun traf es die Klimaaktivisten von „Campact“. Der Verein verliert nach dem Willen des Berliner Finanzamts die steuerbefreiende Gemeinnützigkeit, weil er „überwiegend allgemeinpolitischer Betätigung nachgegangenen ist“.
Was bedeutet das für Vereine und Organisationen, die mit ihrer Arbeit auch allgemeine politische Ziele verfolgen? Müssen Vereine, die sich politisch ausdrücklich gegen Rechtsradikalismus, Rassismus oder Antisemitismus engagieren, ebenfalls um die Gemeinnützigkeitsstatus bangen? Sind stattdessen künftig nur noch explizit unpolitische Sportvereine, Faschingsfreunde oder die Lebensretter von der DLRG gemeinnützig und damit steuerbefreit? Allerdings ist auch zu hören, dass in einem anderen Bundesland einem Sportverein vom Finanzamt mit dem Entzug der Gemeinnützigkeit wegen Verstoßes gegen den Satzungszweck gedroht wurde, weil der Sportverein vor einiger Zeit eine Theatergruppe gegründet hatte.
Finanzminister Scholz will reine Männervereine nicht mehr begünstigen
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat nach der Campact-Entscheidung bereits angekündigt, sich des Themas anzunehmen. "Vereine, die grundsätzlich keine Frauen aufnehmen, sind aus meiner Sicht nicht gemeinnützig", erklärte er nun: "Wer Frauen ausschließt, sollte keine Steuervorteile haben und Spendenquittungen ausstellen." Es gebe "deutschlandweit Hunderte Vereine wie Schützengilden oder Sportclubs, die ausschließlich Männer zulassen", sagte Scholz. Mit dem Thema hatte sich auch schon der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung im Jahr 2017 befasst: Demnach war eine Freimaurerloge, die Frauen von der Mitgliedschaft ausgeschlossen hatte, nicht gemeinnützig. Das hat natürlich erhebliche Unruhe ausgelöst.
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Es ist aber auch nicht einfach. Im Gemeinnützigkeits-Gesetz ist nämlich ein ausschließlich politischer Aktionismus nicht vorgesehen; das soll den Parteien vorbehalten sein. Wer jetzt eine dahingehende Gesetzesänderung fordert, sollte sich klarmachen, dass davon auch rechte Gruppierungen wie Pegida profitieren würden. Wollen wir das? Es könnte deshalb sein, dass ein anderer Weg erfolgreicher ist.
Familienministerin Giffey plant einen Demokratieförderungsgesetz
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) will weg von der derzeit nur möglichen modellhaften und zeitlich begrenzten Förderung von antirassistischen und antisemitischen Initiativen und Gruppen und plant dazu ein Demokratieförderungsgesetz. Das würde eine dauerhafte Finanzierung von solchen Initiativen ermöglichen, die sich für eine starke Demokratie und für Toleranz einsetzen. Könnte sein, dass für solche Gruppierungen die Frage der Gemeinnützigkeit mit Blick auf die Vorteile einer steuerlichen Freistellung an Bedeutung verliert.
Gruppen wie Attac oder Campact müssen eventuell schauen, ob sie ihre Aktivitäten aufspalten in jene, die den Gemeinnützigkeitsregeln entsprechen und solche Projekte, bei denen sie ausschließlich auf die Spenden-Bereitschaft ihrer Mitglieder und Sympathisanten setzen müssen. Dafür gibt es auch jetzt schon Beispiele; etwa das linke Berliner „Netzwerk“, dass schon seit vielen Jahren bei der Projekteförderung so verfährt.