Gerichtsprozess um Entführer vom Storkower See: Weiter Chaos im Prozess um den "Maskenmann"
Im sogenannten „Maskenmann“-Prozess zweifeln nun auch eine Kriminalbeamtin und zwei Polizeitaucher am Ablauf der Entführung. Es wird immer mehr Kritik an den damaligen Soko-Chefs laut.
Der sogenannte „Maskenmann“-Prozess über die Überfälle auf zwei Berliner Millionärsfamilien in Bad Saarow und Storkow lässt immer mehr Zweifel an der Kompetenz der Polizeiführung in Frankfurt (Oder) aufkommen. Am nunmehr 47. Verhandlungstag gab die 36-jährige Kriminalbeamtin Yvonne B. erneut teilweise erschreckende Einblicke in die Arbeit der eigens gebildeten Sonderkommission (Soko). Insbesondere zur mutmaßlichen Entführung des Investmentbankers Stefan T. aus seiner Villa am Storkower See im Oktober 2012 seien von der Führung kritische Fragen überhaupt nicht zugelassen worden. „Einem Herrn T. mit diesem finanziellen Hintergrund stellt man solche Fragen nicht, hatte der Chef der Soko gleich am Anfang beschieden“, sagte die Polizistin aus der Führungsabteilung. Ihr selbst sei nach den ersten Vernehmungen des Opfers und dem Studium der Ermittlungsakten nur ein Satz eingefallen: „So ein Quatsch, das geht ja gar nicht.“ Selbst der Soko-Chef habe sich anfangs dieser Meinung angeschlossen, sich dann aber wenig später offenbar auf höhere Weisung ganz anders verhalten.
Wie berichtet, zweifelten mehrere damals mit dem Entführungsfall betraute Beamte den vom Opfer geschilderten Tathergang an. Nach eigenen Angaben hatte sich Stefan. T. nach 33 Stunden von einer winzigen Schilfinsel selbst befreien können. Der Angeklagte Mario K. soll von ihm eine Million Euro erpresst haben wollen. „Dabei hafteten in der ersten Vernehmung an ihm keinerlei Reste des Klebebandes und kein Schmutz, er wies keine Verletzungen auf, war nicht traumatisiert und hatte fünf Erpresserbriefe völlig trocken in seiner Jogginghose“, zählte Yvonne B. ihre Zweifel auf. „Dabei hatte er gesagt, dass er auf seiner Flucht ins Wasser gefallen war.“
Die Soko-Chefs hatten sich von Anfang an festgelegt
Doch genau wie über eine mögliche Vortäuschung der Entführung sei auch gegen andere Verdächtige nicht ermittelt worden. Die Soko-Chefs hätten sich von Anfang an auf den späteren Angeklagten Mario K. festgelegt. „Es gab aber zum Beispiel auch einen Polizisten, der Dreck am Stecken hatte und deshalb kurz zu den Verdächtigen gehörte“, formulierte die Beamtin. „Aber wir hatten die Weisung, nicht gegen andere Personen zu ermitteln.“
Zusätzlich habe die Polizeiführung eine „Verschwiegenheitsverpflichtung“ von Soko-Mitgliedern gefordert. „So etwas hat es vorher noch nie gegeben“, erklärte Yvonne B.. Sie selbst wollte nach dem „unbefriedigenden Zustand“ auf eine andere Dienststelle wechseln. In einem Gespräch darüber mit dem Soko-Chef Anfang dieses Jahres habe der selbstkritisch eingeschätzt: „,Das Bild der Polizei in der Presse ist unter aller Sau’, sagte er zu mir“. Dabei habe er den „Maskenmann“-Prozess gemeint. Inzwischen hat sie den Versetzungsantrag wieder zurückgezogen.
Andere kritische Polizisten hatten vor Gericht auf den hohen Erfolgsdruck der Polizeiführung hingewiesen. Diese hätte in diesen für Brandenburg einmaligen Fällen unbedingt einen Täter präsentieren wollen, hieß es von ihnen. Bisher gibt es in diesem reinen Indizienprozess keinen einzigen Beweis für die Täterschaft des angeklagten Mario K. aus Berlin, der nach monatelanger Observierung im September 2013 festgenommen worden war.
Zwei Polizeitaucher schilderten nun das mutmaßliche Versteck des Entführungsopfers am Storkower See als „Sumpf mit mehreren 1,50 Meter tiefen Wasserlöchern“. Ein Vorwärtskommen sei schwer möglich. Man könne sich hier lediglich im Taucheranzug fortbewegen und sich nur an Seilen festhalten, um sich nicht in Lebensgefahr zu begeben, erklärten sie. Eine Wathose allein genüge nicht. Dem widerspricht aber die Aussage von Stefan T., der mit seinem mit einer Wathose bekleideten Entführer nur im Wasser gelaufen sein will.
Claus-Dieter Steyer