Martenstein über Gesinnung: "Was ist Ihre sexuelle Orientierung?"
In Bewerbungsgesprächen ist die Frage nach der sexuellen Orientierung verboten. Doch der Senat fragt nun Berlins Lehrer danach. Unser Kolumnist wiederum fragt sich: Was soll das?
Die Berliner Regierung hat eine Umfrage gestartet, um die Gesinnung der Lehrer zu genderpolitischen Fragen auszuforschen. Federführend ist die private Sigmund-Freud-Universität, gefragt wird nur an ausgewählten Schulen. Im Anschreiben heißt es: „Die Teilnahme ist freiwillig, wird aber von der Senatsverwaltung ausdrücklich gewünscht.“
Alle Lehrer sollen detaillierte Angaben zu ihrer Person machen, Schultyp, Adresse der Schule, Alter, Dienstjahre, von Anonymität kann nicht die Rede sein. Die Uni sagt, dass sie die individuellen Daten nicht an ihren Auftraggeber weitergibt, da muss man wirklich viel Vertrauen aufbringen.
Die Fragen klingen zum Beispiel so: „Wie oft haben Sie Geschlechterrollen hinterfragt? Wie oft haben Sie Materialien verwendet, in denen Personen vorkamen, die Geschlechterstereotypen widersprachen, zum Beispiel Mädchen, die Fußball spielen? Sollte sexuelle Vielfalt thematisiert werden?“ Und: „Was ist Ihre sexuelle Orientierung?“
Was den Arbeitgeber nichts angeht
Die Frage nach der sexuellen Orientierung ist in Bewerbungsgesprächen zu recht verboten. Das geht den Arbeitgeber generell nichts an. Nun aber haben wir es mit einem Senat zu tun, der „ausdrücklich wünscht“, über die sexuellen Präferenzen seiner Lehrerschaft informiert zu werden, zumindest generell, die individuelle Ausforschung wäre kinderleicht. Auch „ausdrückliche“ Fragen nach der Gesinnung eines Lehrers entsprechen nicht dem, was bisher in demokratischen Gesellschaften üblich war.
Der Staat hat das Recht, Bildungsziele vorzugeben, etwa die Erziehung zu Toleranz und Respekt, ein gutes Ziel. Die Lehrer müssen sich danach richten. Was sie privat denken, ist ihre Sache. Und es darf in der Schule über alles diskutiert werden, was in der Gesellschaft strittig ist.
Datensammlungen mit "Missbrauchspotzenzial"
1976 wurde von den deutschen Bildungspolitikern aller damals relevanten Parteien der „Beutelsbacher Konsens“ vereinbart, er gilt bis heute: „Lehrkräfte dürfen Schülern nicht ihre Meinung aufzwingen. Was in der Politik kontrovers ist, muss auch im Unterricht kontrovers erscheinen.“ Was man nie wieder zulassen darf, sind Schulen, an denen nur eine einzige Art des Denkens gelehrt wird, so etwas hatten wir in Deutschland schon mehrmals.
Wenn so ein Fragenkatalog aus der entgegengesetzten politischen Ecke käme, würden linke Parteien von einem Skandal sprechen. Bei der vergleichsweise harmlosen Volkszählung protestierte die Linke dagegen, dass Menschen über ihren Migrationshintergrund Auskunft geben sollten, solche Datensammlungen hätten „hohes Missbrauchspotential“, auch wenn die Antwort „als freiwillig gekennzeichnet ist“.
Frage: Was soll eigentlich mit den Daten über die sexuelle Orientierung der Berliner Lehrer passieren? Wozu braucht man die? Was ist das Ziel?
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