Einschulung in Berlin: Globale Konflikte machen vor der Schule nicht halt
Weltweite Krisen werden in den Klassen immer präsenter. Das ist eine Herausforderung für die Schüler - und die Lehrer. Ein Kommentar.
Am Samstag feiern mehr als 32 000 Erstklässler in Berlin ihre Einschulung. Am Montag steht für sie der erste echte Schultag an. Ohne die Eltern, ganz allein, ein erster, großer Schritt in Richtung Unabhängigkeit. 32 000 Mal unbändige Neugier, grenzenlose Wissbegierde und das erhebende Gefühl, endlich nicht mehr zu den Kleinen zu gehören. Einer der aufregendsten Tage ihres bisherigen Lebens. Die Einschulung bedeutet auch für die Eltern einen Einschnitt. Sie müssen lernen, mehr als in der Kita loszulassen, die Verantwortung mit den Lehrern zu teilen. Das fällt schon in normalen Zeiten schwer.
Von normalen Zeiten kann aber nicht die Rede sein: Im Konflikt um Nordkorea wird über den Einsatz von Atombomben diskutiert, der Klimawandel treibt immer gefährlichere Wirbelstürme an, der Terror dringt auch in den deutschen Alltag ein und Menschen fliehen aus Kriegsgebieten nach Europa. Können Eltern und Schule die Grundschüler von diesen furchteinflößenden Ereignissen fernhalten? Sollten sie es überhaupt versuchen?
Nein, es stimmt zwar, dass die Schule ein geschützter Raum sein soll, wo sich die Kinder sicher fühlen und gerne hingehen. Es ist aber eine Illusion, zu glauben, dass man die reale Welt aus dem Schutzraum Schule heraushalten kann. Über Tablet oder Smartphone, über aufgeschnappte Unterhaltungen, Bilder im Fernsehen oder in der Zeitung werden selbst die Kleinsten immer früher mit den Katastrophen dieser Welt konfrontiert. Als syrisches Flüchtlingskind können die Folgen eines Bürgerkriegs auch direkt neben ihnen in der Klasse sitzen.
Weltkonflikte sind heute auch in der Schule immer präsenter
Wie Lehrer und Erzieher im Unterricht mit diesen globalen Konflikten umgehen, ist eine große pädagogische Herausforderung. Die Weltkonflikte zu negieren, von den Kindern fernzuhalten, ist ebenso falsch wie die Kinder mit ungeschminkten Schrecknissen zu quälen, die die Kleinen überfordern. Verschweigen verschlimmert das Problem, weil das Kind aus dem Verhalten der Erwachsenen ableitet, dass die eigene Angst begründet ist, da die Erwachsenen es ja offenbar genauso empfinden. Auf das Geschick des Lehrers kommt es also an.
Denn richtig ist auch, dass die Kinder den Umgang mit der Angst erlernen und eigene Bewältigungsstrategien ausprobieren können. Das heißt im Umkehrschluss nicht, dass Eltern und Lehrer den Kindern vermeintlich abschließende Lösungen präsentieren sollen für komplexe Probleme und Fragen, die sie sich selbst noch gar nicht beantworten können. Stattdessen müssen sie die Sorgen der Kinder ernst nehmen, sollen aber auch offen eingestehen dürfen, dass sie ebenfalls Ängste haben und nicht auf alle Fragen eine Antwort wissen.
Ein guter Lehrer steht im Dialog mit seinen Schülern
Das macht aber, unabhängig von der politischen Weltlage, ohnehin einen guten Lehrer aus. Dass er im Dialog steht mit seinen Schülern, sie ermutigt, Fragen zu stellen, sich auch selbst hinterfragt, sich fortbildet oder externe Experten hinzuzieht, wenn er an seine eigenen Grenzen kommt. Insofern ist es ein gutes Zeichen, dass an Berliner Schulen demnächst Internet-affine Junglehrer ihre Arbeit als „Digitalbotschafter“ aufnehmen, die Lehrer und Schüler für die Herausforderungen in der digitalen Welt sensibilisieren sollen.
Wenn es mit einem solchen Lehransatz gelingt, kritische Frager groß zu ziehen, die in der Schule erfahren, wie befriedigend und motivierend es ist, die passenden Antworten selbstständig zu finden, dann ist schon viel erreicht.
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