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Elf Berliner Politiker sitzen im EU-Parlament.
© dpa

Brüssel: Was die elf Berliner Politiker im Europaparlament machen

Seit einem Jahrt sitzen elf Berliner Politiker im Europaparlament. Was machen die da eigentlich? Sich für Gurkenkrümmung einsetzen und Currywurst vermissen.

Elf Politiker aus Berlin schafften vor einem Jahr den Sprung ins EU-Parlament: vier Grüne, zwei AfD-Mitglieder, je ein Mitglied der CDU, SPD, Linken, der NPD und der „Partei“. Martin Sonneborn ist der Bundesvorsitzende der Satire-Partei und war Europa-Spitzenkandidat. Für den Europa-Neuling ist der „Haufen verhaltensauffälliger Gestalten im Plenum“frappierend. Damit meint der Satiriker den „Abschaum des EU-Parlaments, also Faschisten und Nationalisten“, die in seiner Nähe sitzen würden. Dieser Anblick ersetze ihm den „Irrsinn“, den es in Berlin so gebe.

In Brüssel und Straßburg setzt er sich für die Wiedereinführung der Gurkenkrümmungsverordnung ein, die 2009 abgeschafft wurde. In der Verordnung wurden Handelsklassen für Gurken definiert. Für die Klasse „Extra“ bestimmte diese, dass diese Gurken „gut geformt und praktisch gerade sein müssen“ mit einer maximalen Krümmung von 10 Millimetern auf 10 Zentimeter Länge der Gurke. Gurken der Klasse 1 mussten nur „ziemlich gut geformt“ sein. Und krumme Gurken wurden mit einer „Krümmung von über 20 mm auf 10 cm Länge der Gurke“ definiert. Nun, Sonneborn will diese Verordnung nicht für Gurken, sondern für Exportwaffen. „Pro zehn Zentimeter Lauf fordere ich zwei Zentimeter Krümmung“, sagt er. Bisher sei sein Ansinnen „recht gut von Heckler und Koch“ umgesetzt worden. Außerdem will er eine Verkleinerung der EU: ein Kerneuropa, also Deutschland, um das 27 Satellitenstaaten herumschwirren.

"Da kann man noch mit guten Argumenten überzeugen"

Martin Sonneborn ist inzwischen nach Brüssel umgezogen. Andere Parlamentarier wie Joachim Zeller (CDU), Michael Cramer (Grüne), Sylvia-Yvonne Kaufmann (SPD) oder Martina Michels (Linke) bleiben von Montag bis Donnerstag, manchmal auch bis Freitag, in Brüssel – einmal im Monat in Straßburg. Dann geht es nach Berlin zurück. Ihnen ist eines gemein: Sie arbeiten lange im Büro, die Arbeitstage dauern in Brüssel im Durchschnitt bis 21 Uhr. „Dann bleibt keine Zeit für soziale Kontakte“, sagt zum Beispiel Michael Cramer. Er hat als einziger Grüner im EU-Parlament einen Ausschuss-Vorsitz. Es ist natürlich der Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr, im Europa-Jargon „Tran“ genannt.

Cramer ist seit 2004 im EU-Parlament. Elf Jahre Brüssel und Straßburg. Brüssel habe ein „tolles Opernhaus“, aber da sei er nur selten, erzählt er. Er gehe dafür gerne in die Philharmonie. Kulinarisch fühlt er sich im internationalen Brüssel wohl. Auf dem Weg zu seiner Wohnung komme er am Place Jourdan vorbei. „Dort gibts die besten Fritten“, schwärmt Cramer von den belgischen „Frites“. Und mit den „Frites“ in der Hand geht es auf ein Bier zu „Chez Bernard“. Dort sind „frites acceptées“, also Fritten akzeptiert.

Für die kleineren Parteien birgt das EU-Parlament Chancen. Denn in Brüssel und Straßburg werden Mehrheiten über Parteigrenzen hinweg beschafft. „Da kann man noch mit guten Argumenten überzeugen“, sagt Cramer. Sein Herzenswunsch ist, Zugverbindungen nach Osteuropa auszubauen. Dass kurz vor Weihnachten die Verbindung zwischen Berlin und Breslau, 2016 Kulturhauptstadt von Europa, und seit März auch noch die Verbindung zwischen Dresden und Breslau eingestellt wurden, sei eine „Katastrophe“. Und dass die rund 150 Kilometer lange Fahrt von Berlin nach Stettin immer noch länger als zwei Stunden dauere, weil es auf der Strecke eine nur rund 30 Kilometer lange Ausbaulücke gebe, kritisiert Cramer schon seit Jahren.

"Na, ’ne echte Berliner Currywurst"

Auch Sylvia-Yvonne Kaufmann kennt Brüssel schon seit Jahren. Sie war für die Linke von 1999 bis 2009 EU-Parlamentarierin. 2009 brach sie mit ihrer Partei, da sie im Gegensatz zur Mehrheit der Linken die EU-Verfassung unterstützte. Kaufmann trat dann in die SPD ein und zog vergangenes Jahr wieder ins EU-Parlament ein. Sie sitzt im Rechts-, Innen- und Verfassungsausschuss. Da brauche man ein „gutes Zeitmanagement“. Sie findet Brüssel „ähnlich multikulturell“ wie Berlin. Brüssel sei eine sehr lebendige Stadt und biete viele Restaurants. Meistens nehme sie sich was zu essen mit in ihre Wohnung. Aber was sie vermisst ist das Zuhause – „und das ist Berlin“.

Martina Michels ist ebenfalls seit vielen Jahren überzeugte Europäerin. Sie zog 2013 als Nachfolgerin des verstorbenen Lothar Bisky ins Parlament. Sie gehört „regi“ an, dem Ausschuss für regionale Entwicklung. Michels mag Brüssel. Als weltoffene Stadt sei es dort „nie langweilig“. Aber auch sie vermisst in Brüssel ihre Freunde und ihre Familie. Wie viele EU-Parlamentarier zieht sie am Donnerstag mit dem Rollkoffer via Shuttle zum Flughafen. Und dann geht’s Richtung Berlin. Was sie in Brüssel noch vermisst? Da muss die gebürtige Ost-Berlinerin nicht lange überlegen. „Na, ’ne echte Berliner Currywurst.“

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