Schulbau: Was Berlin von Hamburger Schulen lernen kann
Wie sollen die Schulen der Zukunft aussehen? Senatorin Scheeres fuhr mit Fachleuten nach Hamburg und München. Erste Lehre: Teppich muss sauber sein.
Hamburg macht seinem Ruf alle Ehre, es nieselt von früh bis spät. Die Kinder in der Elbinselschule hält das nicht vom Toben ab. Das machen sie einfach drin, hier ist es hell und freundlich, und sie haben ja auch genügend Platz in dem großen Spielbereich im Foyer oder in den breiten Fluren mit den Sitz- und Spielecken.
Die Elbinselschule im Stadtteil Wilhelmsburg gehört zum Bildungszentrum „Tor zur Welt“, einem Vorzeigeprojekt für modernen Schulbau. Ein Gymnasium, eine Primarschule, eine Kita und ein öffentliches Bildungszentrum sind auf dem Campus angesiedelt, alles neu, alles schick.
Exkursion der Fach-Arbeitsgruppe
Staunend und Notizen machend läuft am Dienstag eine Gruppe Erwachsener durch die Flure. Bildungsenatorin Sandra Scheeres (SPD) ist mit 30 Mitgliedern der neu eingerichteten Facharbeitsgruppe für Schulraumqualität nach Hamburg gefahren. Vertreter aus drei Senatsverwaltungen – Bildung, Finanzen und Stadtentwicklung – sind dabei, Lehrer, Eltern und Architekten. „Fühlt sich an wie auf der Klassenfahrt, sollten wir öfter machen“, wird schon im Zug gescherzt.
Ziel der Exkursion: Schulgebäude anschauen, die den Anforderungen moderner Pädagogik gerecht werden: Räume, die sich flexibel gestalten lassen für offene Lernformen, und die für den Ganztag und die Inklusion geeignet sind. Am Mittwoch ging es für den Großteil der Gruppe weiter nach München, um auch dort Schulen zu inspizieren.
Berlin muss schnell viele Schulen bauen
Der Schulbau ist eines der wichtigsten Bildungsthemen der nächsten Jahre, vielleicht das wichtigste. Bis 2020/21 müssen in Berlin knapp 30 neue Schulen gebaut werden, dazu kommen die vielen Sanierungen. Lange befürchtete man, dass Berlin vor allem auf Modulbauten setzt – schnell hingestellte Kästen, die dann für die nächsten 50 Jahre bleiben. Etliche davon werden oder wurden auch schon gebaut, meist als Erweiterungsgebäude für Schulen, die aus allen Nähten platzen.
Aber jetzt will man es doch lieber richtig machen: Scheeres hat eine Task Force zur Ermittlung des Baubedarfs eingerichtet und die Fach-AG, die sich speziell mit der Qualität beschäftigt. „Das ist eine Riesenchance“, sagt Scheeres im Bus durch Hamburg. „Wir können die Weichen dafür stellen, wie die Schulen der Zukunft aussehen sollen.“
Wenn man Eltern oder Lehrer fragt: Die Fach-AG halten eigentlich alle für eine gute Idee. „Hätte man nur schon früher machen sollen“, sagt Tom Erdmann von der Berliner GEW, der auch mitreist.
Das Motto der Reise: „Von den Besten lernen“, sagt Rainer Schweppe, der die Fach-AG leitet und vorher in München Stadtschulrat war. München und Hamburg standen vor ähnlichen Problemen wie Berlin und haben diese unterschiedlich gelöst. Was hat in den beiden Städten gut geklappt, was kann man übernehmen? Und welche Fehler vermeiden?
Was gegen Lärm hilft
Manchmal sind das ganz einfache Dinge. Teppiche zum Beispiel. Die sind wichtig für den Lärmschutz, aber zu hell sollten sie nicht sein. Wer offene Lernformen will, bei denen die Kinder nicht nur still in der Bank sitzen, der kann gar nicht genug für den Lärmschutz tun. In der Hamburger Stadtteilschule Stübenhofer Weg ist der helle Teppich aber nach sieben Jahren schon unansehnlich und fleckig. „Man muss sich auch um die Reinigung kümmern“, sagt der Schulleiter.
Ein gutes Beispiel sind dagegen die lärmabsorbierenden Pinnwände aus Filz in den Klassenzimmern des Helmut- Schmidt-Gymnasiums. Schulleiter Volker Clasing schwärmt zudem von den kurzen Wegen auf dem Campus. „Wenn ich mit Eltern spreche und merke, dass sie Beratung bei der Erziehung brauchen, gehe ich mit ihnen einfach eine Treppe nach unten zur Elternschule. Früher hätte ich sie zu einem Amt geschickt, wo sie dann irgendwann mal einen Termin bekommen hätten.“ Nicht bewährt hat sich dagegen, dass das Haus in Passivbauweise, also extrem energiesparend, errichtet wurde. Denn die ausgeklügelte Technik überfordert das Personal. „Es wird unsere einzige Passivhaus-Schule bleiben“, sagt Ewald Rowohlt vom Landesunternehmen Schulbau Hamburg.
Hamburg setzt auf wenig, München auf mehr Vorgaben
Scheeres und die Fach-AG nutzen diese Reise auch, um zu überlegen, welche Vorgaben sie für den Berliner Schulbau machen wollen. In München hat Rainer Schweppe das sogenannte Lernhauskonzept entwickelt, nach dem sich im Prinzip alle Bauvorhaben richten sollen. Es sieht vor, in großen Schulen kleinere Einheiten aus mehreren Klassen-, Team- und Freizeiträumen zu schaffen.
Hamburg lässt den Schulen dagegen viel Mitspracherecht: Zu Beginn der Planung dürfen sich die Schulen alles wünschen. Die einzigen Vorgaben: Als Fläche stehen zwölf Quadratmeter pro Kind zur Verfügung, und der Quadratmeter darf höchstens 2800 Euro kosten. Wie sie die Fläche aufteilen, ob sie lieber größere Freiflächen oder größere Klassenzimmer wollen, bestimmen die Schulen weitgehend selbst. „Die Beteiligung führt zu einer hohen Akzeptanz“, sagt Rowohlt. Ein Jahr dauere die Planungsphase, zwei Jahre die Bauzeit. Ein Vertreter der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung kann das kaum glauben, auch die Kosten nicht. „Im letzten Jahr haben wir sogar 10 Millionen Euro Gewinn gemacht“, entgegnet Rowohlt. „Die Schulen und Architekten kommen mit unseren Vorgaben oft auf kreative Lösungen.“ Zwei Beispiele: Rohre und Haustechnik könnten auch über Putz liegen, Brandschutztreppen außen am Gebäude angebracht werden.
Die Berliner tendieren im Moment eher zu Vorgaben. Senatorin Sandra Scheeres berichtet nach einem Gespräch mit ihrem Hamburger Kollegen Ties Rabe (SPD), dass auch dieser sich inzwischen einen etwas engeren Rahmen wünsche, da die vielen Diskussionen viel Zeit benötigten. Bis Ende Januar will die Fach-AG Empfehlungen aussprechen.