Verkehrspolitik in Berlin: Warum Schwarzfahren keine Straftat mehr sein sollte
Schwarzparken ist preiswert und nur eine Ordnungswidrigkeit. Schwarzfahren teuer und eine Straftat. Ein Gastkommentar.
In Deutschland werden täglich 180 Menschen wegen Schwarzfahren verurteilt, weil es als Straftat eingestuft ist. Die bekanntermaßen überlastete Berliner Justiz befasst sich jedes Jahr mit rund 40.000 solcher Taten. Sie – wie auch die Polizei – könnten sich gewichtigeren Rechtsfällen widmen, wäre das Schwarzfahren zukünftig nur eine Ordnungswidrigkeit. Weil viele Schwarzfahrer die Strafe nicht bezahlen können, müssen sie ihre Straftat im Gefängnis absitzen. Im Dezember 2017 verbüßten von 362 Insassen in Plötzensee 102 eine solche Ersatzstrafe, die im Durchschnitt 30 bis 60 Tage dauert. Die Kosten für einen Tag im Gefängnis belaufen sich auf 150 Euro.
In Berlin wollen Linkspartei und Grüne das Schwarzfahren nicht mehr als Straftat einordnen. Unterstützt werden sie vom Regierenden Bürgermeister, den Senatoren für Inneres und Justiz sowie vom Justizminister in NRW, Peter Biesenbach (CDU). Widerspruch gibt es aber aus der SPD-Fraktion, von Sven Kohlmeier und Frank Zimmermann.
Bessere Alternative zur Haft
Wird ein Schwarzfahrer erwischt, muss er heute 60 Euro Strafe zahlen, bis 2015 waren es 40 Euro. Wer mehrmals ohne Ticket kontrolliert wird und die Strafe nicht bezahlen kann, dem drohen Gefängnisstrafen. Es gibt klügere Möglichkeiten, das Schwarzfahren zurückzudrängen, als es als Straftat zu behandeln. Wenn man zum Beispiel die im Strafverfahren und im Vollzug entstehenden Kosten einsparen und dieses Geld für die Personen einsetzen würde, die sich kein Bus- oder Bahnticket leisten können – und schon gar nicht eine hohe Geldstrafe.
Die Stadt Wien hat eine andere kluge Entscheidung getroffen. Die rot-grüne Stadtregierung hat das Jahresticket auf 365 Euro gesenkt, also auf einen Euro pro Tag. Alle zahlen 365 Euro für dieses Jahresticket. Die durch die Senkung um 84 Euro entstandenen Mehrkosten wurden durch die rapide gestiegenen Fahrgastzahlen von 375.000 auf 650.000 in den „Öffis“ mehr als kompensiert. Auch in Berlin gibt es Ansätze für diese Preispolitik: Das Schülerticket wurde erheblich reduziert und das Semesterticket ist seit Jahren akzeptiert.
Schwarzfahren sollte Ordnungswidrigkeit sein
Dass man beim Schwarzfahren eine Straftat begeht und beim Schwarzparken nur eine Ordnungswidrigkeit ist nicht nachvollziehbar. Gerecht wäre es, Schwarzfahren und Schwarzparken gleich zu behandeln. Falschparken, bei dem nicht selten Leben und Gesundheit anderer Menschen gefährdet werden, kostet nur 10 bis 15 Euro. Dieser Betrag wurde anders als beim Schwarzfahren seit Jahren nicht erhöht.
Angesichts der geringen Kontrollen gehört das falsche Parken zum Stadtbild – egal, ob es auf der Radspur, dem Gehweg oder auf der Busspur stattfindet. Wenigstens hat die BVG endlich die Möglichkeit bekommen, eigenhändig die Schwarzparker abzuschleppen. Wenn sie jetzt tätig wird, verschwindet das Schwarzparken auf der Busspur.
Vergleicht man die Parkgebühren mit den Ticketpreisen für BVG und S-Bahn, zeigt sich auch hier ein Missverhältnis. Letztere wurden fast jedes Jahr erhöht, nur nicht in Wahljahren. Deshalb muss man heute in Berlin mehr als das Doppelte für den ÖPNV bezahlen. Der Preis für das Parken in den Parkraumbewirtschaftungszonen hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten hingegen kaum verändert.
Den vergleichsweise geringen Schaden, den ein Schwarzfahrer verursacht, mit Falschparken gleichzusetzen, welches nicht selten für andere lebensgefährlich ist, ist einfach absurd.
schreibt NutzerIn iiieberlin
Falschparken ist ein Risiko für jedermann
So zahlen die Anwohner in der Parkraumbewirtschaftungszone für den öffentlichen Straßenraum 20,40 Euro für zwei Jahre. In Wien dagegen ist fast das gesamte Stadtgebiet parkraumbewirtschaftet und man zahlt 90 bis 120 Euro pro Jahr.
Als verbotswidriges Verhalten sind Schwarzfahren und Schwarzparken auf vergleichbaren Ebenen angesiedelt. Allerdings entstehen beim Parken auf Geh- und Radwegen sowie auf Busspuren oft Gefahrensituationen. Niemand fordert, das gefährdende Schwarzparken zur Straftat zu erklären. Auch deshalb sollte das Schwarzfahren zukünftig nur eine Ordnungswidrigkeit sein.
Michael Cramer war 15 Jahre für die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus für Verkehrsthemen verantwortlich. Seit 2004 sitzt er im Europäischen Parlament.
Michael Cramer