Linksextreme kündigen gewaltsamen Widerstand an: Warum die Räumung des besetzen Hauses „Liebig34“ so schwierig werden könnte
Berlin könnte eine der kompliziertesten Räumungen seit 1990 bevorstehen. Die Polizei stellt sich auf eine harte Woche ein.
Es war der Auftakt zu einer möglicherweise heiklen Woche – für die Polizei, für die linke Szene und die rot-rot-grüne Regierungskoalition. Am späten Samstagabend demonstrierte die linke Szene im Friedrichshainer Nordkiez gegen die Räumung des besetztes Hauses in der Liebigstraße 34. Die Polizei sprach von bis zu 2000 Teilnehmern, Beobachter zählten bis zu 3000 Teilnehmer. Aus dem Demonstrationszug heraus wurden Einsatzkräfte mit Pyrotechnik beworfen oder mit Flüssigkeiten besprüht. Es gab mehrere Festnahmen.
Vor der Räumung der „Liebig34“ am Freitag wächst bei den Sicherheitsbehörden die Sorge vor einer Eskalation der Gewalt. In einer internen Lageeinschätzung des Landeskriminalamtes (LKA) wird ausdrücklich, aber noch vorsichtig vor einer „Geneigtheit zur Militanz“ gewarnt.
Nachdem die Polizei zunächst mit 2500 Einsatzkräften für Freitag geplant hatte, wird inzwischen mehr Bedarf gesehen. Aus anderen Bundesländern sei weitere Unterstützung nötig, darunter 19 Hundertschaften, fünf Beweis- und Festnahmehundertschaften, vier Wasserwerfer, mehrere Höhenrettertrupps und Techniker. Auch Spezialeinsatzkommandos sollen sich bereithalten – für den Fall der Fälle.
Mitte August veröffentlichte die autonome Szene ein Foto, 20 Vermummte posierten vor dem teilbesetzten Haus Rigaer Straße 94, ein bekannter Gewalttäter posierte mit einer Kalaschnikow – eine Attrappe, wie Kriminaltechniker anhand der Fotos später feststellten. Und doch ist es eine Kampfansage, die Bundesbehörden wurden eingeschaltet.
Die prüfen, wie stark der Zulauf der linksextremistischen Szene in Deutschland und Europa für den Tag der Räumung ist. Gerechnet wird mit Autonomen aus Dresden, Hamburg, Leipzig und Kopenhagen, aber auch aus Frankreich und Griechenland. Gerade sie gelten als besonders militant und gewaltbereit, taktisch geübt im Straßenkampf mit Polizeieinheiten. In einem Mobilisierungsvideo der linken Szene wird an Brandanschläge auf Autos und Polizeiobjekte erinnert.
Räumungstermin löst „absolutes Alarmsignal“ in linker Szene aus
Der Mietvertrag für die Liebigstraße 34 lief 2018 aus, Immobilieninvestor Gijora Padovicz hat ein Räumungsurteil erwirkt. Der nun bevorstehende Termin des Gerichtsvollziehers dürfte zu einem „absoluten Alarmsignal“ in der linken Szene „in Berlin, dem Bundesgebiet und auch international führen“, heißt es in internen Papieren. Es gehe um den Verlust eines der „international bekanntesten, linksextremen“ Wohnobjekte, das als elementarer Rückzugsort betrachtet werde. Daher sei mit einem „besonderen Motivationsschub zur Solidarisierung“ zu rechnen.
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Experten der Polizei rechnen damit, dass der Einsatz weit über das hinaus geht, was am 1. Mai passiert, wenn um die 5000 Beamte im Einsatz sind. Die Räumung der Liebigstraße 14 im Jahr 2011 mit 2500 Beamten oder Räumungen in der Yorckstraße und Brunnenstraße in den Nullerjahren hätten bei weitem nicht die Sogwirkung gehabt. In der Polizei ist von der schwierigsten Räumung seit der Mainzer Straße die Rede. Ende 1990 hatten sich Besetzer und Polizei dort tagelang eine Straßenschlacht um 13 Häuser geliefert, die rot-grüne Koalition platze damals.
Das Hausprojekt Liebig34, das sich selbst als „anarcha-queer-feministisch“ bezeichnet, hat einen „Kampf“ und gewaltsamen Widerstand angekündigt. Die Balkone sind mit Einkaufswagen versperrt. Von Arbeiten im Haus wird berichtet, Baumaterial sollte gespendet werden, Pflastersteine wurden gesehen. Die Polizei rechnet mit Fallen, die Beamte verletzen könnten. Das Haus sei zu einer Festung ausgebaut worden, heißt es.
Die linke Szene hat auch dezentrale Gewaltaktionen angekündigt. Gerechnet wird mit Farbschmierereien, Steinwürfen, zerstörten Fenstern und Brandstiftungen an Autos. Der Preis für die Räumung soll hoch sein. Nach der Demo am Samstag ist die Fensterfront einer Bankfiliale mit Pflastersteinen beschädigt worden, die Täter hinterließen den Slogan „L34“. Die Polizei hat daher Raumschutz in der Stadt angeordnet, besonders in Friedrichshain-Kreuzberg, Neukölln und Lichtenberg.
Auch für Polizisten sei „von einer erhöhten Gefährdung“ auszugehen. Alle Dienstwagen sollen vor Abfahrt auf Brandsätze oder Krähenfüße überprüft werden. Erinnert wird an Manipulationen an Privatwagen von Beamten. An den Liegenschaften werden die Vorkehrungen verschärft. Auch Verkehrspolizisten werden vor Überraschungsangriffen gewarnt.