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Das besetzte Haus des Hausprojekts "Liebig 34" in der Liebigstraße in Friedrichshain.
© Christoph Soeder/dpa
Update

Linksextremes Hausprojekt in Friedrichshain: Liebig34 soll im Oktober geräumt werden – und kündigt Widerstand an

Das linksextremistische Hausprojekt stellt sich auf die Räumung am 9. Oktober ein. Die Bewohner haben bereits angekündigt, gewaltsam Widerstand zu leisten.

Es gibt offenbar einen Termin für die Räumung des Hauses in der Liebigstraße 34 in Berlin-Friedrichshain. Das Hausprojekt teilte am Dienstagabend via Twitter mit, dass das Haus am Freitag, 9. Oktober, ab 7 Uhr geräumt werden soll.

Das Hausprojekt, das sich selbst als „anarcha-queer-feministisch“ bezeichnet, kündigte an, Widerstand zu leisten. „Lasst uns die Räumung zum Desaster machen“, hieß es am Dienstagabend auf dem Twitter-Kanal. Droht Berlin nun einer heißer Herbst voller Gewalt und Ausschreitungen?

Die Berliner Polizei wollte sich auf Anfrage nicht dazu äußern, ebenso nicht die Anwälte des Hauseigentümers. Der Tagesspiegel erfuhr allerdings aus Sicherheitskreisen, dass der beauftragte Gerichtsvollzieher bei der Polizei den 9. Oktober als Termin genannt und um Vollzugshilfe gebeten hat. Das werde jetzt geprüft. 

Der Anwalt des „Liebig34"-Trägervereins, Moritz Heusinger, erklärte, der Räumungstermin sei ihm vom Gerichtsvollzieher mitgeteilt worden. Heusinger kündigte zugleich an, dass er die Räumung per Feststellungsklage verhindern wolle.

Erst Ende August hatte das Landgericht zum linksextremistischen Wohnprojekt „Liebig34“ erneut die Räumung und Herausgabe des Grundstücks angeordnet. Das Gericht hatte den Einspruch des Bewohner-Vereins gegen ein Versäumnisurteil von Anfang Juni abgewiesen.

„Wir erkennen dieses Urteil sowohl politisch als auch juristisch nicht an“, erklärten die Bewohner danach. Sie würden sich „nicht widerstandslos ergeben“, „und wenn noch 100 Gerichte entscheiden“ würden, „wir bleiben“.

Die Ecke Liebig- und Rigaer Straße gilt als Hotspot der linksextremistischen Szene in Berlin, gleich neben der „Liebig34“ ist das teilbesetzte Haus „Rigaer94“. Immer wieder werden dort Polizeibeamte oder deren Fahrzeuge attackiert, brennen Barrikaden, werden Neubauprojekte mit Farbbeuteln oder Steinen attackiert. Oder Linksextremisten ziehen durch die Straßen, demolieren Autos und die Fenster von Geschäften – immer mit Bezug zur „Liebig34“.

Mit gewaltsamen Ausschreitungen bei der Räumung ist zu rechnen

Bei einer Räumung der „Liebig34“ ist mit gewaltsamen Ausschreitungen zu rechnen – wie bei der Räumung der Liebigstraße 14 auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Im Februar 2011 waren mehr als 2000 Beamte nötig, um die Räumung durchzusetzen. Es gab zahlreiche Demonstrationen und Attacken auf Polizeibeamte, Verletzungen und Festnahmen waren die Folge.

Im Tagesspiegel-Interview hatte eine Besetzerin im Januar Gewalt gegen die Polizei für legitim erklärt und für den Fall der Räumung angekündigt: „Dann werden wir versuchen, es ähnlich wie bei der Liebig 14 zu machen. Uns verbarrikadieren und versuchen, die Räumung so lange es geht herauszuzögern.“ Daneben hatte sie dezentrale Aktionen angekündigt.

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Benjamin Jendro, Sprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Berlin, erwartet heftige Auseinandersetzungen. „Vermutlich müssen wir froh sein, dass die Räumung nicht auf den 2. Oktober gelegt wurde“, sagte Jendro. „Es sollte aber auch jedem klar sein, dass es drumherum heiße Tage werden und die linksextremistische Szene gerade am direkt anschließenden Wochenende sicher nicht ruhig zuhause sitzen und die Sternburg-Korken knallen lassen wird.“ Die Polizei werde im Rahmen der Vollzugshilfe „für die Sicherheit sorgen und sich entsprechend  auf die zu erwartenden gewalttätigen Aktionen der Szene vorbereiten.“

Polizeigewerkschaft GdP: "Sollte jedem klar sein, dass es heiße Tage werden"

Der Anwalt des Trägervereins, Moritz Heusinger, hatte nach der Entscheidung des Landgerichts erklärt, er werde dem Verein die Berufung zum Kammergericht empfehlen. Dort ist jedoch nach Angaben einer Sprecherin bis Mittwochmittag nichts eingegangen. Noch am Mittwoch habe er die Berufung aber eingereicht, sagte Heusinger. 

Das Urteil des Landgerichts ist aber ohnehin bereits vollstreckbar. Dafür muss der Eigentümer aber eine Sicherheitsleistung hinterlegen, die Rede war von 60.000 Euro. 

Für den Prozess vor dem Landgericht mussten die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt werden. Liebig34-Vertreter hatten seit November Verhandlungen verhindert und gestört. Auf das Auto eines der Anwälte des Hauseigentümers war ein Anschlag verübt worden, über den Kindersitz im Wagen wurde Buttersäure gegossen. Die Täter hinterließen den Schriftzug „Liebig 34 stays“. Auch der zuständige Richter wurde im Internet bedroht.

Für den Prozess mussten die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt werden

Das in der Liebigstraße 34 gilt als eines der letzten Symbole der linksextremistischen Szene in der Stadt. 2018 endete in der „Liebig 34“ nach zehn Jahren ein Gewerbemietvertrag, den der Verein mit dem Hausbesitzer abgeschlossen hatte. Eine Verlängerung kam, auch nach politischen Vermittlungsversuchen, nicht zustande.

Besitzer des Hauses ist der umstrittene Immobilieninvestor Gijora Padovicz. Weil die Bewohnerinnen nach Ablauf des Mietvertrages nicht ausziehen wollten, klagte dieser gegen die Bewohner. Das Gericht vertrat in seinem neuen Urteil die Ansicht, dass - im Gegensatz zur Auffassung des Vereins - kein Wohnraum-Mietrecht anzuwenden sei, da kein Mietverhältnis über Wohnraum vorläge.

Die Klägerin habe, so entschied das Gericht, gegen den Beklagten einen Anspruch auf Herausgabe und Räumung des Hausgrundstücks und des Hauses, da der Pachtvertrag wirksam auf den Ablauf des 31. Dezember 2018 befristet worden und damit ausgelaufen sei, hieß es. Eine gütliche Einigung lehnten beide Seiten ab.

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