Überwachung in Berlin: Warum die neuen Kameras eine gute Idee sind
Allen Orwell-Vorbehalten zum Trotz: Das Projekt mit Gesichtserkennung am Berliner Bahnhof Südkreuz führt in die richtige Richtung. Ein Kommentar.
Der Versuch ist von Hoffnung getragen. Mit den Kameras am Berliner Bahnhof Südkreuz soll es gelingen, Gefährder schon im Vorfeld zu erkennen und Anschläge zu verhindern, hofft der Bundesinnenminister. Für Kritiker ist klar: Dies ist ein „unglaublicher Eingriff in die Grundrechte“, der Menschen einem „enormen Überwachungsdruck“ aussetzt, sagt die Initiative Digitalcourage: „Wer so verfolgt wird, ist nicht frei.“
Verfolgt? In welchem Überwachungsstaat leben die Kritiker? Wer die Bundesrepublik anstandslos mit einem Orwell’schen Alptraum gleichsetzt, will nicht ernst genommen werden. Im Bahnhof Südkreuz wird eine markierte Fläche – damit jeder, der nicht aufs Bild will, den Ort meiden kann – von Kameras mit Gesichtserkennungssoftware ausgewertet.
Die Argumente gegen Kameras sind seit 15 Jahren unverändert; überzeugender sind sie nicht geworden. Kameras verhindern keine Straftaten, aber sicherer fühlen sich Menschen trotzdem, wenn Bahnen und Busse damit ausgestattet sind. Wer wollte auch sagen, ob nicht auch manche Straftat im Wissen um die Kameras unterbleibt? Sollten die Kameras, die Gesichter und verdächtiges Verhalten erkennen, Straftaten verhindern, weil Täter frühzeitig erkannt werden, fällt sogar dieses Argument weg.
Videokameras helfen längst bei der Verbrechensaufklärung
Glaubt wirklich jemand, dass Menschen, die mit digitalen Geräten täglich ganz selbstverständlich Spuren hinterlassen, nun Angst haben und ihr Verhalten ändern, weil gesichtserkennende Kameras sie zufällig ablichten? Der Neuköllner Ex-Bürgermeister Heinz Buschkowsky, der kürzlich sagte, er lasse sich lieber filmen als verprügeln, hat jedenfalls 80 Prozent der Berliner auf seiner Seite. Und die spektakulären Fahndungserfolge der Polizei belegen, dass Kamera-Bilder ein unverzichtbares Fahndungswerkzeug sind, um brutale Straftaten aufzuklären, bei denen mit herkömmlichen Ermittlungen die Täter entkommen wären. Das gilt für den U-Bahn-Treter ebenso wie für die die Überführung des Kindesmörders Silvio S.
Ansbach, Würzburg, Hannover, Berlin, Hamburg – die Schauplätze terroristischer Attacken in Deutschland stellen verstärkt die Frage nach angemessenen Mitteln. Dabei steht der Wunsch nach mehr Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft immer im Spannungsverhältnis zu einer vertretbaren Einschränkung der Freiheitsrechte. Diesem Konfliktfeld müssen sich die Regierenden stellen; dieses Spannungsfeld muss immer wieder neu ausgelotet und argumentativ ausgekämpft werden.
Ohne prinzipielles Vertrauen aber wird jede Forderung absurd, staatliche Behörden sollten mehr Sicherheit gewährleisten. Der Staat lebt vom Vertrauen der Menschen, dass gewonnene Daten nicht in falsche Hände geraten. Ein Rechtsstaat hat Kontrollmechanismen, demokratisch überprüft, um Missbrauch auszuschließen. Dieses Wissen schafft ein größeres Sicherheitsgefühl als die Aussicht, dass Gefährder unerkannt Anschläge verüben können, weil den Sicherheitsbehörden die technischen Mittel verboten sind, die solche Taten verhindern helfen.
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