Abstimmung zu Stadtwerk in Berlin: Warum der Volksentscheid scheiterte
Die Mehrheit der Abstimmenden war klar für den Volksentscheid. Aber das nötige Quorum von 25 Prozent Ja-Stimmen aller Wahlberechtigten wurde um exakt 21 374 Stimmen verfehlt. Dafür gibt es gleich mehrere Gründe.
Der politische Wille
Es wäre die offensichtlichste Erklärung: Der Entscheid ist gescheitert, folglich will die Mehrheit der Bürger keine Rekommunalisierung der Energieversorgung. Wirtschaftsverbände ziehen diesen Schluss. Wenn dem so wäre, müsste aber auch der Senat seine Politik ändern. Denn die Bewerbung um die Konzession für das Stromnetz läuft weiter und auch ein Stadtwerk, wenn auch in kleinerem Maßstab soll gegründet werden.
Der Gegenentwurf des Senats
Die Organisatoren des Volksentscheids sprechen von einem „Abfanggesetz“. Die Koalition aus SPD und CDU hatte zehn Tage vor dem Volksentscheid ein Gesetz zur Gründung eines Stadtwerks beschlossen und damit eine zentrale Forderung des Energietischs formal erfüllt. Wähler, die grundsätzlich für eine Rekommunalisierung sind, reichte dieser etwas abgespeckte Entwurf offenbar aus, sie blieben am Tag es Volksentscheids zu Hause.
Der Abstimmungstermin
Viele Wähler blieben aber auch zu Hause, weil der Volksentscheid nicht wie geplant am Tag der Bundestagswahl stattfand, sondern vom Senat auf den 3. November geschoben worden war. Die Erfahrung zeigt, dass die Beteiligung bei gleichzeitig stattfindenden Wahlen deutlich höher ist. Da der Volksentscheid nicht an der Zustimmung, sondern an der geringen Beteiligung scheiterte, ist es durchaus möglich, dass er am 22. September Erfolg gehabt hätte. Der Senat weist den Vorwurf zurück. Es habe noch Abstimmungsbedarf gegeben.
Die Spaltung der SPD
Auch bei den Sozialdemokraten ist man sich nicht sicher, ob das so stimmt. Ein Antrag beim Landesparteitag sah jedenfalls vor, solche Verschiebungen künftig zu verhindern. Eine Mehrheit lehnte den Vorstoß aber ab. Überhaupt konnte sich die Partei, die immerhin die stärkste Regierungsfraktion stellt, nicht auf eine klare Empfehlung einigen. Die Fraktion im Abgeordnetenhaus empfahl ein Nein. Auf dem Parteitag wurde dann aber ein Beschluss gefasst, der die Ziele des Entscheids grundsätzlich begrüßte.
Die komplexe Fragestellung
Der letzte und bisher einzige Volksentscheid der in Berlin Erfolg hatte, ließ über eine einfache Fragestellung abstimmen: Offenlegung der Wasserverträge – Ja oder Nein? Der Gesetzentwurf des Energietischs umfasst mit Erläuterungen acht Din-A-4-Seiten. Ein begleitendes Gutachten des Verfassungsrechtlers Helge Sodan, das im Entwurf gravierende Mängel gefunden haben will, hat fast 70 Seiten. Auch der Energietisch gab zu, dass die Komplexität das Vorhaben angreifbar gemacht habe. Die genauen Folgen abzuschätzen, war auch für Juraprofessoren enorm schwierig. Einige Wähler trauten sich die Entscheidung wohl nicht zu.
Der Gegner Vattenfall
Der schwedische Staatskonzern war vom Energietisch als Hauptgegner ausgemacht worden, hielt sich aber mit Gegenkampagnen ziemlich zurück. Vattenfall investierte lediglich 150 000 Euro in Anzeigen, die generell die Qualität von Vattenfall anpriesen. Knapp 630 000 Euro spendete der Konzern außerdem 2011/2012 an das Land Berlin, größtenteils für die Instandhaltung des Brandenburger Tors. Vertreter des Energietischs kritisieren, es sei möglich, dass der Senat dies in seinen Entscheidungen berücksichtigte.
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