Streit um Rauswurf wegen Nazi-Vita: Warum der AfD-Aufnahmeantrag von Andreas Kalbitz nicht zu finden ist
Der Rauswurf des Brandenburger Landeschefs Kalbitz aus der AfD bezieht sich auf dessen Mitgliedsantrag. Das Problem: Er hat ihn per Internet gestellt.
Die AfD-Bundesvorstand gerät im Streit um den Rauswurf des Brandenburger Landes- und Fraktionschefs Andreas Kalbitz in die Bredouille: Der Aufnahmeantrag des 47-Jährigen ist nicht mehr zu finden. Für die bevorstehenden juristischen Auseinandersetzungen könnte das Kalbitz in die Hände spielen. Er will gegen den knappen, von Parteichef Jörg Meuthen forcierten, Vorstandsbeschluss vorgehen – vermutlich nicht nur vor dem Bundesschiedsgericht der Partei.
Der Vorstand hatte am Freitag mit sieben und fünf Stimmen entschieden, die Mitgliedschaft von Kalbitz in der AfD aufzuheben, weil er seine Mitgliedschaft in der militanten, 2009 verbotenen Nazi-Truppe „Heimattreue Deutsche Jugend (HDJ) verschwiegen habe, ebenso, dass er in den 90er-Jahren Republikaner-Mitglied war. Beide stehen auf der sogenannten Unvereinbarkeitsliste der AfD: Wer in einer dort aufgeführte Organisation Mitglied war, darf nicht in die AfD aufgenommen werden.
Doch ohne den Mitgliedsantrag lässt sich nicht überprüfen, was Kalbitz bei seinem Parteieintritt angegeben hat. Zudem klagt er auf Auskünfte beim Bundesverfassungsschutz. Der hatte in einem Gutachten vom März erklärt, Kalbitz habe nicht nur - wie bereits bekannt - HDJ-Lager besucht, sondern stehe auch auf einer HDJ-Mitgliederliste.
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Zwar hat AfD-Chef Meuthen nun behauptet, der Vorstand habe eine intensive Diskussion auf Basis der Aktenlage geführt. Es sei eine rechtliche Diskussion geführt worden über die Frage, „ob die Mitgliedschaft nichtig gestellt werden muss, weil bei der Parteiaufnahme wichtige Tatsachen verheimlicht wurden.", sagte Meuthen dem RBB.
Doch die Aktenlage ist dünn - der Mitgliedsantrag ist nicht mehr zu finden. Nicht umsonst hatte Alice Weidel, Parteivize und Co-Fraktionschefin im Bundestag, nach dem Vorstandsbeschluss erklärt, das Verfahren sei „juristisch höchst angreifbar“. Und auch AfD-Fraktionschef Alexander Gauland glaubt nicht, dass der Beschluss juristisch Bestand haben werde.
Es existiert gar kein auf Papier ausgefüllter Antrag von Kalbitz
Nach Tagesspiegel-Informationen soll es auch gar keinen auf Papier von Kalbitz ausgefüllten Antrag geben. Vielmehr soll er im März 2013, wenige Wochen nach Gründung der AfD, seine Mitgliedschaft in der Partei online, also per Internet, beantragt haben. Und diese Daten zu Mitglied Nummer 567 sind inzwischen verschollen.
Dass das für den Bundesvorstand heikel ist, macht inzwischen auch in der Partei die Runde. Im Bundesvorstand wurden von der Gruppe um Meuthen, die den Kalbitz-Rauswurf gestützt hat, deshalb zwei Kronzeugen angeführt, um die fehlenden Unterlagen zu kaschieren. Die beiden Zeugen sollen bekunden, wenn nötig eidesstattlich, dass sie Kalbitz‘ Aufnahmeantrag gesehen und was sie dort gelesen haben. Eine Erklärung an Eides statt wäre wiederum justiziabel, eine falsche Erklärung eine Straftat.
Zwei Zeugen sollen sich an Antrag erinnern
Meuthen sagte, es gebe zwei Zeugen, intern als Kalbitz-Gegner bekannt, die sich noch an das Formular erinnern. Und aus dem Bundesvorstand hieß es, im Landesverband Brandenburg erinnerten sich noch mehrere Mitglieder an Angaben, die Kalbitz bei der Bildung seines Kreisverbandes und bei der Kandidatenaufstellung für die Landtagswahl 2014 gemacht habe.
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Zumindest bei einem Zeugen, so heißt es aus Parteikreisen, wird bezweifelt, ob er damals überhaupt schon in Brandenburg war und den Mitgliedsantrag gesehen haben kann. Zudem soll es damals noch keine Aufnahmegespräche mitsamt Protokoll gegeben haben.
Kalbitz dementiert Existenz von Unvereinbarkeitsliste bei seinem Eintritt
Obendrein argumentierte Kalbitz stets, dass es die Unvereinbarkeitsliste der Partei bei seinem Eintritt im März 2013 noch gar nicht gab. Auch bestritt er, HDJ-Mitglied gewesen zu sein, erklärte gegenüber dem Vorstand aber, dass er durchaus auf einer Interessenten- und Kontaktliste gestanden haben könnte.
Kalbitz galt neben dem Thüringer Partei- und Fraktionschef Björn Höcke als wichtigster Vertreter des rechtsnationalen AfD-„Flügel“. Der wird vom Verfassungsschutz als rechtsextreme Bestrebung beobachtet. Deshalb hatte sich der „Flügel“ aufgelöst.
Höcke springt Kalbitz bei
Höcke springt Kalbitz nun bei – und provoziert damit den offenen Machtkampf mit Meuthen. Wer sich in einem parteiinternen Konflikt auf Argumente von „Parteigegnern“ berufe, der begehe „Verrat an der Partei“.
Diesen Vorwurf wies Meuten zurück. „Ein Landesvorsitzender, der erst vor wenigen Wochen wörtlich ankündigte, ihm missliebige Mitglieder aus der Partei „ausschwitzen“ zu wollen und der freiheitlich-marktwirtschaftlich und bürgerlich-konservativ gesonnenen Mitgliedern wiederholt den Wechsel zu anderen Parteien anrät, sollte vielleicht eher sein eigenes Verhalten hinterfragen, als der Mehrheit des Bundesvorstandes „Verrat an der Partei“ und Spaltung vorzuwerfen, wenn sie einen satzungsgemäßen Beschluss fassen, eine Parteimitgliedschaft wegen des Verschweigens einer Vormitgliedschaft in einer rechtsextremen Organisation zu annullieren.“ So Meuthen gegenüber der Deutschen Presseagentur.
Parteichef Meuten und Parteivize Beatrix von Storch „wollen eine andere Partei“, sagte Höcke. Und: „Die Spaltung und Zerstörung unserer Partei werde ich nicht zulassen.“ Wer die AfD zu einem Mehrheitsbeschaffer für die CDU machen wolle, habe nicht begriffen, was die Alternative zu den etablierten Parteien bedeute. Deutschland brauche keine zweiter Werte-Union, das Land brauche eine geschlossene AfD, sagte Höcke.
Auch Sachsens AfD stellte sich hinter Kalbitz, ebenso dessen Stellvertreter in Landespartei und Landtagsfraktion in Brandenburg. In Thüringen, Sachsen und Brandenburg erzielte die AfD bei den Landtagswahlen bundesweit ihre besten Ergebnisse mit einem Stimmenanteil von deutlich mehr als 20 Prozent.
Landtagsfraktion will Geschäftsordnung ändern, damit Kalbitz Vorsitzender bleiben kann
Die AfD-Landtagsfraktion in Brandenburg bereitet indes eine Novelle ihrer Geschäftsordnung vor, damit Kalbitz - ohne AfD-Mitglied zu sein - als Vorsitzender bestätigt werden kann. Die derzeit gültige Fassung sieht vor, dass Abgeordnete, deren AfD-Mitgliedschaft beendet wurde, auch nicht mehr der Fraktion angehören können. Damit verlöre Kalbitz auch den Vorsitz. Für eine Änderung der Geschäftsordnung wäre eine Zwei-Drittel-Mehrheit notwendig.
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