Name möglicherweise auf Liste von Nazi-Trupp HDJ: AfD-Rechtsaußen Andreas Kalbitz droht Parteiausschluss
Brandenburgs AfD-Chef Kalbitz räumt ein, dass sein Name auf einer Liste der verbotenen HDJ stehen könnte. Darüber informiert er den AfD-Bundesvorstand.
Brandenburgs AfD-Landeschef Andreas Kalbitz hat erstmals zugegeben, dass er entgegen früherer Angaben doch auf einer Liste der verbotenen militanten „Heimattreuen Deutschen Jugend“ (HDJ) stehen könnte. Wegen seiner rechtsextremen Vergangenheit muss Kalbitz nun um seine politische Zukunft in der AfD bangen: Der AfD-Bundesverstand befasst sich damit, für Kalbitz geht es um die Fragen, ob gegen ihn Parteiausschluss verhängt wird. Am Freitag berät der AfD-Bundesvorstand darüber.
Anlass ist eine Stellungnahme von Kalbitz. Wie die WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung berichten, hat Kalbitz in einem fünfseitigen Schreiben an den AfD-Bundesvorstand angegeben, dass sein Name auf einer "Interessenten- oder Kontaktliste" der HDJ geführt worden sein könnte. Dies sei "durchaus möglich und wahrscheinlich". Sollte Kalbitz Mitglied in der militanten Neonazi-Organisation gewesen sein, hätte er nach den Statuten der AfD nie in die Partei aufgenommen werden dürfen.
Im März war ein Gutachten des Bundesverfassungsschutzes bekannt geworden, wonach Kalbitz „nachweislich“ und „über mindestens 14 Jahre“ mit der HDJ Kontakt gehabt und auch Mitglied gewesen sei. Dem Bundesamt liegt demnach eine Mitgliederliste der HDJ aus dem Jahr 2007 vor, auf der unter der Mitgliedsnummer 01330 die „Familie Andreas Kalbitz“ geführt wurde. Kalbitz hatte daraufhin im März noch erklärt, ihm sei nichts über diese Mitgliederliste bekannt.
Es wird nicht damit gerechnet, dass der Bundesvorstand der AfD bereits am Freitag eine Entscheidung über einen Parteiausschluss trifft. Kalbitz, der ebenfalls im Vorstand sitzt, hat großen Einfluss in der AfD. Er ist Parteichef in Brandenburg, führt die Landtagsfraktion in Potsdam und steuert maßgeblich den Flügel der AfD – Kalbitz ist der Strippenzieher, neben ihm Thüringens AfD-Landeschef Björn Höcke als Lichtgestalt.
Fotos zeigen Kalbitz im HDJ-Lager
Auf Basis des Gutachtens des Bundesverfassungsschutzes wird der Flügel amtlich als eine „erwiesen rechtsextremistische Bestrebung“ eingestuft und deshalb offiziell beobachtet. Bis zum diesem Gutachten des Verfassungsschutzes gab es nur Hinweise auf mögliche Verstrickungen des AfD-Politikers in die HDJ. Darunter waren Fotos von Kalbitz, die ihn im Jahr 2007 bei einem Pfingstlager der HDJ – mit Lederhose und militär-grünem T-Shirt – zeigen.
Und Kalbitz erhielt sechs Wochen nach dem Verbot der HDJ durch das Bundesinnenministerium eine E-Mail vom damaligen HDJ-Bundesführer Sebastian Räbiger. Unter den sechs Empfängern waren weitere Führungskräfte der HDJ, eine Frau von der rechtsextremistischen Gemeinschaft Deutscher Frauen und ein NPD-Mitglied.
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Kalbitz hatte stets behauptet, er habe sich bei dem Pfingstlager nur als Gast informiert. An die E-Mail oder Kontakt zu hochrangigen Führungskräften der HDJ und der Neonazi-Szene könne er sich nicht erinnern. Und hatte auf Nachfrage des Tagesspiegels ausgeschlossen, dass er oder seine Kinder auf weiteren HDJ-Lagern gewesen sein könnten.
Die HDJ war eine verschworene Gemeinschaft, zahlreiche Führungskader waren in Brandenburg aktiv. Das Pfingstlager galt als Höhepunkt des Jahres für die HDJ. Die HDJ-Mitglieder verstanden sich als eine Art paramilitärische Elite, als „politische Soldaten“, die Drill und ideologische Schulung für die Jüngsten anboten: Rassenkunde, Hitler-Verehrung, Antisemitismus, Blut-und-Boden-Ideologie und NS-Brauchtum. Die Mitglieder waren überzeugte Nazis.
Der Bundesvorstand hatte Kalbitz nach Bekanntwerden des Gutachtens des Bundesverfassungsschutzes Ende März dazu aufgefordert, mögliche rechtsextreme Bezüge in seiner Vita aufzuarbeiten. Es sollte eine Liste vorlegen, in welchen Organisationen und Vereinen er Mitglied war oder zu welchen Gruppen er Kontakt hatte. Der Bundesvorstand führte als Grund vor die Aufforderung an, wenn Bundesvorstandsmitglied der AfD Mitglied in rechtsextremistischen Vereinen gewesen sei, könnte das dem Ansehen der AfD schaden.
Verfassungsschutzchef: "Entscheidende Messlatte für AfD-Bundesvorstand"
Kalbitz legt dem Bericht nun zufolge dar, welche Bezüge er zu rechtsextremen Organisationen gehabt habt. Zugleich verlangt Kalbitz demnach die Herausgabe des Gutachtens des Bundesverfassungsschutzes und der von der Behörde angeführten Mitgliederliste.In einem westdeutschen AfD-Landesverband wäre Brandenburgs Landesparteichef Andreas Kalbitz „vermutlich längst ausgeschlossen worden“, sagte Verfassungsschutzchef Jörg Müller der „taz“.
Nun aber werde es für ihn schwierig, da das Bundesamt für Verfassungsschutz Belege für Mitgliedschaften in rechtsextremen Organisationen habe: „Da wird es die entscheidende Messlatte sein, wie der AfD-Bundesvorstand mit Kalbitz umgeht.“Insoweit habe auch die Einstufung des „Flügels“ als Beobachtungsfall des Bundesamtes für Verfassungsschutz durchaus geholfen: „Dass Kalbitz sich nun erklären muss - das hätte es vor einem Vierteljahr noch nicht gegeben.“