Olympia-Bewerbung: Warum Berlin bloß keine Angst haben sollte
War es 1992 noch richtig, dass die Olympia-Bewerbung Berlins gescheitert ist, spricht inzwischen so viel mehr dafür. Berlin hat keinen Grund sich zu verstecken. Ein Kommentar.
War da nicht was? An diesem Montag ist das Präsidium des Sportbundes ins Bode-Museum geladen, damit Berlins Politik und Wirtschaft gute Stimmung für die Olympia-Bewerbung machen können. Gleich nebenan dinierten 1992 die IOC-Fürsten vorm Pergamon-Altar, als Berlin sich das letzte Mal bewarb. So nah, so fern. Die Bilder mögen sich gleichen, aber heute ist vieles anders.
Damals war es richtig, gegen Olympia zu sein, weil die vom Mauerfall euphorisierte, von der Trennung aber noch traumatisierte und vom chaotischen Neuaufbau einer gemeinsamen Infrastruktur beanspruchte Stadt damit überfordert gewesen wäre. Damals bewahrte ein unfähiges Vorbereitungsteam Berlin vor den Spielen, das so einfältig war, wie der gelbe Grinsebär dreinblickte, und ansonsten durch Dilettantismus, Raffkemanier und geschmacklose Dreistigkeit auffiel. Heute steht sich der Senat nur selbst im Wege; so halbherzig kämpfend, dass offenbleibt, ob er insgeheim hofft, der Kelch möge an Berlin vorübergehen.
Wenn der BER zur Anekdote wird
Für die Bewerber ist es die Woche der Entscheidung. Am Dienstag präsentiert Konkurrent Hamburg den Sportfunktionären seine Pläne, zugleich werden in beiden Städten die Menschen befragt. Der Grad der Zustimmung ist ein wichtiges, aber nicht das einzige Kriterium. Zu diesem frühen Zeitpunkt kann Stimmung allein nicht entscheidend sein, weiß auch der DOSB. Denn Olympia ist eine nationale Angelegenheit, eine Sache der Bundesregierung, die auch einen großen Teil der späteren Finanzierung übernimmt.
Wovor hat die Stadt Angst? Dass Berlin weiterhin erfolgreich bleibt? Mit Wachstum und neuen Jobs, sinkender Arbeitslosigkeit und Zuzug von jährlich 40.000 Menschen? Berlin ist ein Magnet, ist so bunt und multinational wie nie in seiner Geschichte, ist eine Stadt geworden, die Teilung ist ferne Vergangenheit. Das alles spricht für Berlin – weshalb im Ausland Unverständnis herrscht, dass das hierzulande überhaupt eine Frage ist. Glaubt wirklich jemand, es werden keine Kitas mehr gebaut, weil alles Geld für Olympia draufgeht? Olympia-Gegner, die vor einer vernachlässigten sozialen Infrastruktur warnen, sind unehrlich – und sie wissen es. Wenn die Sportler der Welt kommen, wird auch der BER nur noch für launige Anekdoten taugen. Mit oder ohne Olympia – Berlin braucht einen Entwicklungsplan für die wachsende Stadt. Auch ohne Paralympics ist die barrierefreie Stadt ein Ziel, wie auch Wohnungen benötigt werden, nicht nur vier Wochen lang für die Sportler.
Auch Berliner lassen sich begeistern
Ja, der Senat hat geschlafen, hat sich aus Angst vor den kritischen Bürgern zu lange versteckt. Aber wer sagt, dass Berliner nur meckern, hat die Stadt nicht verstanden. Auch vorm Sommermärchen 2006 wurde gemosert, am Ende schwärmte die Welt von den begeisterungsfähigen Berlinern. Im Jetzt zu verharren und zu beklagen, was nicht funktioniert, kann nicht Richtschnur politischen Handelns sein. Wer politische Verantwortung übernimmt, wird erfolgreich nicht durch Duckmäuserei, sondern durch glaubwürdiges Engagement. Der Wahlsieg von Olaf Scholz in Hamburg zeigt, dass solides und effektives Arbeiten die Grundlage ist, um Menschen auch für Träume zu begeistern. Da kann der Senat noch besser werden. Wer aber meint, zwischen Pergamon-Altar und Bode-Museum habe sich seitdem nichts getan, will nicht genau hinsehen.
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Der Zeitplan bis zur Olympia-Entscheidung. Die Übersicht finden Sie unter diesem Tagesspiegel-Link.