Leichtathletik-EM: Warmlaufen im Mommsenstadion
Am Montag beginnt die Leichtathletik-Europameisterschaft. Im Mommsenstadion schwitzen schon die ersten Sprinter. Eine Reportage von der Tartanbahn.
Staub liegt in der Luft, die Sonne knallt und glücklich sind alle, die einen Platz im Schatten finden. Der Schweiß tropft auch im Sitzen – ein Grund mehr, auf jegliche körperliche Anstrengung zu verzichten. Lieber einen Bus später nehmen, als noch einen schnellen Sprint hinzulegen, denkt sich der Laie.
Doch Neil Black widerspricht vehement, während sein Blick über die ziegelrote Tartanbahn des Mommsenstadions an der Waldschulallee schweift. Der Chef der britischen Athleten, die zur Europameisterschaft (EM) in Berlin antreten, sagt: „Sprinter mögen’s heiß.“ Nicht nur die Aufwärmphase sei dann kürzer. Die Sportler fühlten sich bei hohen Temperaturen nicht so steif, das Blut fließe besser durch den Körper und insofern könnten persönliche Rekorde aufgestellt werden, wenn es richtig warm sei, erklärt Black.
Von Montag bis Sonntag, 6. bis 12. August, findet – zwei Wochen vor dem paralympischen Pendant – die Leichtathletik-EM in Berlin statt. Seit Freitag trainieren die Athleten bereits vor Ort. Wer Glück hat, kann mit einem Blick über den Zaun einen Blick auf die Sportler erhaschen, die sich im Mommsenstadion auf den Wettkampf vorbereiten.
Sieben Frauen und sechs Männer der Briten eilen den anderen Teilnehmern voraus und standen bereits am Donnerstagvormittag, also einen Tag früher als angekündigt, tapfer im Stadion. Es sind die Staffel-Sprinter, die in Teams viermal 100 Meter laufen. Erst am Abend vorher sind sie mit dem Flugzeug gelandet. Nun sollen sich die Läufer schon einmal mit dem Platz vertraut machen. Es ist eine lockere Runde – einer der letzten entspannten Tage, bevor es ernst wird und auf Hundertstel Sekunden ankommt.
Während die britischen Männer bei der Weltmeisterschaft 2017 im Sprint-Staffellauf die Goldmedaille holten, ist auch Dina Asher-Smith ein Star auf dem Platz. Sie hält den britischen Rekord der Damen im 100- und 200-Meter Sprint. Nun zieht sie schnell und äußerst konzentriert abwechselnd die Knie in die Luft. Alle Muskeln müssen beim Rennen perfekt zusammenspielen. Große Kopfhörer schirmen sie von der Außenwelt ab. Ihre beiden Teamkolleginnen, Shannon Hylton und Imani-Lara Lansiquot, sehen ihr gebannt zu.
Der Kühlschrank ist noch leer
Die beiden Londonerinnen, die nebenbei Psychologie und Biomedizin studieren, kommen wegen des Sports viel in der Welt herum. In Berlin sind sie allerdings zum ersten Mal. Die Hitze störe sie wirklich nicht, betonen beide. Der Unterschied zum derzeitigen englischen Wetter sei kaum zu merken. „Es fühlt sich gar nicht so an, als ob wir weit weg von zu Hause wären“, sagt die 20-jährige Lansiquot. Auf jeden Fall hoffe sie, auch Zeit zu haben, um die Stadt zu erkunden. Der Zoo und die Berliner Mauer stehen ganz oben auf ihrer Liste.
Einer, der am liebsten selbst die Laufschuhe schnürt, ist Achim Hoffmann. Sein Platz ist diesmal allerdings am Rand der Rennstrecke – so kann er zum Gelingen der EM beitragen. Im Mommsenstadion ist Hoffmann dafür verantwortlich, dass alles reibungslos abläuft und die Sportler alles haben, was sie fürs Training brauchen.
Erst im Frühjahr dieses Jahres konnte der 77-Jährige einen Zehn-Kilometer-Lauf in Brandenburg für sich entscheiden – zumindest in seiner Altersklasse, wie Hoffmann nach einem Moment der Stille hinzufügt. Nein, die EM an sich interessiere ihn weniger. Er mache hier nur seinen Job. „Es freut mich einfach, wenn dit allet jut läuft.“ Hoffmann ist der Ansprechpartner, wenn ein Schlüssel gesucht wird oder die Hütchen fürs Slalomlaufen fehlen. Und wenn es nötig ist, gibt er beim Training mit der Holzklappe das Startzeichen für die Läufer.
Die britischen Sprinter, die der Hitze beim Laufen locker trotzten, verlangen anschließend nach dem gewohnten Eisbad. Aber in diesem Fall kann auch Achim Hoffmann nicht dienen. Es sei noch nicht geliefert worden, sagt er. Gleiches gilt für die Getränke. Die Kühlschränke stehen schon, aber der Inhalt fehlt noch.“ Der Vorsprung, den sich die Briten mit ihrem früheren Training erkämpft haben, wird bei der Frage nach Eistonne und Eisgekühltem ein Stück weit wieder zunichte gemacht.
Milena Fritzsche