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Hebammen auf einer Streikdemo in Berlin - im Hintergrund der Charité-Bettenturm in Mitte.
© imago images/Mike Schmidt
Exklusiv

Vertrauliches Papier: Vivantes-Vorstand appelliert im Pflegestreik an Berlins Senat

Der Arbeitskampf in Berlins landeseigenen Krankenhäusern wirkt – ein internes Schreiben macht deutlich, wie sehr die Klinikchefs unter Druck stehen.

Am neunten Tag des Pflegestreiks in Berlin richtet der Vivantes-Vorstand einen dringlichen Appell an den Senat. Die Vivantes-Kliniken bräuchten jetzt die „sichere Zusage der dringend benötigten Investitionsmittel“. Gemeint sind Hunderte Millionen Euro, um Vivantes „mittelfristig wieder wirtschaftlich aufstellen zu können und Defizite für das Land zu vermeiden“.

Das vertrauliche Papier, das dem Tagesspiegel vorliegt, erreichte am Freitag auch die gesundheits- sowie haushaltspolitischen Experten der Abgeordnetenhaus-Fraktionen. Unterzeichnet haben den Brief an den Senat die Vivantes-Vorstände Johannes Danckert (Leitung), Dorothea Schmidt (Personal) und Eibo Krahmer (Finanzen).

Hunderte Pflegekräfte der Vivantes-Kliniken und der ebenfalls landeseigenen Charité traten Donnerstag vergangener Woche in einen unbefristeten Streik. Sie wollen einen „Entlastungstarifvertrag“, der eine neue Personalbemessung und mehr Fachkräfte am Krankenbett erforderlich machen würde.

Die Vorstände der Universitätsklinik und von Vivantes verwiesen gleichermaßen darauf, dass die Personalregelungen im Bund bestimmt werden. Tatsächlich wurden dort mit den Krankenkassen jene Personalquoten festgelegt, die von den in Verdi organisierten Pflegekräften als untauglich kritisiert werden.

Die Gewerkschaft verweist aber darauf, dass Arbeitsbedingungen auch über Tarifverträge geregelt werden können. Am Samstag treffen sich Verdi-Verhandler dazu erstmals mit Charité-Chef Heyo Kroemer, auch bei Vivantes sollen nächste Woche neue Gespräche stattfinden.

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In dem Schreiben wird das Ausmaß der Arbeitsniederlegungen deutlich: Demnach sind allein in den Vivantes-Kliniken 900 von 5.500 Betten gesperrt, 17 Stationen geschlossen, 1000 Operationen verschoben worden. Rettungsstellen seien wiederholt bei der Feuerwehr abgemeldet worden. Letzteres geschah allerdings 2020 auch ohne Streik – in der Pandemie, als sich zu wenig Personal im Vivantes-Klinikum Neukölln um zu viele Covid-19-Fälle kümmern musste.

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Zu der von den Senatsparteien gemachten Zusage, sich auf Bundesebene für eine bessere Klinikfinanzierung einzusetzen, schreibt der Vivantes-Vorstand: Die Personalfrage sei tatsächlich „weder auf Unternehmens- noch auf Berliner Landesebene zu lösen“.

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Die Kliniken erhalten von den Krankenkassen sogenannte Fallpauschalen, also grob vereinfacht nur dann Geld, wenn eine Behandlung stattfand. Insbesondere die ambulanten Patienten, die in den Vivantes-Rettungsstellen massenhaft versorgt werden, kosten die klammen Kliniken mehr als von den Kassen bezahlt wird. Für die von Vivantes geforderten Investitionen in die kostspieligen Klinikbauten wiederum sind die Länder verantwortlich.

Zugleich hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) durchgesetzt, dass die Versicherungen jede neu angestellte Pflegekraft bezahlen müssen. Nur: Selbst bei steigenden Löhnen finden sich kaum Fachkräfte, die in einer Klinik arbeiten wollen.

Für das Reinigungs- und Küchenpersonal der Vivantes-Tochterfirmen und die Mitarbeiter im „Labor Berlin“ fordert Verdi zudem die höheren Löhne des Tarifvertrags des öffentlichen Dienstes. Allein für die Tochterfirmen koste die Einführung des TVÖD 35 Millionen Euro im Jahr, schreibt der Vorstand.

Man sehe sich insgesamt weder rechtlich noch wirtschaftlich in der Lage, „die Forderungen der Gewerkschaft eigenständig zu erfüllen“. Vivantes und in geringerem Maß die Charité hatten das Jahr 2020 auch wegen der Coronakrise mit Verlusten abgeschlossen.

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