Nach gescheiterten Tarifverhandlungen: Vivantes-Krankenhäuser werden bestreikt
Seit der Frühschicht legen Vivantes-Mediziner ihre Arbeit nieder. Das Landesunternehmen zahlt weniger als andere Häuser. Mittwoch folgt dann der Streik in Neukölln.
Nun also doch: Nach vier gescheiterten Verhandlungsrunden und zwei Wochen nach der Urabstimmung streiken die Vivantes-Ärzte. An diesem Dienstag legten die ersten Ärzte im Humboldt-Klinikum und im Vivantes-Haus in Spandau die Arbeit nieder.
In beiden Krankenhäusern hätten sich im Laufe des Tages mehr als 200 Mediziner am Ausstand beteiligt, teilte der Marburger Bund (MB) mit. Notfälle würden aber uneingeschränkt versorgt. Vivantes-Mitarbeiter meldeten sich bei Patienten, teilte eine Kliniksprecherin mit, wenn feststehe, ob ihre Termine ausfallen. An diesem Mittwoch sollen statt der beiden Nord-Berliner Häuser das Wenckebach-Klinikum in Tempelhof, das Vivantes-Haus in Neukölln und das Auguste-Viktoria-Klinikum in Schöneberg bestreikt werden.
250 Stunden im Monat für 6400 Euro brutto
Die Ärztegewerkschaft fordert nicht nur ein prozentuales Lohnplus, sondern mehr Geld für mehr Erfahrung. Konkret sollen neue Gehaltsstufen eingeführt werden, wie sie in anderen Kliniken existieren. Beispiel: Vivantes-Fachärzte erhalten nach mindestens zehn Jahren Betriebszugehörigkeit maximal 6400 Euro Monatsbrutto. Der MB möchte eine Zusatzstufe, nach 13 Jahren gäbe es 7000 Euro. Vivantes hat mehr als 6780 Euro geboten, neue Stufen sollen aber erst 2015 eingeführt werden.
Vivantes soll am Sparkurs festhalten
"Mit Überstunden und Bereitsschaftsdiensten arbeiten Ärzte durchaus 250 Stunden im Monat", sagt Thomas Werner, "das relatviert das Einkommen schon." Werner arbeitet als Chirurg im Vivantes-Haus in Friedrichshain und verhandelt für den MB. Vivantes-Ärzte bekommen außerdem weniger als Mediziner vieler anderer Kliniken. Das Landesunternehmen war lange verschuldet und zahlte auch Schwestern und Pflegern weniger als bundesweit üblich.
Intern ist bekannt, dass Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD) die Vivantes-Führung um Personalchef Christian Friese habe wissen lassen, dass Vivantes am Sparkurs festhalten solle.
Bedingungen "konkurrenzlos schlecht"
Günter Jonitz, Chef der Berliner Ärztekammer, der alle praktizierenden Mediziner angehören müssen, sagte: Mit einem Streik für eine Woche müsse man rechnen. Jonitz verwies auch auf die Verantwortung der Bundespolitik: Während die Bedingungen für Ärzte bei Vivantes oft „konkurrenzlos schlecht“ seien, reichten auch in anderen Kliniken die Fallpauschalen der Krankenkassen nicht, um eine angemessene Versorgung zu finanzieren. Bei 941 Millionen Euro Umsatz hat Vivantes 2013 gerade acht Millionen Euro Plus gemacht. Gäbe Vivantes dem MB in dieser Phase nach, dürfte dies planerisch zwei bis drei Millionen Euro im Jahr extra kosten. Am Dienstag tagt dazu der Vivantes-Aufsichtsrat.
Die in der Gewerkschaft Verdi organisierten Pfleger haben deshalb zu Protesten vor der Vivantes-Zentrale in Reinickendorf aufgerufen, denn Vivantes will die Techniker ausgliedern, um Lohnkosten zu sparen. Im Aufsichtsrat sitzt neben Nußbaum auch Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU), der sich bei Vivantes derzeit aber zurückhält.
Czaja hat am Montag die bundesweit bekannte Beratungsstelle „Pflege in Not“ in Kreuzberg besucht, die vor 15 Jahren gegründet wurde.
Hannes Heine