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Demonstration gegen Corona-Maßnahmen in Berlin.
© Christoph Kluge

Corona-Verharmloser irren stundenlang durch Berlin: Viele Mittelfinger und Spott für demonstrierende Querdenker

Auffällig planlos marschierten tausende Querdenker am Sonntag durch Berlin. Grund dafür dürfte auch eine Polizeitaktik sein.

Trotz Demonstrationsverbots sind am Sonntag erneut mehrere tausend Gegner der Coronamaßnahmen durch Berlin gezogen. Nachdem Querdenkergruppen zunächst über Telegram zum Volkspark Humboldthain mobilisiert hatten, dieser jedoch weiträumig von der Polizei abgesperrt wurde, gelang es den Demonstranten ab dem frühen Nachmittag, weitgehend ungehindert durch Prenzlauer Berg und Friedrichshain zu ziehen.

Masken- und Abstandsgebote wurden dabei wie am Vortag systematisch ignoriert. Die Proteste fanden zum Jahrestag des misslungenen Reichstagssturms von Corona-Verharmlosern am 29. August 2020 statt. Wortführer der Szene hatten allerdings dazu aufgerufen, das Regierungsviertel diesmal zu meiden, es sei zu stark bewacht. Stattdessen solle der Protest in Berlins Wohnviertel getragen werden. Dort stießen die Demonstranten mit ihren Botschaften jedoch auf wenig Zuspruch.

Sowohl in Prenzlauer Berg als auch in Friedrichshain wurden ihnen wiederholt von Passanten Mittelfinger gezeigt, Anwohner schütteten Wasser vom Balkon. Ein Gastronom erklärte den Querdenkern durchs offene Fenster seiner Kneipe, sie sollten endlich mit ihrem „Humbug“ aufhören. Mal forderte eine Frau „Verpisst Euch aus unserem Kiez“, mal rief ein Mann am Straßenrand: „Mein Opa ist 90, ihr seid Mörder!“ Der Verschwörungsideologe Boris Reitschuster behauptet, er sei mit einem Blumentopf beworfen worden.

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Zudem wirkten die Protestzüge phasenweise arg orientierungslos. Dies könnte auch an der Taktik der Polizei liegen, die schon am Sonnabend zum Einsatz gekommen war: Während sie die Masse der Demonstranten laufen ließ, nahmen Beamte immer wieder gezielt mutmaßliche Rädelsführer der illegalen Aufmärsche fest. Daher mussten die Protestler teilweise spontan entscheiden, in welche Straße sie als nächstes abbiegen wollten. Mehrfach drehten sich Demozüge, an denen auch Vertreter der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ teilnahmen, im Kreis oder liefen in Sackgassen. Die Polizei erklärte auf Twitter: "Es irren derzeit wenige Tausend Menschen durch die Straßen. Ein nicht vorhandener Plan lässt sich nur schwer verhindern."

Ein Polizist hält einen Teilnehmer einer nicht genehmigten Demonstration gegen die Corona-Politik der Bundesrepublik fest.
Ein Polizist hält einen Teilnehmer einer nicht genehmigten Demonstration gegen die Corona-Politik der Bundesrepublik fest.
© Christophe Gateau/dpa

Insgesamt nahm die Polizei am Sonntag bis zum frühen Abend 80 Personen fest. Die Taktik, sich dabei auf die Rädelsführer zu konzentrieren und somit der durch die Stadt ziehenden Menge die Orientierung zu nehmen, hatte sich bereits in der vergangenen Woche abgezeichnet. Etliche Führungsfiguren der Szene wurden vorab von Beamten aufgesucht und davor gewarnt, illegale Demonstrationen durchzuführen.

Polizei kennt Szeneköpfe inzwischen gut

Wie gut die Berliner Polizei mittlerweile die Bewegung der Corona-Verharmloser und deren wichtigste Akteure kennt, zeigte eine Szene am Sonnabend: Als der Anwalt Markus Haintz, einst enger Vertrauter von Querdenken-Gründer Michael Ballweg, an einer Polizeikette scheiterte und umkehren musste, verabschiedete ihn ein Polizist augenzwinkernd mit den Worten: "Ich habe auf Telegram gelesen, dass Sie ein V-Mann sind". 

Damit spielte der Beamte ironisch auf ein Gerücht an, das derzeit von mehreren Verschwörungsideologen verbreitet wird, mit denen sich Markus Haintz zerstritten hat. Die Berliner Autorin und Aktivistin Magdalena Jany, die seit Monaten unter dem Künstlernamen Aya Velázquez Verschwörungsmythen verbreitet, behauptet etwa, neben Markus Haintz seien auch diverse prominente Querdenker in Wahrheit “V-Leute”. Diese bestreiten das. 

Wird den Bundesbürgern bald Privatbesitz verboten?

Deutlich strukturierter als die Demonstrationen geriet am Sonntagnachmittag der Protest am Leipziger Platz: Dort hielt die Querdenker-Partei „Die Basis“ eine genehmigte Kundgebung ab. Redner verbreiteten dabei wüste Verschwörungsmythen. Einer behauptete, nach der Bundestagswahl solle allen Bürgern der Privatbesitz verboten werden, die Regierung halte diesen Plan jedoch derzeit noch geheim. Die intern massiv zerstrittene Kleinpartei wollte das Wochenende nutzen, um für Stimmen bei der Bundestagswahl zu werben. Auf dem Leipziger Platz zeigte man sich überzeugt, dass man bald neben der AfD als „zweite echte Oppositionspartei“ im Parlament sitzen werde. 

Gegen Ende der Veranstaltung drückte ein Redner seine Hoffnung aus, dass vor der Bundestagswahl noch viele Menschen an den Folgen der Corona-Impfung sterben werden, damit die Bevölkerung aufwacht und im Sinne der Partei wählt. Niemand widersprach ihm.

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