Kantinen zu klein: Viele Berliner Schulen haben nicht genügend Platz für Schulessen
Die Kostenfreiheit bei der Mittagsversorgung verschärft die Raumnot. Jede fünfte Grundschule weiß nicht, wo sie alle Schüler beköstigen soll.
Berlins Grundschulen haben nicht genug Platz, um für alle Kinder ein Mittagessen anzubieten. Etliche Schulämter sind deshalb auf der Suche nach schulnahen Mietobjekten, Oberschulen und Jugendhäusern, die Platzreserven haben. Auslöser der Raumnot ist der Beschluss der rot-rot-grünen Berliner Koalition, zum Schuljahr 2019/20 auf Elternbeiträge für das Schulessen der Erst- bis Sechstklässler zu verzichten. In der Folge könnten – zumindest zu Anfang – bis zu 100 Prozent der Familien Essensverträge abschließen, lautet die Erwartung. Bisher essen nur rund 60 Prozent der Kinder.
Nach Tagesspiegel-Informationen haben bei einer berlinweiten Umfrage der Verwaltung 75 der rund 350 öffentlichen Grundschulen angegeben, dass sie mangels Raumkapazitäten oder anderer Probleme nicht wissen, wie sie alle Schüler beköstigen können.
Die Schulen sollten ihre Ausgangslage in Sachen Mittagessen mit den Ampelfarben beschreiben. „Grün“ sollte bedeuten, dass man ohne Probleme auf die Beköstigung aller Schüler umstellen könnte. Am Ende machten die genannte 75 Schulleiter ihr Kreuzchen bei „Rot“. Darunter sind viele, die zusätzliche Räume benötigen. Anderen fehlen Ausgabeküchen oder Mitarbeiter.
"Werkstattgespräche" sollen es richten
Die Bildungsverwaltung wollte die Zahl 75 nicht bestätigen und auch nicht sagen, wie viele Schulen „gelb“ ankreuzten. Ein Sprecher verwies auf die laufenden „Werkstattgespräche“, bei denen Lösungen generiert werden sollen. Die Verwaltung geht also davon aus, dass einige der roten Ampeln inzwischen auf grün oder gelb stehen. Dennoch bleibt die Lage heikel.
"Wir sind in der Lage das Essen zu liefern, aber wir können keine Räume beschaffen", lautet die Ansage des Verbands der Caterer. Laut Sprecher Rolf Hoppe werden zurzeit täglich rund 120.000 Schulessen geordert: "Bis zu 170.000 könnten es werden", so seine Prognose am Sonntag. Um auf den Ansturm vorbereitet zu sein, habe sein Betrieb bereits "Geräte geordert und zusätzliches Personal eingestellt", sagte Hoppe, der Geschäftsführer beim Caterer "Luna" ist.
...und in der Aula wird geturnt
Was auf die Schulen zukommt, lässt sich am Beispiel der Andersen-Schule im Wedding zeigen: Sie hat 400 Schüler, bisher isst nur ein Bruchteil von ihnen in der Schule. Keiner weiß, wie alle Kinder mit Essen versorgt werden sollen: Wegen der Kostenfreiheit wird damit gerechnet, dass zunächst die meisten Familien dieses Angebot nutzen werden. Erschwerend kommt hinzu, dass der marode Hort abgerissen wird. In der Aula wird geturnt, weil die Sporthalle zu klein ist. Das Platzproblem verschärft sich noch dadurch, dass berlinweit für die Erst- und Zweitklässler die Bedarfsprüfung für den Hort wegfällt. Dadurch steigt die Nachfrage nochmals.
Leichter haben es Ostbezirke wie Marzahn-Hellersdorf, wo viele Schulen von Anfang an für die Verpflegung aller Kinder konzipiert waren. Laut Bildungsstadtrat Gordon Lemm (SPD) gab es nur „drei bis vier rote Ampeln“, von denen inzwischen noch zwei „sehr problematisch“ seien. Neukölln Bildungsstadträtin Karin Korte (SPD) weiß von rund sechs Problemfällen. Zu den Lösungsvorschlägen gehört die Anmietung von Räumen in der Nachbarschaft oder die Nutzung von Kantinen benachbarter Oberschulen. Auch aus Spandau kamen Hilferufe von Schulleitern.
CDU sieht "rot-rot-grüne Profilierungssucht"
Dies gilt in ähnlicher Form auch für den Bezirk Mitte: Das Schulamt von Bildungsstadtrat Carsten Spallek (CDU) sucht ebenfalls nach Räumen, die angemietet werden können. Spallek bedauert, dass es durch die „Profilierungssucht“ von Rot-Rot-Grün ab Sommer zu den zusätzlichen Raumproblemen kommen wird. Wie berichtet, erwarten etliche Schulen, dass ihre Schüler in vier oder noch mehr Schichten essen müssen, weil die Kantinen zu klein sind. Der Schultag zieht sich dadurch in die Länge. Spallek – wie auch der Grundschulverband und das Bündnis für den Ganztag – plädierte daher dafür, mit dem kostenlosen Schulessen noch zu warten. Aber die Koalitionäre hielten daran fest, zumal auch der Landeselternausschuss immer wieder für das kostenlose Essen geworben hatte.
Zusatzkosten unbekannt
Was es kosten wird, die Mensen und Ausgabeküchen zu erweitern, das zusätzliche Mobiliar und Geschirr zu kaufen und die zusätzliche Betreuung beim Essen und im Hort zu organisieren, ist noch völlig unklar. Klar ist hingegen: Der Finanzsenator rechnet in den nächsten zwei Jahren mit Einnahmeausfällen aus Steuern und dem Finanzausgleich in Höhe von voraussichtlich um 900 Millionen Euro.