Proberundgang: Viel Lob für die neue Berliner S-Bahn
Bei der Besichtigung des künftigen Modells freuen sich die Tester über mehr Platz, die Sitzfarbe und weniger Werbung. Nur die neuen Töne an den Türen nerven.
Berliner, die nicht meckern: Es gibt sie. Sogar bei der S-Bahn. Zumindest, wenn es um deren neuen Zug geht. Das gute Dutzend Tester, das sich am Mittwoch durch das künftige Fahrzeug führen ließ, kritisierte nur wenig oder regte lediglich kleinere Verbesserungen an. Die Gruppe gehörte zu den Teilnehmern, die die S-Bahn für solche Proberunden an ihrem Probefahrzeug aus Holz in diesem Monat nach ihrer Meinung zum Neuling fragt.
Fahrerfenster oder Klotürfenster?
„Rundum gut“, findet ihn Petra Dommert, die an den bisherigen Zügen doch einiges auszusetzen hat. Zu 95 Prozent sei sie mit dem vorgestellten Fahrzeug zufrieden. „Und das heißt bei mir schon viel“, sagt sie. Innen und außen sei der Zug gelungen. Sie freue sich schon, wenn aus dem Holzmodell ohne Räder eines Tages ein richtiger Zug geworden ist. Nur eine Winzigkeit stört sie: Das kleine Fenster in der Tür zum Fahrerraum. „Sieht aus wie eine Klotür“, meint Dommert.
Auch wenn die S-Bahn prüfen will, ob vorgeschlagene Änderungen an dem Fahrzeug noch möglich sind, bleibt es auf jeden Fall bei der „Klotür.“ Das Fenster müsse so klein sein, weil die Crashnormen bei einem Zusammenstoß stabile Türen vorschreiben, erklärte Annekatrin Westphal, die Fahrgastmarketing-Leiterin der S-Bahn, die die Führungen an dem Modell übernommen hat. Auch ihr wäre eine größere Scheibe in der Tür lieber gewesen.
Neue Bahn freut auch Rollstuhlfahrer
Dommert freut sich besonders über den vielen Platz im Zug. „Hier komme ich mit dem Rollstuhl meiner siebenjährigen Enkelin überall durch“, ist sie überzeugt. Und Westphal ergänzt. „Von zwölf bisher dagewesenen Rollstuhlfahrern hat es keine grundsätzliche Kritik am Konzept gegeben, das unter anderem viel Platz in Mehrzweckbereichen vorsieht.“
Mehr Raum wünscht sich dagegen Michael Schröter am Sitz vor dem Mehrzweckabteil, das dort mit einer Glasscheibe abgetrennt ist. Auch die Klappsitze würde er auf einer Seite entfernen, um Konflikte mit bereits sitzenden Fahrgästen zu vermeiden.
Und dann die Töne der neuen Bahn, die sie beim Einfahren in den Bahnhof an den Türen abgibt, damit Sehschwache sich besser orientieren können, sowie anschließend beim Öffnen und Schließen. „Grauenhaft“ findet sie Dommert. Bei längeren Fahrten auf Dauer nervig, meint auch Schröter. Wolf Bonitz, ein gebürtiger Berliner, der seit Jahren in Stuttgart lebt, kontert: „Einfach gut sind sie“, findet er. Die Diskussion darüber sei völlig überflüssig. Das Piepen beim Einfahren werde vielleicht durch das bekannte Klacksignal an Ampeln ersetzt, kündigte Westphal an. Dies hätten Blinde bei den Vorführungen angeregt. Damit wäre auch Dommert zufrieden.
Unzufrieden waren viele Teilnehmer bei der großen Netzübersicht, die an der Fahrertür angebracht ist – in Augenhöhe von Rollstuhlfahrern. Andere Fahrgäste müssen sich fast hinknien, um etwas entziffern zu können. Dies sei eine Vorgabe der Länder gewesen, die die Kriterien für den neuen Zug erstellt haben, sagte Westphal. Ob es hier eine andere technische Lösung geben kann, wie sie Teilnehmer vorgeschlagen haben, muss sich zeigen. Wie bei den fehlenden Armlehnen, bemängelt von einem jüngeren Tester.
Züge sollen keine Außenwerbung erhalten
Hin und wieder musste aber auch Westphal bei Fragen passen. Etwa bei der, warum die neuen Züge als Baureihe 483/484 bezeichnet werden. Bisher gibt es die Reihen 480, 481 und 485. Jetzt wäre doch 486 an der Reihe, meint ein Teilnehmer. „Die Antwort überfordert mich“, gab Westphal zu. Sie werde sich darum kümmern, dass es in der Fahrgastzeitschrift „Punkt3“ dazu eine Erklärung geben werde.
Gelegentlich versucht Westphal sogar, ausbleibende Kritik von der Gruppe zu provozieren: „Und die blauen Polster der Sitze erregen niemand?“ Nein, wieder nichts. Kein Gemeckere. Schließlich auch kein Wunder. Nach Westphals Angaben mögen über 70 Prozent der Deutschen die Farbe Blau. Und die Bahn spare sich durch den Masseneinkauf des Stoffs, der auch in anderen Zügen die Sitze ziert, eine Menge Geld, „das wir dann lieber an sinnvolleren Stellen ausgeben“, sagt Westphal.
Selbst die vorgesehene äußere Farbgebung, bei der nur ein schmaler roter Streifen im unteren Bereich sowie die schwarz lackierten Türen an dem ansonsten gelben Fahrzeug an die alten Farben erinnern, wird von der Gruppe nicht bemängelt. Und als Westphal dann auch noch sagt, dass die Züge später keine Außenwerbung erhalten werden, ist zu hören: „Das wird ja immer besser!“