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Führerschein im Alter: Versicherer fordern Fahrtests für Senioren

Hochbetagte verursachen besonders viele Autounfälle: In den vergangenen 15 Jahren haben sich in Berlin die Unfallzahlen von Senioren verdoppelt.

Ein Führerschein gilt ewig – noch. Angesichts einer zunehmenden Zahl von Verkehrsunfällen durch Senioren könnte sich das allerdings ändern. Der Unfall, denn die Polizei am Sonntag meldete ist beispielhaft: Eine 85-Jährige überfuhr in Heiligensee ihren eigenen Ehemann beim Versuch das Auto einzuparken. Der 82-Jährige erlitt lebensgefährliche Verletzungen. Nach Polizeiangaben hatte die Frau Gas und Bremse verwechselt.

Vor zwei Monaten fuhr ein 72-Jähriger in Steglitz seine Frau tot. Nach einem von dem Mann verursachten Blechschaden war die Frau ausgestiegen. Als sie vor dem Wagen stand, gab ihr Mann plötzlich heftig Gas. Die 73-Jährige war sofort tot.

Unfallforscher wissen: Das Risiko steigt mit 75 Jahren deutlich an. Drei von vier Unfällen, in die über 75-jährige Autofahrer verwickelt sind, wurde auch von ihnen verursacht. Die bundesweite Unfallquote bei dieser Altersgruppe liegt damit höher als bei der Hochrisikogruppe der bei der Polizei so genannten „Jungen Erwachsenen“ (18 bis 24), hat Siegfried Brockmann von der Unfallforschung der Versicherer (UDV) herausgefunden.

Ältere Autofahrer sollten aus Sicht der UDV deshalb mittelfristig gesetzlich dazu verpflichtet werden, Testfahrten mit geschulten Beobachtern durchzuführen. Brockmann sagte dem Tagesspiegel, dass er diese Forderung auf dem nächsten Verkehrsgerichtstag im Januar in Goslar vorstellen werde. Das Wort dieses jährlich tagenden Gremiums hat Gewicht, da seine Empfehlungen regelmäßig von der Politik in Gesetzes- oder Verordnungsform gegossen werden.

Der Besitz des Führerscheins ist vom Gesetz geschützt

Testfahrten mit Prüfer seien sinnvoller als rein medizinische Tests wie auf Gehör und Sehfähigkeit. Solche seien nicht geeignet, um gefährliche Senioren zuverlässig zu erkennen, sagte Brockmann. Der Unfall vom Wochenende habe dies wieder einmal bestätigt. Die Autofahrerin sei in der Situation schlicht überfordert gewesen und habe nach Polizeiangaben immer weiter Gas gegeben.

Allerdings wird der Experte aus rechtlichen Gründen dafür plädieren, dass das Ergebnis des Fahrtests „unter vier Augen“ bleibt – die Führerscheinstelle also nicht automatisch informiert wird. Um Senioren den Führerschein abzunehmen, fehle die wissenschaftliche Validität der Testfahrt. Der Besitz des Führerscheins sei vom Grundgesetz geschützt, „den können wir nicht so einfach wegnehmen“.

Brockmann betonte, dass es nicht das Ziel sei, Senioren das Autofahren ganz auszureden. Die meisten Senioren wissen nicht, wie fit sie noch für den Straßenverkehr sind und ob von ihnen eine erhöhte Unfallgefahr ausgeht, sagte Brockmann. Ihnen würden Tipps helfen, zum Beispiel nicht mehr nachts zu fahren, oder Innenstädte zu meiden.

ADAC lehnt gesetzliche Regelungen für ältere Führerschein-Besitzer ab

Angesichts der demografischen Entwicklung dränge die Zeit, sagte Brockmann: „In zehn Jahren haben wir tatsächlich ein Problem.“ In Berlin haben sich die Unfallzahlen von Senioren in den vergangenen 15 Jahren verdoppelt. 2015 waren Senioren in fast 16.000 der 138.000 Unfälle verwickelt, das sind 11,4 Prozent. Vor 15 Jahren lag die Quote nur bei 5,2 Prozent. Für die Polizei beginnt der „Senior“ bereits mit 65, wie Junge Erwachsene gelten sie in der Unfallstatistik als „Risikogruppe“. Unter den Getöteten waren 2015 fast 40 Prozent Senioren. In diesem Jahr waren 22 der 49 Verkehrsopfer über 65, das sind bereits 45 Prozent.

Die meisten Rentner waren zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs. Auch die Zahl der Fälle steigt, bei denen Senioren am Steuer einen Schwäche- oder Herzanfall erleiden. So hatte ein 73-Jähriger im April nach einem tödlichen Infarkt geparkte Autos gerammt – nur durch Glück waren keine Fußgänger verletzt worden. Weitaus weniger problematisch seien „junge Senioren“. „Die heute 70-Jährigen sind so gesund wie die 60-Jährigen vor 20 Jahren“, heißt es in einer von der UDV zitierten Charité-Studie.

Der ADAC lehnt gesetzliche Regelungen für ältere Führerschein-Besitzer ab. Der Auto-Club bietet freiwillige „Fahr-Fitness-Checks“ an, dessen Ergebnis nicht an Behörden weitergegeben wird. Das kostet für Mitglieder 49 und für Nichtmitglieder 69 Euro. Ob sich die Teilnehmer das Ergebnis zu Herzen, ist offen. Ältere Menschen halten sich meist für gute Autofahrer und lassen sich nur schwer auf Fehler ansprechen – auch dies eine Erkenntnis der Forscher des UDV.

In Berlin haben sich die Unfallzahlen von Senioren in den vergangenen 15 Jahren verdoppelt.
In Berlin haben sich die Unfallzahlen von Senioren in den vergangenen 15 Jahren verdoppelt.
© Alexander Körner/dpa

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