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Susanne Stumpenhusen ist seit 2001 Landesvorsitzende von Verdi.
© Rainer Jensen dpa/lbn

Gastbeitrag zur Berliner Verwaltung: Verdi-Landeschefin: "Es wurde gespart, bis es quietscht"

Die Arbeit im Öffentlichen Dienst muss attraktiver werden, fordert Verdi-Landesvorsitzende Susanne Stumpenhusen. Sonst drohe der Kollaps.

Berlin braucht bürgernahe, moderne, funktionierende und effiziente öffentliche Dienstleistungen – sie sind ein wesentlicher Standortfaktor und unverzichtbar für eine erfolgreiche Ansiedlungs- und Industriepolitik. Wochenlange Wartezeiten in Bürgerämtern und schleppende Gerichtsverfahren wegen fehlender Richter*innen und Staatsanwält*innen sind kein Aushängeschild für die Metropole und Bundeshauptstadt. Jahrelange Kürzungspolitik bei den Personalkosten und ein dramatischer Investitionsstau bei öffentlichen Gebäuden zeigen Wirkung: einsturzgefährdete Brücken und Schulen, gesundheitsgefährdendes Wasser im Polizeirevier, lange Wartezeiten auf Kitaplätze – täglich kommen neue Hiobsbotschaften, es wurde „gespart“, bis es quietscht!

Die Arbeits- und Einkommensbedingungen im Öffentlichen Dienst sind nicht mehr attraktiv. Es wird immer schwieriger, geeigneten Nachwuchs für die Verwaltungen, für Bereiche wie Feuerwehr oder Polizei zu finden. Diese missliche Lage wird sich noch weiter verschärfen. Um die ohnehin zu wenigen Bewerber*innen konkurriert Berlin mit der Privatwirtschaft, mit dem Bund und dem Land Brandenburg. Nachwuchs wird nicht nur benötigt, um den aktuellen Personalstand überhaupt halten zu können. Daneben müssen auch die vielen altersbedingten Abgänge kompensiert werden, die in den nächsten Jahren anstehen.

"Unsere Warnungen wurden ignoriert"

Verdi fordert seit vielen Jahren nicht nur verbesserte Arbeitsbedingungen, sondern auch ein effizientes Personalmanagement für die Hauptstadt. Wir haben uns stets für eine deutliche Steigerung der Azubi- und Anwärter*innenzahlen und für die Übernahme Ausgebildeter eingesetzt. Unsere Hinweise und Warnungen wurden ignoriert, weder die demografische Entwicklung noch die Notwendigkeit einer altersmäßigen Durchmischung im öffentlichen Dienst wurden berücksichtigt. Inzwischen fehlen in den Berliner Verwaltungen ganze Beschäftigten-Generationen, das Personal leidet unter dem zu hohen Altersdurchschnitt und die Bürger*innen bekommen das zu spüren – hohe Krankenstände, lange Wartezeiten, geschlossene Bürgerdienste.

Der Berliner Öffentliche Dienst braucht dringend Nachwuchs. Das ist leicht gesagt, die Umsetzung dieser Idee wird immer schwieriger, weil inzwischen ein Job im Öffentlichen Dienst trotz des vermeintlich sicheren Arbeitsplatzes für junge Menschen nicht mehr automatisch erstrebenswert ist. Ein massiver Fachkräftemangel droht, wenn es nicht gelingt, die Arbeit beim Senat, bei den Bezirken, der Feuerwehr oder den Gesundheitsämtern attraktiver zu machen. Dazu gehören faire, konkurrenzfähige Einkommen und gute Arbeitsbedingungen – die es in vielen Bereichen zurzeit nicht gibt. Wir vermissen eine zukunftsgerichtete Personal- und Personalentwicklungsplanung, die festlegt, wie es mit den öffentlichen Dienstleistungen weitergehen, welche Dienstleistung in welcher Zeit und Qualität künftig erbracht werden soll. Es fehlt eine realistische Stellenplanung, die den Dienststellen Planungssicherheit gibt.

"Wir brauchen innovative Köpfe"

In den vergangenen Jahren mussten vor allem die bürgernahen Dienste in den Bezirken Federn lassen. Hier erwarten wir mehr Wertschätzung und mehr Bürgernähe. Es wird schwierig, in den kommenden Jahren überhaupt den Status Quo des aktuellen Personalstandes zu halten. Die dringend benötigten Verwaltungsspezialist*innen gibt es auf dem Arbeitsmarkt kaum. Deshalb muss der Öffentliche Dienst selbst ausbilden, Laufbahnöffnungen vornehmen und sich Quereinsteiger*innen öffnen.

Berlin hat eine besondere Struktur. Die Zweistufigkeit der Berliner Verwaltung erschwert eine einheitliche Steuerung, wird jedoch kaum in Frage zu stellen sein. Zumindest den Versuch wäre es wert, in der Frage der Personalrekrutierung und -bindung zu einer verbindlichen Vereinbarung zwischen Senat und Bezirken zu kommen. Gleiches gilt für die IT-Ausstattung. Berlin hat auch Tradition bei der Mitbestimmung. In den Dienststellen des Landes gibt es Personalräte, Frauen-, Schwerbehinderten-, Jugend- und Auszubildendenvertretungen. Leider werden sie häufig unterschätzt, bedauerlicherweise wird ihnen mitunter sogar eine Blockadehaltung gegenüber Reformen und Innovationen unterstellt. Wir meinen: Sie sind Expert*innen für die Aufgabenerledigung, sie kennen ihre Dienststellen und die Beschäftigten genau, ebenso wie die oft verkrusteten und wenig hinterfragten Abläufe in der Arbeitsorganisation. In Berlin arbeiten über 100.000 Beschäftigte allein beim Senat und bei den Bezirken. Um diesen Riesenbetrieb wirkungsvoll zu verbessern, das beste Management für Berlin zu entwickeln, werden innovative Köpfe benötigt – weit mehr als die in einer Personalabteilung beim Finanzsenator verorteten Planer*innen. Veränderungen und Innovationen muss man mit und nicht gegen die Beschäftigten angehen.

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Susanne Stumpenhusen

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