„Black Lives Matter“-Demo in Berlin: Veranstalterin ist froh, dass nicht zu viele Menschen teilnahmen
Etwa 1100 Menschen protestierten am Samstaggegen Rassismus. Die Veranstalter verbuchen die Demo als Erfolg. Auch die Abstandsregeln konnten eingehalten werden.
Mehrere Hundert Menschen versammelten sich am Samstagmittag unter dem Motto „Black Lives Matter” zum Protest gegen Rassismus am Großen Stern. Um die Infektionsschutzregeln einzuhalten, wurden Markierungen im Abstand von 1,50 Metern zu einander auf den Boden geklebt. Die meisten Teilnehmenden hielten den Mindestabstand ein und trugen Masken.
Zwischen den Redebeiträgen forderten die Veranstalter außerdem regelmäßig dazu auf, die Abstandsregeln einzuhalten. Die Abstandsregeln seien “vorbildlich” eingehalten worden, sagte eine Polizeisprecherin vor Ort.
Um 13.10 Uhr zählte die Polizei demnach 800 Teilnehmer. Eine Stunde später waren es deutlich mehr. Zum Ende der Veranstaltung am Nachmittag wurde ihre Zahl von der Polizei auf etwa 1100 geschätzt; offiziell angemeldet waren 1500 Teilnehmer. Etwa die Hälfte der Demonstranten waren Schwarze Menschen.
Mehr als 8000 Menschen hatten vorab auf der Facebook-Seite der Veranstaltung ihre Teilnahme zugesagt, sogar mehr als 20.000 zeigten sich interessiert.
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Die Berlinerin Vanessa H., die kürzlich Opfer eines womöglich rassistischen Vorfalls in einem Berliner Drogeriemarkt wurde, gehört zum Veranstaltungsteam des Protests. Sie schreitet ein, als es vor der Bühne zu einem kleinen Tumult kommt: Einer der Veranstalter dankt der Polizei für gute Zusammenarbeit bei der Organisation der Veranstaltung unter Coronabedinungen. Er fordert die Teilnehmenden auf, für die Polizei zu applaudieren. Der Applaus fällt verhaltener aus als bei den anderen Redebeiträgen.
Dann stürmt eine kleine Gruppe zur Bühne, eine Aktivistin fordert das Mikrofon und ruft: „Die deutsche Polizei ermordet unsere Geschwister!” Polizisten würden rassistische Gewalt verüben und Neonazis schützen.
Vannesa H. reagiert: „Wir dürfen uns nicht von Hass leiten lassen!” Sie verweist darauf, dass sie selbst vor Kurzem von Polizisten angegriffen worden sei, aber Wut hintenanstelle – bei dieser Demonstration ginge es darum, Menschen zusammenzubringen. Es bringe nichts, nur radikale Parolen zu schreien, sagte sie. Das würde den Protest gegen den Rassismus diskreditieren. Viel Applaus von den Demo-Teilnehmern.
Auch kommunistische Gruppen kommen zu Wort
In anderen Beiträgen werden Forderungen gestellt, wie Rassismus begegnet werden müsse. „Wir müssen uns organisieren, um das System der Ungleichheit zu beenden!”, ruft ein Redner. Eine Rednerin sieht Alltagsrassismus als das Problem: “Wenn du fragst, was du gegen Rassismus machen kannst, hast du es nicht verstanden”. Denn es ginge darum, selbst keinen Rassismus mehr zu produzieren, sagte sie. Dazwischen immer wieder Sprechchöre: „Black Lives Matter”.
Auch Redner von kommunistischen Splittergruppen, die zur Revolution gegen den Kapitalismus aufrufen, treten ans Mikrofon. Ein Redebeitrag fordert die Legalisierung von Cannabis, weil sich die Strafverfolgung von Drogendelikten überdurchschnittlich gegen People of Colour richte.
Veranstalterin froh, dass nicht zu viele Menschen kamen
Nach der Demonstration hört der Stress für die Organisatorin Uchechi May Nzerem Chineke noch nicht auf. Teilnehmer fragen, wo sie Spenden abgeben und T-Shirts kaufen können. Die US-Amerikanerin, die in Stuttgart wohnt, scheint alles selbst machen zu wollen. Nach eigenen Angaben lebt sie seit 2006 in Deutschland.
Demonstrationen unter dem Motto „Black Lives Matter” habe sie bereits in verschiedenen deutschen Städten organisiert. Die Veranstaltung sei ein Erfolg gewesen. Sie sei aber froh, dass nicht viel mehr Menschen gekommen seien. Denn dann wäre es schwerer gewesen, die Abstandsregeln einzuhalten, vermutet sie. In Zusammenarbeit mit der Polizei habe es aber gut geklappt, sie umzusetzen.
Im Vorfeld gab es auch Kritik. Aktivisten der gleichnamigen Gruppe „Black Lives Matter Berlin” hatten sich im Vorfeld aufgrund der Coronapandemie generell gegen Demonstrationen ausgesprochen. Chineke sagte, es habe im Internet sogar Aufrufe gegeben, nicht zur heutigen Veranstaltung heute zu kommen.
„Black Lives Matter ist keine geschützte Marke”, sagt sie. Einige Gruppen würden für sich beanspruchten, allein für die Rechte dunkelhäutiger Menschen zu sprechen. Dazu hätten sie aber kein Recht. Die nächste Demonstration könnte in Mannheim stattfinden, sagt sie eilig, das stünde aber noch nicht fest. Dann muss sie schnell weiter.
Attila Hildmann fuhr mit beflaggtem Korso vorbei - was viele Demonstranten nicht registriert haben dürften
Am Rande des Protests zog der umstrittene Kochbuchautor Attila Hildmann mit einem Autocorso vorbei. Er hatte angekündigt mit mehr als 100 Wagen seiner Unterstützer vom Olympiastadion aus zu starten. Aus vielen Fahrzeugen hingen Deutschland- und USA-Fahnen. Sie sind hupend an der Siegessäule vorbeigefahren, doch viele Demonstranten des "Black Lives Matter"-Protests auf der Straße des 17. Juni dürften davon nichts bemerkt haben - der Autokorso fuhr wegen der Absperrungen nur ein Viertel des Kreisverkehrs.
Attila Hildmann war in den vergangenen Monaten immer wieder auf sogenannten Hygiene-Demos gegen die Pandemiebestimmungen aufgefallen, zuletzt äußerte er sich auch antisemitisch.
Anfang Juni hatten sich schon einmal etwa 15.000 Menschen zu einer "Silent Demo" auf dem Alexanderplatz versammelt, um gegen Rassismus zu protestieren. Auslöser war die Tötung des Afroamerikaners George Floyd durch einen Polizisten in den USA gewesen. Bei dieser Demo hatte es Kritik daran gegeben, dass Abstandsregeln nicht eingehalten werden konnten.
Die Proteste heute werden allerdings nicht von der Gruppe “Black Lives Matter Berlin” organisiert. Die war auch Anfang Juni nicht beteiligt. Die Gruppe schreibt auf ihrer Website, aufgrund der Covid-19-Pandemie würde sie momentan keine Präsenzveranstaltungen durchführen oder unterstützen. Der Name “Black Lives Matter” sei jedoch nicht geschützt, “es gibt keine Kontrolle darüber, wer ihn benutzt.”
Parallel zieht der "Berlin Pride 2020" vom Nollendorfplatz zum Potsdamer Platz - hiermit sollte ein Zeichen gegen Homo- und Transfeindlichkeit gesetzt werden. Der große Umzug zum Christopher Street Day wurde dieses Jahr aufgrund der Pandemie abgesagt.