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Die Veranstalter riefen dazu auf, Abstand zu halten und Masken zu tragen.
© Tobias Schwarz/AFP
Update

Christopher Street Day in Berlin: Tausende demonstrieren friedlich, aber offenbar ein homophober Übergriff

Weniger Party, mehr Politik: Tausende ziehen beim alternativen Christopher Street Day durch Berlin. Eine Frau bezeichnet die Demonstranten jedoch als "krank".

Lange sah es recht trist aus für die Fans des Berliner Christopher Street Days (CSD). Wie so viele andere Großveranstaltungen wurde die Parade schon früh Corona-bedingt abgesagt und ins Digitale verschoben. Ein fünfköpfiges Organisationsteam um den LGBTQ-Aktivisten Nasser El-Ahmad gab sich damit nicht zufrieden und stellte kurzerhand die alternative Pride 2020 auf die Beine.

Unter Beachtung der allgemeinen Hygiene-Standards wollte man zurück zu den Wurzeln des eigentlichen CSD und politische Botschaften in den Fokus rücken.

Tatsächlich wurde auf Partyatmosphäre und Firmen-Trucks größtenteils verzichtet, als der alternative Christopher Street Day sich bei sengender Hitze kurz nach 12 Uhr am Nollendorfplatz in Bewegung setzte.

Die von Veranstalterseite angemeldeten 1000 Teilnehmenden werden schnell übertroffen. Im Nachhinein spricht die Polizei von 3500 Menschen, das Organisationskomitee um El-Ahmad von zehntausend Demonstrierenden, die von Schöneberg in hohem Tempo zum Alexanderplatz ziehen.

Auch an der Siegessäule begann zur Mittagszeit eine weitere Demonstration. Dort wollten Tausende unter dem Motto „Black Lives Matter" demonstrieren.

So divers die LGBTQ-Szene weltweit ist, so divers ist auch die alternative Berliner Pride. Während im hinteren Teil des Zuges immer wieder Parolen der „Black Lives Matter“-Bewegung erklingen und in Sprechchören dazu aufgerufen wird, die Rechte von transsexuellen Personen schwarzer Hautfarbe zu schützen, laufen weiter vorne die drei Teenager Helena, Jessica und Loui. Alle drei halten es für unabdingbar, trotz Covid-19 und möglicher Ansteckungsgefahr für ihre Rechte auf die Straße zu gehen.

Ein Online-CSD reicht ihnen nicht. „Wir müssen sichtbar sein“, sagt Jessica. Den dreien liegt besonders die von den Grünen geforderte Abschaffung des Transsexuellengesetzes am Herzen, wodurch transsexuelle Personen in Deutschland mehr Selbstbestimmung erlangen würden.

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Generell kommt das Konzept des diesjährigen CSD bei den Teilnehmenden gut an. Die Berliner Patrick und Michael stehen mit einer kleinen Regenbogenflagge am Rand der Parade und freuen sich über die Politisierung der Veranstaltung. „In den letzten Jahren sind die politischen Botschaften in der Masse und Partystimmung oft untergegangen. Zu zeigen, dass der Kampf um Gleichberechtigung der Community längst nicht abgeschlossen ist, gefällt uns gut“ sagt Patrick.

Dass dieser Kampf noch lange nicht gewonnen ist, veranschaulicht ein Vorfall Unter den Linden. Videobilder, die auf Instagram zu sehen waren, zeigen eine ältere Frau, die Teilnehmende mehrmals als „krank“ und „reif für die Psychiatrie“ bezeichnet. Sie schlägt den Filmenden und Umstehende mit ihren Krücken und trifft wohl auch einmal das Handy des Filmenden. Die Polizei konnte die Echtheit der Bilder zunächst nicht bestätigen, riet aber zu einer Anzeige.

Der überwiegende Teil der Schaulustigen und Passanten zeigte sich aber positiv überrascht vom alternativen CSD. In der Potsdamer Straße wird von der Terrasse eines türkischen Cafés der Daumen nach oben gestreckt. Am Lustgarten kommt eine Dortmunder Rentnergruppe zu dem Schluss, „dass man ja in einer Demokratie lebe und es schön ist, wenn jeder so sein darf, wie er oder sie will“

Auch die Polizei äußerte sich zufrieden mit der Veranstaltung. Ein Polizeisprecher sagte: „Der Zug lief so, wie man sich Veranstaltungen in Zeiten von Corona nur wünschen kann.“

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