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Der Tatort selbst wurde zunächst mit einem Zelt abgeschirmt
© REUTERS

Mord an Georgier in Berlin: US-Geheimdienste sollen Identität des mutmaßlichen Mörders geklärt haben

Der Verdacht auf einen Mordauftrag aus Russland verdichtet sich. Der Druck auf die Bundesregierung wächst, Position zu beziehen.

Die US-Behörden sollen deutsche Stellen über die wahre Identität des Mannes informiert haben, der Ende August in Berlin einen Georgier erschossen hat. Das berichtet der "Spiegel". Demnach soll es US-amerikanischen Geheimdiensten gelungen sein, die Identität des mutmaßlichen Mörders zu klären.

Nach Informationen von Spiegel und dessen internationalen Recherchepartnern "Bellingcat", "The Insider" und "Dossier Center" handelt es sich um einen 48-jährigen russischen Staatsbürger.

Der Mann soll Angehöriger einer Einheit des russischen Innenministeriums gewesen sein, die schon früher Dokumente für den Militärgeheimdienst GRU ausgestellt habe. Anfang der Nullerjahre sei der Mann dann wegen Mordes zu einer langen Gefängnisstrafe verurteilt worden.

Fahndungsfoto des mutmaßlichen Täters.
Fahndungsfoto des mutmaßlichen Täters.
© Polizei Berlin

Das "Wall Street Journal" hatte vor wenigen Tagen US-Regierungskreise damit zitiert, dass der Tatverdächtige erst kurz vor dem Verbrechen in Berlin aus einem russischen Gefängnis entlassen worden sei.

Die US-Behörden gehen davon aus, dass der Mord von Russland in Auftrag gegeben wurde. Ein US-Regierungsmitarbeiter hatte gegenüber dem "Wall Street Journal" erklärt: „Die Vereinigten Staaten glauben, dass Russland für diesen Mord verantwortlich ist."

Hat die Bundesrepublik einen Fall Skripal?

Sollten deutsche Stellen tatsächlich von den US-Geheimdiensten über die Identität und möglicherweise die Hintergründe informiert worden sein, dürfte der Fall die befürchte Brisanz entfalten. Zumindest dürften die Bundesregierung unter Druck geraten, sich zu dem Mordfall zu erklären.

Zelimkhan K. könnte einem Auftragsmord zum Opfer gefallen sein.
Zelimkhan K. könnte einem Auftragsmord zum Opfer gefallen sein.
© Foto/ Palitra News / Tsp

Denn der Verdacht erhärtet sich, dass auch die Bundesrepublik jetzt einen Fall Skripal hat. Im März 2018 hatten Agenten der GRU versucht, den ehemaligen russischen Geheimdienst-Oberst Sergej Skripal und seine Tochter im englischen Salisbury zu vergiften.

Skripal war zum britischen Auslandsnachrichtendienst MI 6 übergelaufen. Der Anschlag führte zu einer schweren Krise im Verhältnis zwischen dem Westen und Russland. Die USA und die EU verhängten Sanktionen, sie richteten sich unter anderem gegen führende Mitarbeiter der GRU. Mehr als hundert russische Diplomaten waren aus verschiedenen Ländern ausgewiesen worden.

Opfer hatte gegen Russland gekämpft

Bislang haben es die deutschen Behörden lediglich als ein wahrscheinliches Szenario bezeichnet, dass es sich bei dem Mord an dem Georgier um eine Tat im Auftrag eines russischen Geheimdienstes handelt oder im Auftrag von Ramsan Kadyrow, dem despotischen Präsidenten der autonomen russischen Teilrepublik Tschetschenien. Sicherheitskreise sprachen von Verdacht auf „russischen Staatsterrorismus“. Der Kreml bestreitet jede Verbindung zum Attentat.

Das Opfer, ein tschetschenischer Georgier, hatte an der Seite tschetschenischer Rebellen  im zweiten Tschetschenien-Krieg (1999-2009) gegen Russland gekämpft. Khangoschwili unterstützte zudem den früheren georgischen Staatspräsidenten Micheil Saakaschwili, in dessen Amtszeit sich Russland und Georgien einen kurzen Krieg lieferten.

Im zweiten Tschetschenien-Krieg kämpfte der Georgier Zelimkhan K. gegen die Russen.
Im zweiten Tschetschenien-Krieg kämpfte der Georgier Zelimkhan K. gegen die Russen.
© Foto/ Palitra News / Tsp

Der 40-jährige Zelimkhan Khangoschwili war am Freitag, dem 23. August, gegen 11:55 Uhr im Kleinen Tiergarten in Moabit getötet worden. Der Täter war mit einem Fahrrad unterwegs und schoss dem Georgier in den Kopf.

Khangoschwili erlag noch am Tatort seinen schweren Verletzungen. Der Täter konnte nach kurzer Flucht zügig festgenommen werden, bei ihm wurde eine größere Summe Bargeld gefunden. Er sitzt in Untersuchungshaft.

Das Opfer hatte bereits mehrere Anschläge überlebt, zuletzt 2015 in der georgischen Hauptstadt Tiflis.

K. nach dem Anschlag 2015 in Tiflis.
K. nach dem Anschlag 2015 in Tiflis.
© Privates Archiv

Deshalb flüchtete er in die Ukraine, wo er an der Seite von Saakaschwili aktiv war. Nach weiteren Bedrohungen kam Khangoschwili nach Deutschland und beantragte Asyl. Auf Grundlage von Informationen von russischer Seite stuften die deutschen Sicherheitsbehörden den Georgier zunächst als Islamisten und Gefährder ein, dies wurde erst später wieder aufgehoben.

Bekannt ist bereits, dass der tatverdächtige Russe bereits unter dem falschen Namen Wadim Sokolow in die EU eingereist war. Auf diesen Namen war sein Pass ausgestellt. Er soll bei der französischen Botschaft in Moskau ein Schengen-Visum beantragt und ausgestellt bekommen haben. Die Falsche Identität mit echtem Reisepass ist für Sicherheitsexperten ein klares Indiz dafür, dass die russischen Behörden dahinterstecken.

Der Mann reiste aus Moskau nach Paris, dann nach Warschau und weiter nach Berlin. In Warschau soll der Russe laut "Spiegel"-Informationen im Stadtzentrum ein Hotelzimmer für mehrere Tage angemietet haben. Nach seiner Verhaftung in Berlin sollen polnische Sicherheitsbehörden persönliche Gegenstände in dem Hotel sichergestellt haben.

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