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Nach der FDP machen sich auch CDU-Politiker für den Weiterbetrieb stark.
© Kitty Kleist-Heinrich

CDU-Politiker Heilmann zum Streit um Tegel: "Unvermögen und Vertuschung kommen ins Rampenlicht"

Der Berliner CDU-Bundestagskandidat und Ex-Senator Thomas Heilmann spricht über die Debatte um den Flughafen Tegel und die mögliche Zukunft am BER.

Der Streit um den Flughafen Tegel ist voll entbrannt, aber die CDU-Führung muss noch auf das Votum ihrer Mitglieder warten. Das ist keine komfortable Situation.

In allen Parteien, selbst in der FDP, gibt es Mitglieder, die wollen Tegel schließen und andere, die für die Offenhaltung sind. Das ist auch in meiner Partei so. Die Lage ist also für alle unkomfortabel, ganz besonders für den Senat und den Regierungschef Michael Müller. Unvermögen und Vertuschung in Sachen Flughafen kommen jetzt voll ins Rampenlicht der Öffentlichkeit, die Bürger fühlen sich aus meiner Sicht zurecht belogen.

Was stimmt denn nicht?

Immer wieder die Termine, die Kosten, die Kapazitäten und die Behauptung, wenn Tegel nicht schließt, kann der BER nicht eröffnen. Die BER-Entscheidungen sind bestandskräftig. Das deutsche Recht kennt keine nachträgliche Rechtswidrigkeit, auch wenn sich Umstände ändern.

Als Regierungspartei hat die CDU die Schließung Tegels mitgetragen, wie wollen Sie den Bürgern die Kehrtwende erklären?

Zunächst einmal mit Selbstkritik. Sie können uns vorwerfen, dass wir keine Senatskrisen riskiert haben. Wie auch die Medien war die CDU immer wieder skeptisch – hatte aber gegen die Aussagen der Flughafengesellschaft und des Regierenden keine Beweise. In meiner Zeit als Senator habe ich dreimal großen Ärger verursacht: Als ich eine inzwischen gerichtlich bestätigte, rechtswidrige Entscheidung des damaligen Finanzsenators kritisierte, als ich zu wenig Engagement für Schulsanierungen anmahnte – und als ich den Eröffnungstermin 2017 für den Flughafen öffentlich bezweifelte. Mir wurde jedes Mal vorgehalten, ich sei nicht zuständig. Jetzt kann ich frei sagen, 2018 wird der BER auch nicht eröffnen.

Darf man die Wahrheit nur in der Opposition sagen?

Natürlich soll man auch im Senat nicht die Unwahrheit sagen. Aber man ist immer im Dilemma zwischen Koalitionsloyalität und Vertretung eigener Standpunkte. Im Nachhinein: Im Interesse der Stadt haben wir wohl mindestens einmal zu wenig Streit angefangen.

Zweiter Versuch: Warum stellt die CDU die Schließung Tegels jetzt in Frage?

Wir sind 2016 abgewählt worden, um unsere zurückliegende Arbeit grundsätzlich infrage zu stellen. Das tun wir. Bei einer Frage, die das Zeug hat, Berlin so zu spalten wie das Bahnprojekt Stuttgart 21 die Schwaben, ist der erste und wichtigste Schritt Transparenz. Es muss alles auf den Tisch.

Was ist die Wahrheit?

Der Flughafen BER wird erneut später eröffnet als gedacht und die Kapazitäten reichen nicht aus, wenn er in Betrieb genommen wird. Deshalb sollten wir Tegel für eine Übergangszeit offenhalten, bis Schönefeld ausreichend ausgebaut ist.

Sie wollen Tegel nicht auf Dauer in Betrieb halten?

Ein zweigeteiltes Flughafensystem in öffentlicher Hand ist auf Dauer schwierig. Dann wollen alle Airlines in Tegel bleiben. Jüngste Äußerungen von Air Berlin bestätigen dies. Dort lassen sich aber nicht 50 Millionen Passagiere abfertigen.

Die FDP sieht das anders.

Die Liberalen und ihr Landeschef, Herr Czaja, machen den Bürgern unrealistische Hoffnungen. Ich kann den Wunsch nach dauerhaftem Betrieb in Tegel wirklich gut verstehen. Aber wir sollten keine falschen Erwartungen wecken. Die vom Fluglärm massiv betroffenen Anwohner werden klagen und gewinnen. Denn der Staat müsste nachweisen, dass es zur dauerhaften Offenhaltung Tegels keine Alternative gibt. Mit einem Flughafen BER vor den Toren Berlins dürfte dies keinem Gericht plausibel zu machen sein.

Muss denn in einer Demokratie nicht der Wählerwille entscheidend sein?

Ja, natürlich. Trotzdem gilt: Im Rechtsstaat geht das Recht dem Mehrheitswillen vor. Es gibt sogar unantastbare Rechte, wie die Menschenwürde.

Eine zeitlich befristete Offenhaltung Tegels halten Sie für rechtlich vertretbar?

Sicher ist das nicht, aber ich denke schon, dass ein Widerruf der Schließung auf Zeit juristisch haltbar wäre. Bis zu einem halben Jahr, nach Eröffnung von BER, kann Tegel jetzt schon in Betrieb bleiben. Dies ließe sich durch eine präzise festgelegte, erweiterte Zeitperiode ersetzen oder durch die Definition einer bestimmten Ausbaustufe für den neuen Airport in Schönefeld. Es spricht einiges dafür, dass dies machbar wäre.

Für die Nachnutzung des Flughafengeländes als Wissenschafts- und Wohnstandort wäre auch eine temporäre Offenhaltung Tegels schlecht.

Das stimmt leider. Die neuen Tegel-Konzepte sind wirklich gut. Eine spätere Schließung Tegels würde zu Verzögerungen führen, aber es wäre sicher möglich, die Pläne schrittweise zu realisieren.

Der Ausbau des BER…

… muss dringend kommen. Da fehlt es an mittel- bis langfristigen Lösungen. Wer versuchen will, die Flugkapazitäten künstlich niedrig zu halten, schädigt den Wirtschaftsstandort Berlin massiv. Es war der rot-rote Senat, der immer vom Wirtschaftsfaktor Flughafen gesprochen hat. Aus gutem Grund. Die bisher bekannten Komponenten für eine BER-Erweiterung nach dessen Eröffnung erscheinen mir plausibel, aber deutlich zu defensiv.

Was schlagen Sie vor?

Auf Dauer geht es nicht ohne dritte Startbahn. Ein Planungsbüro hat vorgeschlagen: Die dritte Startbahn könnte in Sperenberg oder einer vergleichbaren Region gebaut werden. Wohlgemerkt – kein neuer Flughafen, nur eine per Schiene angeschlossene Startbahn. Vorbild Flughafen Zürich: verbunden durch eine Bahnverbindung, mit einem Check-In in Schönefeld. Über diese Startbahn sollte der Interkontinental-Flugverkehr abgewickelt werden, in einem 24-Stundenbetrieb. Im Gegenzug könnte BER zwischen 24 und 6 Uhr im Sinne der Nachtruhe der Anwohner zugemacht werden. Das verkürzt viele Langstreckenflüge um drei, vier Stunden und verbessert die Wettbewerbssituation Berlins drastisch.

Thomas Hellmann ist Kreischef der Union im Südwesten Berlins.
Thomas Hellmann ist Kreischef der Union im Südwesten Berlins.
© Ole Spata/dpa

Ein Zug vom Terminal zu einer weit entfernten Startbahn, ist das nicht sicherheitstechnisch ein Problem?

Natürlich muss man das genau durchdenken. Aber es gibt viele Flughäfen, wo Sie nach der Sicherheitskontrolle in einem Zug zum Gate gefahren werden. Und ob Sie fünf Minuten in der Bahn sitzen oder eine Viertelstunde, ist doch egal.

Ist es nicht so, dass beim BER nach der Eröffnung weitere Terminals fehlen, um alle Passagiere abzufertigen? Zwei Startbahnen reichen nach Meinung der Experten aber für lange Zeit aus.

Bei Flughäfen muss man über lange Zeiträume denken. Natürlich benötigt BER erst einmal zusätzliche Terminals, und zwar in Schönefeld. Aber auf Dauer auch eine dritte Startbahn.

Das Planungsrecht für eine solche Startbahn wird so einfach nicht zu haben sein.

Einfach ist gar nichts. Die Erweiterung oder der Neubau von Flughäfen ist überall in Demokratien eine Herausforderung. Aber wir können deshalb doch nicht die Augen davor verschließen, dass wir in Berlin für die Zukunft des Flugverkehrs nicht ausreichend gerüstet sind. Die Probleme werden nicht einfacher, wenn wir sie der nächsten Generation ungelöst weiterreichen.

Wer soll eine dritte Startbahn finanzieren?

Ich plädiere dafür, die Finanzierung und den Bau privaten Investoren zu überlassen. Gerade in Berlin hat sich gezeigt: Der private Fraport in Frankfurt/Main funktioniert viel besser als die staatliche Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg.

Was sagen Ihre Parteifreunde dazu?

Er wird interessiert diskutiert. Die Berliner CDU will ihr Flughafen-Konzept nun schrittweise weiterentwickeln. Aber erst einmal wird Rot-Rot-Grün für die eigene Politik von den Bürgern beim Volksentscheid die rote Karte gezeigt bekommen. Das hat sich der Senat auch redlich erarbeitet. Dann werden wir sehen, ob ein Nachdenkprozess einsetzt, das kann man unserer Stadt nur wünschen.

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