Weiterbetrieb von Flughafen Tegel: CDU und Ryanair positionieren sich zu TXL
Laut einem Gutachten ist es möglich, den Schließungsbeschluss für den Flughafen Tegel aufzuheben. Der Generalsekretär der Berliner CDU könnte sich auch mit einem vorübergehenden Weiterbetrieb anfreunden.
Kurswechsel: Der Flughafen Tegel muss nach Ansicht des Berliner CDU-Generalsekretärs Stefan Evers nicht zwangsläufig „ewig“ in Betrieb bleiben. Evers, eigentlich ein Anhänger des Offenhaltens, kann sich auch vorstellen, „nur" einige Jahre weiterzufliegen – bis es in Schönefeld ausreichende Kapazitäten gebe. Das sagte er am Mittwoch vor Journalisten. Die Partei legt ihre Position nach der derzeit laufenden Mitgliederbefragung fest.
Aufwind bekommen die Befürworter des Weiterfliegens durch ein Gutachten, das der Billigflieger Ryanair nach Gesprächen mit CDU-Vertretern in Auftrag gegeben hatte und das am Mittwoch bei einer Pressekonferenz mit Evers vorgestellt wurde. Es kommt zu dem Ergebnis, dass der Weiterbetrieb in Tegel rechtlich möglich und ökonomisch erforderlich ist, weil die Kapazitäten im Berlin-Flugverkehr nicht ausreichten. Auch Ryanair hat sich mehrfach für einen Weiterbetrieb in Tegel ausgesprochen.
Den Schließungsbeschluss aufzuheben, ist möglich
Nach Ansicht der Gutachter von Frontier Economics ist es möglich, den Schließungsbeschluss aufzuheben. Sie bestätigen damit eine Expertise des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags, der zu einem ähnlichen Schluss gekommen war. Die neue Studie sei ausführlicher und belege, dass der Weiterbetrieb möglich sei, sagte Evers. Auch er sei bisher der Meinung aufgesessen, dass das Aufgeben des Flugbetriebs rechtlich zwingend sei.
Die Aufhebung des Schließungsbeschluss würde aber zu einem aufwändigen Verfahren führen, sagte am Mittwoch Mitverfasser Benjamin Schirmer, der Fachanwalt für Verwaltungsrecht ist. Sollte auch die Raumordnung geändert werden müssen, die nur einen Single-Flughafen in Schönefeld vorsieht, könnte das Verfahren lange dauern.
Für das vorgesehene Schließen von Tegel gebe es keinen Zusammenhang mit dem Planfeststellungsbeschluss für den BER-Ausbau in Schönefeld, sagte Schirmer weiter. Zum Schließen gebe es keine Verpflichtung. Die Genehmigung beruhe nur auf der Annahme, dass es für die Region einen einzigen internationalen Verkehrsflughafen geben sollte.
Begründet worden war der BER-Ausbau vor allem mit dem Argument, durch das dann mögliche Schließen von Tegel würden weit über hunderttausend Menschen in Berlin von Lärm – und der Unfallgefahr – entlastet. Die Planrechtfertigung beruhte auf der damaligen Verkehrsprognose, die überholt sei, sagte Schirmer. Der Flugverkehr werde weit stärker wachsen als früher angenommen.
Die Gutachter rechnen mit 56 Millionen Passagieren im Jahr 2030. Konzipiert ist der BER für 45 Millionen Fluggäste – nach dem Endausbau. Derzeit liegt die Terminal-Kapazität weit darunter.
Während für die meisten Experten ausschlaggebend ist, wie viele Passagiere in den Spitzenstunden abgefertigt werden können, sind für Gutachter Sebastian Theuer die Aufnahmemöglichkeiten der Start- und Landebahnen entscheidend. Mehr als 460 000 Flüge ließen die Anlagen am BER technisch nicht zu. Dies führe zu 62 Flügen in der Stunde. Derzeit gebe es in Tegel und Schönefeld zusammen aber bereits 68 Flüge.
Und wenn die angenommene Zahl von 56 Millionen Passagieren erreicht sein sollte, würde dies zu 100 Flügen in der Stunde führen, auch wenn in den Flugzeugen mehr Passagiere sitzen würden als heute. In den acht Spitzenstunden des Tages sei die Nachfrage nicht zu schaffen. 5,5 Millionen Menschen müssten dann auf einen Flug verzichten. Und weil das Angebot begrenzt sei, würden die Flugpreise steigen.
200 Millionen Euro Mehrkosten pro Jahr
Nicht beschäftigt haben sich die Gutachter mit den Kosten für einen Weiterbetrieb und dem dann erforderlichen zusätzlichen Lärmschutz für die Anwohner. Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) rechnet mit mindestens 200 Millionen Euro Mehrkosten pro Jahr bei einem Betrieb von zwei Flughäfen.
Sollte der von der FDP initiierte Volksentscheid im September für das Offenhalten erfolgreich sein, müsse es eine politische Entscheidung geben, sagte Schirmer. Den Antrag zum Weiterbetrieb müsste die Flughafengesellschaft stellen. Und dabei müssten auch die Gesellschafter Brandenburg und der Bund mitziehen, die sich bisher wie der Senat von Tegel verabschieden wollen.
Die Schließungsbefürworter verweisen auch darauf, dass das Nachnutzungskonzept bei einem Weiterbetrieb obsolet sei. Es sieht neben dem Ansiedeln der Beuth-Hochschule auch Flächen für Gewerbe – und damit für Arbeitsplätze – sowie den Bau von 5500 Wohnungen vor.
So oder so: „Jede Entscheidung führt zu erheblichen Auswirkungen“, sagte Evers. Und nach Ansicht von Experten auch zu zahlreichen Klagen, wie sie bereits angekündigt sind.
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